Die "Kronen Zeitung" hat nicht die Wahrheit geschrieben und muss deshalb einem Ex-Moderator und dessen Vater nun – nicht rechtskräftig – eine Entschädigung zahlen.

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Wien – Seine "ZiB"-Moderation vom 14. Dezember hat Roman Rafreider ein ungewolltes Medienecho beschert. War er bei der Livesendung doch sichtbar beeinträchtigt und fiel durch Zungenschlag und Gleichgewichtsstörungen auf. Er habe eine Beruhigungstablette nicht vertragen, gab er später bekannt. Die "Kronen Zeitung" berichtete am nächsten Tag, das Medikament sei notwendig gewesen, da sein Vater auf der Intensivstation im Sterben lag und mittlerweile verstorben sei– was nicht stimmte. Weshalb der 52-Jährige und sein Rechtsvertreter Oliver Scherbaum gegen den Artikel in Print- und Onlineausgabe geklagt haben.

"Sind die Veröffentlichungen denn richtig?", will Richter Christian Noe von Rafreider wissen. "Dass mein Vater tot ist, ist falsch", antwortet der knapp. Was sich zwanglos auch daraus ableiten lässt, dass sein Vater ein Mitkläger ist. "Dass er auf der Intensivstation war?", fragt der Richter weiter. "Nein. Er drohte, auf die Intensivstation zu kommen." – "Die Berichte waren unangenehm für Sie?" – "Es war furchtbar", erklärt der ORF-Mitarbeiter. Er sei ohnehin "am Boden gelegen" und sei dann noch von vielen Freunden und Bekannten kontaktiert worden, die ihm ihr Beileid ausgesprochen haben. Besonders seiner Mutter sei die Falschmeldung sehr nahegegangen, auch ihn habe das "unerbetene Mitleid" genervt.

Nur ein Journalist fragte nach

Er sei von der "Kronen Zeitung" auch nie kontaktiert worden, alle anderen Medien hätten die Behauptungen in Copy-and-paste übernommen – mit einer Ausnahme. Ein ihm persönlich bekannter Journalist der "Vorarlberger Nachrichten" habe ihm eine Nachricht mit der Bitte um Bestätigung geschrieben, dem habe er die wahre Lage erklärt.

Die "Krone"-Anwältin hält Rafreider dann ein Schriftstück vor, das er nach Aufforderung der Geschäftsführung an den Generaldirektor, den Chefredakteur, die Personalabteilung und den ORF-Pressesprecher übermittelt hat. Und in dem er zu seinem missglückten Auftritt anführt, dass sein Vater auf der Intensivstation im Sterben liege.

Tags darauf gab es auch eine interne Mail, in der der Kläger mitteilte, seinen Kolleginnen und Kollegen erklären zu wollen, dass es einen Todesfall gegeben habe – doch mit dem Hinweis: "Aber erwähnt nicht meinen Vater." Was denn nun stimme, will die Anwältin daher von Rafreider wissen. Der verweigert unter Verweis auf den höchstpersönlichen Lebensbereich zunächst die Aussage. Schließlich erklärt er doch, er habe am 14. Dezember nicht nur von der Erkrankung seines Vaters erfahren, sondern auch vom Todesfall einer anderen ihm nahestehenden Person.

"Reine Sensationsgier" versus "einzigartiger Fall"

In den Schlussplädoyers prallen die Rechtsmeinungen nochmals aufeinander. Scherbaum argumentiert, die "Krone" habe aus "reiner Sensationsgier und zur Generierung von Klicks" in den höchstpersönlichen Lebensbereich seines Mandanten eingegriffen. Er habe einer Veröffentlichung nie zugestimmt, sei nicht kontaktiert worden, und selbst wenn es wahr wäre, stünde es nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem öffentlichen Leben. Der Anwalt führt auch ein Positivbeispiel an. Der ORF selbst habe in einer Meldung lediglich von einem "privaten Schicksalsschlag" geschrieben und keine Details ausgeführt.

Die "Krone"-Vertreterin sieht das naturgemäß anders. "Der Fall ist sicher einzigartig", gibt sie zu. "Das passiert nicht alle Tage", dass ein prominenter TV-Moderator "offensichtlich massiv beeinträchtig" durch eine Live-Sendung führe und danach sogar eine Nachrichtensendung verschoben werden muss, um einen Ersatz zu finden. Der Hauptgegenstand der Berichterstattung sei aber eben dieser ungewöhnliche Auftritt gewesen, nicht der Todesfall oder die Erkrankung des Vaters.

Persönlicher Schicksalsschlag "keine Bloßstellung"

Außerdem habe sich Rafreider selbst gegenüber den höheren Stellen mit dem Gesundheitszustand seines Vaters gerechtfertigt, also habe man davon ausgehen können, dass die Behauptung wahr sei. Im Übrigen sei es nicht bloßstellend, zu berichten, dass jemand von einem Schicksalsschlag mitgenommen wurde, da das eine verständliche Reaktion sei.

Richter Noe sieht das anders und spricht Rafreider und seinem Vater jeweils 10.000 Euro Entschädigung für die beiden Artikel zu. Auch er begründet, es wäre ausreichend gewesen, über einen Todesfall im persönlichen Umfeld zu schreiben. Die Kläger sind damit zufrieden, die "Krone"-Anwältin gibt keine Erklärung ab, die Entscheidung ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 2.8.2022)