Mdou Moctar ist gelernter Hochzeitsmusiker. Mit seiner Band wird er am Donnerstag im Wiener Fluc am Praterstern aber auch politisch Haltung zeigen.

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Aufgewachsen ist der 1985 geborene Gitarrist und Sänger Mdou Moctar in einer streng religiösen islamischen Gegend im Norden des westafrikanischen Wüstenstaates Niger. Er brachte sich das Spielen als Bub selbst bei. Das geschah anfangs auf einem mit dünnem Hals und Drahtsaiten versehenen halbierten Flaschenkürbis. Ein Instrument, das heute noch von seinen Vorbildern Super Onze de Gao aus Mali gespielt wird.

Als weitere Lehrmeister führt Mdou Moctar den 2020 verstorbenen "Tuareg-Blues"-Vater und Unabhängigkeitsaktivisten Abdallah Ag Oumbadougou an. Die klirrenden und verhallten, scheinbar endlos über einem rollenden Rhythmus parlierenden Sologitarren von vielen Musikern aus Mali oder Niger zeigen sich seit Jahrzehnten auch von Mark Knopfler und den in Westafrika unglaublich populären Dire Straits beeinflusst. Dem ungleich rauer klingenden Wüstenrock hört man es Gott sei Dank nicht an.

Mdou Moctar

Im Laufe einer Nordamerikatournee während der Zehnerjahre wurde schließlich eine professionell spielbare elektrische Gitarre finanziert. Der aus New Yorks Downtown-Szene um John Zorn kommende Musiker Michael Coltun war ursprünglich Fan, Sponsor und Tour-Fahrer der Band, seit einigen Jahren ist er auch als Bassist und Produzent von Mdou Moctar tätig. Das Quartett, Frontmann und Bandname sind deckungsgleich, gilt neben den anderen großen Wüsten-Bands Tinariwen, Tamikrest oder den Frauen von Les Filles De Illighadad als derzeit bekanntester Act.

Es herrscht Tanzgebot

Daheim ist der ehemalige Gastarbeiter und Soldat in Libyen heute als Hochzeitsmusiker ebenso gefragt, wie er auch als Star des weltweit ersten Spielfilms in Tuareg-Sprache gilt. Es handelt sich dabei um ein Remake des Prince-Films Purple Rain. Da es in der Tuareg-Sprache kein Wort für Purpur gibt, nennt sich das Drama von 2015 nun übersetzt Rain the Color of Blue with a Little Red in It und kann auf Vimeo ausgeliehen werden.

Mdou Moctar

Dass es in Niger nicht nur lustig zugeht, beweist allerdings der Titelsong des Albums Afrique Victime: "Africa is a victim of so many crimes / If we stay silent it will be the end of us / My brothers and sisters, tell me why is this happening?"

Bürgerkrieg, jihadistischer Terror und die immer noch betriebene kolonialistische Ausbeutung eines der ärmsten Länder der Welt prägen den "Alltag" der Tuareg. Zu allem Unglück wurde dort in den 1970er-Jahren auch noch Uran gefunden. Die deshalb erfolgte militärische Präsenz von Frankreich und den USA sieht Mdou Moctar als Hauptübel in seinem Land.

Doch jetzt ist erst einmal Party angesagt. Wichtige weitere Impulsgeber für die Musikszene Nigers wie etwa Reggae hat Mdou Moctar tempomäßig über die Jahre auffrisiert. Angesichts seiner Haltung, dass er nicht als "begafftes Zootier" auf Weltmusikfestivals vor einem alten weißen Sitzpublikum, sondern unbestuhlt vor ausgelassenen jungen Leuten spielen will, ist das nur verständlich. Es herrscht bei seinem ersten Konzert in Wien also unbedingtes Tanzgebot. (Christian Schachinger, 3.8.2022)