Im Gastblog reflektiert Harald Havas über Informationen zu Ufos, die der Öffentlichkeit kürzlich präsentiert wurden.

Für alle, die zum ersten Mal auf diesen Blog stoßen oder nicht alle Teile davon gelesen habe, eine kurze Zusammenfassung davon, "was bisher geschah":

Die internationale Politik, militärische Institutionen und Wissenschafter stimmen inzwischen darin überein, dass das Phänomen der Ufos oder UAPs ("Unidentified Aerial Phenomenon") real ist. Damit wird natürlich nicht behauptet, jeder Lichtpunkt am Himmel wäre ein von Außerirdischen bemanntes interstellares Raumfahrzeug. Wer das unterstellt, bedient sich des klassischen Strohmann-Arguments. Nein, es handelt sich einfach um ungeklärte Phänomene. Und natürlich lassen sich nach wie vor über 90 Prozent der Sichtungen auf unspektakuläre und herkömmliche Ursachen wie Luftspiegelungen, Satelliten, Einbildung oder Ähnliches zurückführen, aber ein alles andere als geringer Rest bleibt bislang unaufgeklärt. Wobei es sich zum Teil eindeutig nicht nur um Lichtphänomene handelt, sondern um feste Objekte.

Diese Phänomene treten weltweit auf, auch wenn die meisten Berichte aus den USA kommen und auch dieser Blog sich hauptsächlich auf die dortigen Entwicklungen konzentriert. Anders formuliert, wer noch immer, aus einem Bauchgefühl heraus, die Realität des Phänomens bezweifelt, hat sich einfach noch nicht ausreichend damit beschäftigt.

Offener Umgang mit Daten

Ungeklärte Luftphänomene und auch fliegende Objekte, von denen viele erstaunlich gleich aussehen beziehungsweise sich in ihrem Flugverhalten gleichen, werden seit Jahrzehnten, möglicherweise seit Jahrhunderten beobachtet und diese Beobachtungen aufgezeichnet.

Es handelt sich nicht um ein amerikanisches Phänomen, im Gegenteil, andere Länder sind deutlich weiter in der offiziellen Anerkennung und offener im Umgang mit den Daten. Großbritannien veröffentlicht seit 20 Jahren regelmäßige Regierungsdaten. Argentinien, Frankreich, Italien, China, Japan, zeitweise Russland und noch einige Länder mehr betreiben eigene militärische Forschungseinrichtungen und/oder informieren regelmäßig die Öffentlichkeit über aktuelle Ergebnisse. Wieso das im deutschsprachigen Raum eher nicht der Fall ist, wird Thema eines zukünftigen Blogs sein.

Hegemonie der USA

Warum also dieser amerikanische Exzeptionalismus? Nun, die Antwort liegt auf der Hand und hat mit der ungebremsten Medienmacht der Vereinigten Staaten zu tun. Spätestens seit Hollywood und der Dominanz amerikanischer Pop- und Rockmusik hat Amerika fast so etwas wie eine kulturelle Hegemonie in der ganzen Welt, auf jeden Fall aber in Europa erreicht. Außerdem sind die USA nach wie vor die dominierende Supermacht der Welt, und deren politische Entscheidungen haben meist sofort weltweite Auswirkungen. Auch gesellschaftliche Themen – der Umgang mit Afroamerikanern, mit indigener Bevölkerung und anderen ethnischen Minderheiten, LGBTQI+-Rechte, die Abtreibungsfrage – schwappen oft recht rasch über den großen Teich und werden bei uns aufgegriffen.

Ein weiterer Faktor ist die Sprache. Fast jeder Mensch heutzutage versteht zumindest etwas Englisch, ja, beherrscht es oft perfekt. Nachrichten aus den USA und eingeschränkt aus Großbritannien und anderen englischsprachigen Ländern werden daher oft rascher und unmittelbar wahrgenommen. Kurz, wenn sich in den USA etwas einigermaßen Wichtiges ereignet, weiß es kurz darauf die ganze Welt.

Next Level: US-Kongress

Nachdem dem US-Kongress aufgrund eines gesetzlichen Auftrags bereits im vorigen Jahr ein vorläufiger Bericht über das Phänomen der UAPs vorgelegt wurde, folgte nun Mitte Mai eine Anhörung vor dem Kongress, die auch live im Fernsehen übertragen wurde. Das Sensationelle daran war, dass die Anhörung überhaupt stattfand. Es war die erste seit 50 (!) Jahren zu diesem Thema. Ebenfalls nicht unbedeutend war, dass mit den beiden Geladenen die führenden Köpfe der im November 2021 gegründeten Abteilung des Verteidigungsministeriums mit dem charmanten Namen "Airborne Object Identification and Management Synchronization Group" oder AOIMSG erstmals offiziell bekannt wurden und öffentlich auftraten.

Zum ersten Mal seit einem halben Jahrhundert wurde im Kongress der USA öffentlich über Ufos und ungeklärte Sichtungen gesprochen.
Foto: REUTERS/Joey Roulette

Kurz zusammengefasst, war die Anhörung sowohl für Skeptiker als auch für glühende Ufo-Fanatiker ein wenig enttäuschend. Skeptiker werden sich nicht darüber gefreut haben, dass sowohl die Mitarbeiter des Pentagon als auch die Vorsitzenden des Ausschusses in klaren Worten das Phänomen für real erklärten und auch neue Daten und optische Belege vorgelegt wurden. Ufo-Gläubige wiederum dürfte frustriert haben, dass mehrmals darauf verwiesen wurde, dass interessante Fragen erst danach in einem geheimen Ausschuss angesprochen werden würden. Außerdem wurde klar, dass die Stellen, die sich im Pentagon mit der Materie beschäftigen, immer noch personell dünn besetzt sind und auch nur mangelhaft mit anderen militärischen Organisationen und anderen Institutionen zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit wurde der AOIMSG vom Kongress nahegelegt. Dem wurde inzwischen auch entsprochen, und die AOIMSG wurde im Juli 2022 durch das "All-Domain Anomaly Resolution Office" oder AARO, ersetzt, was man immerhin unfallfrei aussprechen kann. AARO soll auch nicht identifizierte Objekte im Weltraum, in der Luft, unter Wasser und solche verfolgen, die sich zwischen diesen Bereichen zu bewegen scheinen. Darüber hinaus wurden weitere Briefings des Kongresses für die Zukunft eingefordert.

Next Level: Amnestiegesetz

Nachdem die US-Navy wie bereits im Jahr 2019 eine neue Richtlinie erstellte, wie wo und auf welche Art Ufo-Sichtungen von ihrem Piloten zu melden sind, und die amerikanische zivile Luftfahrtbehörde FAA mittlerweile wesentlich transparenter mit solchen Vorfällen umgeht, hat das amerikanische Parlament Mitte Juli 2022 nun ebenfalls einen weiteren Schritt für Offenheit gesetzt.

In einem derzeit seltenen überparteilichen Mehrheitsbeschluss wurde ein Gesetz geschaffen, das das Melden von Sichtungen offensiv fördert und auch einen Amnestieparagrafen beinhaltet. Es richtet sich konkret an aktuelles und ehemaliges Militärpersonal, zivile US-Beamte sowie an Mitarbeiter von Firmen, die Regierungsaufträge erhalten haben, und fordert sie auf, dem Kongress alles, was sie über UAP-Vorfälle jeglicher Art wissen, zu melden, unabhängig davon, ob sie zuvor schriftliche oder mündliche Geheimhaltungsvereinbarungen unterzeichnet oder zugesichert haben. Eine entsprechende Anlaufstelle dafür soll geschaffen werden. Manche Mitarbeiter des Pentagon erwarten sich durch dieses Gesetz einen Dammbruch an Informationen.

Next Level: Nasa

Die Nasa gehört genauso wie das US-Militär zu den Organisationen, die sich lange geziert haben, sich mit dem Phänomen zu beschäftigen. Während amerikanische Militärs sich hüteten, über ihre Erfahrungen zu berichten, aus durchaus berechtigter Angst davor, damit ihre Karriere aufs Spiel zu setzen, und in seltenen Fällen auch, weil sie von höheren Stellen direkt zum Schweigen aufgefordert wurden, etwa nach einem direkten Schießbefehl auf ein Ufo, hat auch die Nasa lang versucht, das Thema zu ignorieren oder herunterzuspielen. Aufgrund der neuesten Entwicklungen und auch aufgrund des neuen Leiters der Nasa, Bill Nelson, hat sich das nun geändert. Im Juni dieses Jahres wurde die Gründung einer offiziellen und auch öffentlichen Taskforce bekanntgegeben.

Auch hier fällt die Beurteilung gemischt aus. Zum einen empören sich viele Skeptiker darüber, dass hier überhaupt eine Taskforce ins Leben gerufen wurde, zum anderen sind viele Leute enttäuscht, dass diese derzeit ebenfalls nur aus wenigen Leuten besteht, die im Wesentlichen damit beauftragt sind, alte, schon bestehende Daten durchzugehen. Allerdings ist dies durchaus die korrekte wissenschaftliche Vorgehensweise. Wenn man in den Daten Dinge findet, die der Erforschung wert scheinen, wird man sich überlegen, welche weiteren Schritte man unternehmen wird beziehungsweise welche technischen Mittel dafür geeignet scheinen, weitere Forschung zu betreiben.

Das Fazit aus den neuen Informationen?

Das Phänomen existiert, und niemand weiß, was das Phänomen ist. Jegliche Spekulation von Zeitreisenden über Außerirdische, über parallele Zivilisationen, die unbemerkt von uns etwa am Grunde des Meeres leben, oder Besucher aus anderen Dimensionen bis hin zu schlicht unerforschten elektromagnetischen oder anderen physikalischen Effekten, deren Natur wir einfach noch nicht kennen, ist zu diesem Zeitpunkt müßig. Vermutlich sind es sogar mehrere Phänomene völlig unterschiedlicher Art. Der wichtige Schritt ist, sie zu erforschen, statt ihre Erforschung zu ächten. (Harald Havas, 17.8.2022)