Die Stars der italienischen Rechten (von links: Matteo Salvini, Giorgia Meloni und Silvio Berlusconi) sind vor den Wahlen siegessicher.

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Die Rechte verteilt das Fell des Bären, bevor sie ihn erlegt hat: Die postfaschistischen Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni, die rechtspopulistische Lega von Matteo Salvini und die Forza Italia von Silvio Berlusconi sind angesichts der Umfragen und der Uneinigkeit der politischen Gegner derart siegesgewiss, dass die Parteispitzen im Hinblick auf die vorgezogenen Neuwahlen vom 25. September bereits über die Besetzung der Schlüsselministerien diskutieren.

Als besonders forsch erweist sich dabei Lega-Chef Salvini: Er macht bei seinen Wahlkampfauftritten keinen Hehl daraus, dass er ins Innenministerium zurückzukehren gedenkt. Dieses hatte er 2018 bis 2019 geleitet, in Italiens populistischster Regierung aller Zeiten – gebildet aus der Lega und der Fünf-Sterne-Bewegung und geführt von Giuseppe Conte.

Wahlkampfthema Migration

"Den Innenminister habe ich schon ein Jährchen gemacht – wenn ihr uns eure Stimme gebt, dann werden wir wieder unsere Grenzen verteidigen und unsere Städte sicher machen", erklärt Salvini bei jedem seiner Wahlauftritte. "Zero clandestini" ("null Einwanderer ohne gültige Papiere") lautet sein Versprechen – und er vergisst dabei, dass die Zahl der "clandestini" während seiner Zeit als Innenminister massiv zugenommen hat. Mit den von Salvini durchgesetzten sogenannten Sicherheitsdekreten, die den Aufenthaltstitel der humanitären Aufnahme abgeschafft haben, wurden Zehntausende, die vorher ein Bleiberecht und damit auch eine Arbeitsbewilligung hatten, von einem Tag auf den anderen wieder in die Illegalität getrieben.

Doch das haben die meisten Wählerinnen und Wähler längst vergessen – und so wird Migration, die unter Draghi kein Thema war, bereits wieder zum Wahlkampfschlager Nummer eins. Salvini wird am Donnerstag oder Freitag nach Lampedusa fahren: Der südlichste Punkt der EU, wo jedes Jahr tausende Bootsflüchtlinge ankommen, scheint ihm der ideale Ort für seine Propaganda. "Mit sechs Millionen Italienern, die in Armut leben, können wir es uns nicht leisten, tausende ankommende Migranten von morgens bis abends zu unterhalten", behauptet Salvini.

Giorgia Meloni bremst dagegen noch ein wenig bei der Vergabe von Ministerposten – dabei ist sie diejenige, die ihren Posten im Fall eines Wahlsiegs des Rechtsbündnisses wohl sicher hätte. Sie gilt dann als neue Ministerpräsidentin Italiens gesetzt. Der Grund: Ihre Fratelli d’Italia führen in den Umfragen mit 24 Prozent klar vor den Bündnispartnern Lega (13 Prozent) und Forza Italia (acht Prozent) – und gemäß einer alten internen Abmachung darf bei den Rechtsparteien diejenige Partei den Namen des Regierungschefs oder der Regierungschefin vorschlagen, die am Wahltag die meisten Stimmen macht.

Ultrarechte Verbindungen

Meloni, der selbst durchaus bewusst ist, welche Bedenken ihre Parteizugehörigkeit und ihre politischen Verbindungen zur rechtsextremen spanischen Vox, zu Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán und zu zahlreichen anderen ultrarechten Parteien im Ausland auslöst, schwebt zur Beruhigung der europäischen Partner ein politisch eher moderates Kabinett vor – etwa mit dem Forza-Italia-Mann Antonio Tajani als Außenminister: Der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments, so Melonis Kalkül, könnte die Ängste und Zweifel in Brüssel vielleicht etwas zerstreuen.

Viel Anlass zur Gelassenheit besteht freilich nicht. Die zentrale Frage, wie es Italien nach Draghi mit seiner Bündnistreue zur Nato und der Unterstützung der Ukraine halten wird, wird wohl bis zum Wahltag unbeantwortet bleiben. Meloni gibt sich zwar als überzeugte "Atlantikerin" und hat die Regierung Draghi auch bei der Lieferung schwerer Waffen an Kiew immer unterstützt, obwohl ihre Partei in der Opposition ist. Sie würde aber mit den erklärten Putin-Verehrern Salvini und Berlusconi regieren, und wer sich dabei durchsetzen würde, ist völlig offen.

Der bisherige Wahlkampf verheißt auch in anderen Politikfeldern wenig Gutes. Die wirklich wichtigen Probleme Italiens werden von den Parteien komplett ausgeblendet, insbesondere die horrende Staatsverschuldung. Berlusconi verspricht fröhlich eine Verdoppelung der Mindestrenten, während Salvini bereits wieder von einer Steueramnestie und einer Einheitssteuer ("Flat Tax") fantasiert. Keiner der beiden Rechtspopulisten hat bisher auch nur ansatzweise erklärt, wie diese kostspieligen Wahlgeschenke finanziert werden sollen.

Fraglich ist auch, ob eine Rechtsregierung auf Draghis Pfad der Reformtugend weitergehen würde. Dieser Weg ist für die Freigabe der Milliarden aus dem EU-Wiederaufbaufonds unabdingbar. Die seit Monaten betriebene Blockadepolitik aller drei Rechtsparteien gegen die Steuer- und Justizreform sowie gegen die Liberalisierungen sind jedenfalls ein schlechtes Omen. (Dominik Straub aus Rom, 3.8.2022)