Heuer ist es Mavie Hörbigers (rechts) Busen, vergangenes Jahr waren es Verena Altenbergers Haare, die einigen Festspiel-Fans aufstießen.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Es braucht offensichtlich nicht viel, um Frauen zu zwingen, ihren Twitter-Account zu löschen. Diesmal war die Schauspielerin Mavie Hörbiger wegen eines angeblich "fehlenden BHs" dazu genötigt. Es mag im Zuge des Todes der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr und dessen furchtbarer Hintergründe wie eine Kleinigkeit anmuten. Trotzdem zeigt sich auch hier, wie schmal noch immer der Grat für Frauen ist und was passiert, wenn sie von diesem mal abweichen. Was war also passiert? Nichts eigentlich, aber manchen ist schon das zu viel. Mavie Hörbiger trug vor kurzem bei einer Eröffnungsfeier der Salzburger Festspiele ein schwarzes Shirt – und einige, die offenbar fadisiert durch Twitter scrollten, fanden freilich etwas, worüber sie sich echauffieren konnten. Da waren doch tatsächlich Nippel zu sehen – ergo: Die Frau hat keinen BH an, der diese "Provokation" hätte abflachen können. Laut sexistischen, chauvinistischen und einfach nur jenseitigen Sprüchen von Twitter-Usern hätte sie gefälligst genau das tun sollen: einen BH tragen.

Wer also wirklich bis jetzt geglaubt hat, unter Anhänger:innen der Hochkultur ist bezüglich tiefer Sprüche und derben Frauenhasses irgendetwas besser, bekommt hier plastisch das Gegenteil präsentiert. Wir müssen die Salzburger Festspiele vor dem Nippel schützen, so tönt es sinngemäß und wohl sehr nasal. Die Kommentare zu dieser eigentlich höchst banalen Sache sind an Dummheit kaum zu überbieten. Etwa, dass man mit dem BH-freien Busen den Festspielen ihre "Würde" nehmen würde, ein "Jedermann, der zum JederGender verkommt". Ein anderer fragt sich, ob wohl der "Fotograf fesch war?".

Wieder einmal die sozialen Medien?

Mavie Hörbiger, die derzeit im "Jedermann" Gott und Teufel spielt, löschte in Reaktion darauf ihren Twitter-Account. Wie kommt sie dazu, wegen dieses frauenverachtenden Schwachsinns einen ihrer Kommunikationskanäle kappen zu müssen? Es ist eine Zumutung, die für viele Frauen im Netz alltäglich ist.

Das ist das also eine, wieder einmal Sexismus in den sozialen Medien. Bevor wir aber erneut so tun, als ob nur dort kommunikationsmäßig archaische Verhältnisse herrschen würden, ein Blick auf einen redaktionellen Bericht über diese Sache. Die klassischen Medien sind also das andere: Ein Bericht im "Kurier" über die Löschung von Hörbigers Account und die Gründe dafür verabsäumt genau das, was die Aufgabe eines redaktionellen Berichts zu so etwas wäre: einordnen und beschreiben, was war. Stattdessen normalisiert er den massiv misogynen Ton, indem im Titel etwa "Nippel-Kritik" steht. Was soll das sein? Kritik daran, dass es Nippel gibt? Nur blöd, dass man daran nichts ändern kann. Wer ist schuld am Nippel? Hörbiger? User, denen an Frauen ständig was nicht passt? Den mit Sexismus spielenden Unterton hätte man sich sparen können.

Sagen wir es gemeinsam: Es ist Sexismus

Darüber hinaus wird ein Kommentar, demzufolge Frauen nur deshalb keinen BH tragen, um sich dann aufregen zu können, dass Männer ihnen auf den "Busen glotzen", als "bissig" bezeichnet. Bissig? Der User sagt nichts anderes, als dass Frauen ihren Körper so "verpacken" müssen, dass sie von Männern nicht belästigt werden – und das ist ein Mindset, das Frauen die Schuld am Gaffen, Verurteilen und letztlich auch an Übergriffen gibt. Eines, das den Körper von Frauen als das Grundproblem bewertet, und nicht den Frauenhass. So etwas zu erkennen und benennen und daraus nicht "hitzige Debatten" zu machen, das wäre die Aufgabe klassischer Medien. Sexismus ist weder eine "Debatte" noch "Kritik". Es ist Sexismus. (Beate Hausbichler, 3.8.2022)