Es sei nicht mehr als eine bloße Sommerlochdebatte, monierte der Bundeskanzler nach dem Energie-Krisenkabinett am Montagabend. Damit versuchte der türkise Frontmann Karl Nehammer, die aufkeimenden Ablösegerüchte vom Tisch zu wischen. Finanzminister Magnus Brunner, der als Nachfolgekandidat gilt, stellte sich sogleich demonstrativ hinter seinen Parteichef. Er sei der Minister "an seiner Seite", sagte Brunner. Selbiges tat auch Oberösterreichs Landeschef Thomas Stelzer. "Der Bundeskanzler ist unumstritten", ließ er Österreich wissen. Auch aus der Tiroler ÖVP versicherte man, sehr wohl Wahlkampftermine mit Nehammer wahrzunehmen.

Der Urnengang im heiligen Land Ende September wird die erste große Prüfung für Nehammers Kanzlerschaft. Fällt die ÖVP, wie prognostiziert, unter 30 Prozent, wird es auch im Bund eng. Die aktuelle Lage fasst ein Funktionär so zusammen: "Also einige sind unzufrieden, aber wirklich keiner hat gesagt, Nehammer muss weg." Aber: "Sein Umfeld wird eher kritisch gesehen." Wer sich in der ÖVP nach der Leistung Nehammers erkundigt, hört das öfter. "Der Karl ist ja super, aber … ", heißt es da, ehe lange Beschwerden über Berater, Strategen und Kommunikatoren folgen.

Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) bezeichnete seine Ehefrau (rechts außen) unlängst als seine "wichtigste Beraterin". Innerparteilich stößt sich so mancher Funktionär daran, dass Katharina Nehammer so viel mitmische.
Foto: Heribert Corn

Unter Sebastian Kurz sei das viel besser gelaufen, jammern Funktionäre dann. Tatsächlich war das Kommunikationsteam rund um Kurz lange Zeit gut auf Zack. Die Message-Control war ein nahezu perfekt durchgetakteter Plan, wie man Boulevardmedien mit guten Geschichten versorgt und Themen selbst setzt. Gegen Ende hin knirschte das zwar immer mehr, weil das prophezeite Ende der Corona-Pandemie nicht eintrat und Korruptionsaffären die ÖVP übermannten – viele Kanzlerberater wurden ja selbst zu Beschuldigten. Aber in der Nachbetrachtung wird das in der ÖVP gern ausgeblendet.

Dort liest man erschrocken, wie Heute und Österreich über die Ablöse von Nehammer spekulieren oder ihm Krone-Kolumnist Michael Jeannée verbal eine auflegt. Dabei soll des Kanzlers Ehefrau Katharina sogar persönlich zum Hörer greifen, um befreundete Journalistinnen und Journalisten einzukochen. Das funktioniert aber nur stellenweise.

Spürbar wurde das, als die Cobra-Affäre durch einen anonymen Brief aufkam. Katharina Nehammer hatte in der Kanzlerwohnung mit zwei Personenschützern angestoßen. Die hatten später betrunken einen Unfall mit dem Dienstwagen gebaut. Als sich immer mehr Vorwürfe in der Causa als wahr herausstellten, wandte sich Katharina Nehammer von sich aus an die Medien. Über Frau Nehammer sind in Kanzleramt und Partei die meisten Beschwerden zu hören. Sie mische sich zu sehr in die Arbeit ihres Mannes ein, agiere teils, als sei sie seine Kabinettschefin, heißt es. Karl Nehammer bezeichnet sie als seine "wichtigste Beraterin".

Katharina Nehammer brachte ihren Mann auch mit dem Ex-Chef der deutschen Bild, Kai Diekmann, zusammen. Dessen Agentur Storymachine berät die ÖVP im laufenden U-Ausschuss. Diekmann begleitete Nehammer im Frühjahr auch bei dessen Reise in die Ukraine. Letzteres soll eine einmalige Sache gewesen sein.

Nehammers Reise zum russischen Präsidenten Wladimir Putin sei ebenso Katharinas Idee gewesen, hieß es. Für die Beamtenschaft ist das frustrierend: Wozu gebe es einen großen Stab an erfahrenen Diplomaten, Kommunikationsexperten und Beratern, wenn geopolitisch bedeutsame Entwicklungen am Frühstückstisch beschlossen werden, fragt man sich.

Der Freund des Kanzlers

Offiziell kommuniziert für den Kanzler Daniel Kosak. Der gilt eigentlich als erfahrener Sprecher: Bis 2017 war er für den Gemeindebund tätig, danach für Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, mit der er ein enges Vertrauensverhältnis hatte. In der Pandemie attackierte Köstinger, die Kosak beriet, auch immer wieder die Stadt Wien; teils mit falschen Prognosen.

Auch die Rolle von Michael Takacs ist umstritten. Der neue Bundespolizeidirektor ist einer der besten Freunde des Kanzlers. Im Innenressort arbeiteten sie eng zusammen; dann holte ihn Nehammer als Flüchtlingskoordinator ins Kanzleramt. Zuletzt saß Takacs bei einem Termin mit dem ungarischen Premierminister Viktor Orbán an Nehammers Seite – obwohl der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit und der Innenminister über Takacs angesiedelt sind. Der sei aber auf Urlaub gewesen, Takacs vom Ministerium entsandt worden, sagte das Innenministerium dazu.

Gleichzeitig geriet Takacs wegen Plagiatsvorwürfen in die Schlagzeilen (Jan Michael Marchart, Fabian Schmid, 2.8.2022)