Zum Wochenbeginn fand wieder einmal ein Gipfel zum Thema Energiekrise statt. Regierungspolitiker, Oppositionelle und Expertinnen trafen einander auf Einladung von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) im Kanzleramt, um über die Inflation und Höchstpreise für Energie zu beraten. Was kam dabei heraus? Ein neues großes Maßnahmenpaket? Neue Details zu bereits angekündigten Schritten wie dem geplanten Stromrechnungsdeckel? Keines von beidem. Stattdessen wurden lediglich altbekannte Dinge wiederholt, etwa der Umfang bisheriger Entlastungsmaßnahmen. Vor allem verwies die türkis-grüne Regierung auf den Füllstand der Gasspeicher, der 53 Prozent beträgt. Das ist zwar erfreulich und erhöht die Versorgungssicherheit in der Heizsaison. Aber einen Gipfel hätte es dafür nicht gebraucht – die 53 Prozent kann jede und jeder selbst nachgoogeln.

Beim Gipfel zur Energiekrise wurden lediglich altbekannte Dinge wiederholt.
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Die Regierung war bisher durchaus nicht untätig im Kampf gegen die Krise. Unterschiedliche Maßnahmen – vom sogenannten Teuerungsbonus bis zur höheren Familienbeihilfe – führen dazu, dass jede und jeder im Land bis Anfang nächsten Jahres zumindest einige Hundert Euro an Hilfen bekommen wird. Es wirkt aber kontraproduktiv, wenn Türkis-Grün darüber hinaus Showpolitik betreibt. Dann entsteht bei den Bürgerinnen der Eindruck, ein Gipfel jage den anderen, ohne Ergebnisse. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hat mitunter recht, wenn sie kritisiert, die Regierung halte "Referate", statt zu handeln.

Krisenpolitik der SPÖ

Zugleich sind auch die Rezepte der größten Oppositionspartei gegen die Krise nicht treffsicher. Das zeigte ein Interview mit Rendi-Wagner in der "ZiB 2". Zwar äußerte die Parteichefin viel Kritik an der Regierung – doch in der Sache stimmen Regierung und SPÖ letztlich bei überraschend vielen Vorschlägen überein. Eine soziale Staffelung beim Stromrechnungsdeckel, um Geringverdiener zu bevorzugen? Das will Rendi-Wagner genauso wie Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP). Bei der Verschiebung der CO2-Bepreisung ist man sich ebenfalls einig, wie auch in der Ablehnung von Tempo 100.

Jene SPÖ-Vorschläge wiederum, die von denen der Regierung abweichen, fallen teilweise sozial erstaunlich unausgewogen aus. Da wäre vor allem die Idee, die Spritpreise bei 1,50 Euro zu deckeln: Diese Maßnahme würde jenen am meisten bringen, die spritschluckende Autos fahren. Rendi-Wagner begründet den Vorschlag zwar damit, schlechtverdienende Pendler unterstützen zu wollen, die auf ihr Auto angewiesen sind. Aber diese Gruppe würde nur als eine von vielen profitieren.

Überhaupt offenbart sich hier die große Schwäche der Krisenpolitik, ob seitens der Regierung oder seitens der Opposition. Vom türkis-grünen Teuerungsbonus bis zum gewünschten SPÖ-Spritpreisdeckel – viele der Maßnahmen richten sich schlicht an alle Menschen. Andere wiederum, etwa die Teilabschaffung der kalten Progression durch die Regierung, entlasten hauptsächlich Berufstätige bis Gutverdiener. Zu wenig Unterstützungen hingegen gehen exklusiv an jene, die sie wirklich brauchen: jene, die im Supermarkt immer knapper bei Kasse sind und vielleicht erstmals den Weg in den Sozialmarkt antreten müssen.

Einmalzahlungen für sozial Schwache hat die türkis-grüne Regierung zwar beschlossen – aber nur in geringem Ausmaß. Warum nicht höhere Summen? Warum nicht mehrmals? Das wäre ein Thema für den nächsten Energiegipfel. (Joseph Gepp, 2.8.2022)