Die Raiffeisen Bank International erwirtschaftete im ersten Halbjahr 1,7 Milliarden Euro Gewinn, die Russland-Tochter hat rund ein Drittel dazu beigetragen.

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Wien – Der schlimmste Fall sei leider eingetroffen, "Menschen sterben, und Menschen sterben in unseren Märkten": Mit diesen Worten leitete der Vorstandschef der Raiffeisen Bank International (RBI), Johann Strobl, am Dienstag die Präsentation der Halbjahresergebnisse des Instituts ein.

Die RBI ist in der Ukraine und als eines der wenigen europäischen Institute auch in Russland tätig – und, das sei vorweggenommen, sie hat im ersten Halbjahr in Russland prächtig verdient. Der Gewinn nach Steuern ist in Russland zwischen Jänner und Juni auf rund 630 Millionen Euro nach Steuern gestiegen, im Jahresvergleich bedeutet das einen Anstieg um 201 Prozent: Im Vergleichszeitraum des Vorjahres lag der Gewinn bei 209 Millionen Euro.

Eine Entwicklung, die Strobl unter anderem auf gestiegene Zinsen und vor allem den stark gestiegenen Kurs des Rubels gegenüber dem Euro zurückführte, der sich stark auf die absoluten Zahlen auswirke, berichte man doch in Euro. Zudem verwies der Banker auf die Devisengeschäfte, die mit den von der russischen Zentralbank vorgeschriebenen Devisenbeschränkungen bzw. damit verbundenen Zwangskonvertierungen zusammenhängen.

Anerkennung für Ukrainer

Für die rund 6.300 Mitarbeiter in der Ukraine fand der Bankchef viele anerkennende Worte, sie hätten enorme Anstrengungen unternommen, um das Bankgeschäft für die rund drei Millionen Kunden am Laufen zu halten.

Insgesamt ist das erste Halbjahr für die RBI blendend gelaufen, der Gewinn ist, eben ganz besonders dank Russlands, auf 1,7 Milliarden Euro gestiegen und hat sich damit mehr als verdoppelt. Eingerechnet ist da ein Gewinn von 453 Millionen Euro, den der Verkauf der bulgarischen Tochterbank in die Kassen der RBI gespült hat.

Sie ist mit ihren rund 44.000 Mitarbeitern neben Österreich in zwölf zentral- und osteuropäischen Ländern tätig und hat rund 17 Millionen Kunden. Besonders positiv hat sich laut Strobl das Firmen- und Privatkundengeschäft entwickelt, Zins- und Provisionsüberschüsse seien gestiegen.

Russland-Kredite sinken

Viel Raum nahm bei der Präsentation das Geschäft in Russland ein; das Eigenkapital ist dort auf 4,3 Milliarden Euro geklettert – und wird auch für Russland reserviert bleiben. Die RBI werde das nicht woanders verwenden, so Strobl. Dasselbe gelte für die Dividenden, die ja nicht an die Mutter in Wien ausgeschüttet werden dürfen, "dieses Geld ist in Russland und wird dort auch bleiben". Die RBI hat stets betont, dass sie in Russland kein neues Geschäft mehr akquiriert, tatsächlich habe man das Kreditportfolio um 4,4 Milliarden Euro verringert.

Mit diesem Minus von rund einem Fünftel im zweiten Quartal habe man das Abbauziel weitgehend erreicht, "der große Teil, die wichtigsten Maßnahmen sind umgesetzt", erklärte Strobl dazu. Und: Das sehr gute Ergebnis in Russland diene der Stärke und Stabilität der Bank.

Schicksal der Moskau-Tochter offen

Ja, und was wurde nun aus den Plänen, alle Optionen für das Schicksal der Russland-Tochter, die in den vergangenen Jahren stets eine wesentliche Säule der RBI-Gewinne dargestellt hat und das auch jetzt noch tut, zu prüfen? Inklusive Trennung von dem Institut? Da gab sich der Vorstandsvorsitzende zugeknöpft: Man prüfe alle Optionen, er werde dazu aber weder Details noch eine "Zeitachse" bekanntgeben, so Strobl. Dass zuletzt rund 300 Mitarbeiter für die Moskauer Tochter gesucht wurden, habe damit nichts zu tun, da gelte es, Fluktuationen auszugleichen, die in der russischen Tochter stets hoch seien.

Vage blieb man auch bei den Angaben, wie viele Konten die RBI im Zusammenhang mit den EU-Sanktionen eingefroren habe: 70 bis 80 Kontoverbindungen zu Korrespondenzbanken seien beendet worden.

Im laufenden Jahr soll die "stabile" Entwicklung weitergehen, die eine oder andere Akquisition scheint nicht ausgeschlossen zu sein, da gibt es laut Strobl "Potenzial für Überlegungen".

Höhere Zins- und Provisionsüberschüsse erwartet

Steigerungen erwartet die Bank etwa beim Zins- und Provisionsüberschuss. Für 2022 wird ein Zinsüberschuss zwischen 4,3 und 4,7 Milliarden Euro und ein Provisionsüberschuss von mindestens 2,7 Milliarden Euro erwartet. Ohne Russland und Belarus dürften der Zins- sowie der Provisionsüberschuss heuer voraussichtlich um rund 20 bzw. zehn Prozent nach oben gehen, teilte die Bank mit.

Die Vorsorgen für faule Kredite hat die Bank jedenfalls erhöht. Im Halbjahr beliefen sich die Risikovorsorgen (Wertminderungen auf finanzielle Vermögenswerte) auf 561 Millionen Euro, nach 319 Millionen im ersten Quartal 2022 und 100 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2021.

Der Kurs der Aktie ist am Dienstag bis zum frühen Nachmittag um rund 5,2 Prozent auf 12,62 Euro gestiegen. (gra, APA, 2.8.2022)