Staaten müssen Whistleblower künftig besser schützen.

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Wie zuletzt in einem Gastkommentar zu den datenschutzrechtlichen Aspekten des Entwurfs des HinweisgeberInnenschutzgesetzes (HSchG) erwähnt, soll der sachliche Anwendungsbereich des Gesetzes im Vergleich zur EU-Richtlinie nur geringfügig erweitert werden. Arbeitsrechtsverletzungen, insbesondere Verletzungen des Arbeitnehmerschutzrechts, Mobbing- oder Diskriminierungstatbestände, sind aber vorerst vom Gesetzesentwurf nicht erfasst.

Allerdings könnte auch die Verletzung von arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften künftig ein Fall für Whistleblowing werden, denn das Gesetz sieht eine periodische Evaluierung vor. Zudem können Unternehmen natürlich den Anwendungsbereich ihres Whistleblowing-Systems auch auf Verletzungen des Arbeitsrechts ausweiten. Hingegen sollen Whistleblower– nach derzeitigem Stand– vor allem durch die arbeitsrechtlichen Bestimmungen im HSchG folgendermaßen geschützt werden:

Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen

Konkret sollen beispielsweise Whistleblower, deren Arbeitsverhältnis als Reaktion auf die Erstattung eines berechtigten Hinweises gekündigt wurde, künftig die Unwirksamkeit einer Kündigung oder anderer Vergeltungsmaßnahmen, wie zum Beispiel verschlechternde Versetzungen oder Disziplinarmaßnahmen, gerichtlich geltend machen können. Whistleblower haben in diesen Verfahren Beweiserleichterungen und müssen lediglich glaubhaft machen können, dass die bekämpfte Maßnahme als Vergeltung für die Erstattung eines (berechtigten) Hinweises erfolgte.

Für bestimmte im HSchG aufgezählte Vergeltungsmaßnahmen (wie Nötigung, Diskriminierung etc.) ist zudem ein Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens sowie eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung vorgesehen.

Unternehmen sind daher gut beraten, gegenüber Whistleblowern keine unsachlichen nachteiligen Maßnahmen (wie zum Beispiel Kündigungen), die in einem zeitlichen Zusammenhang zur Erstattung eines Hinweises stehen, zu setzen, um den Anschein einer Vergeltungsmaßnahme zu vermeiden. Zudem sollten für ein etwaiges Verfahren jedenfalls die tatsächlichen Beweggründe für die gesetzte Maßnahme ausführlich dokumentiert werden.

Einbindung des Betriebsrates

Ob der Betriebsrat in die Einführung der Whistleblowing-Systeme eingebunden werden muss, hat der Gesetzgeber im derzeitigen Entwurf des HSchG nicht geregelt, weshalb bei der Beantwortung dieser Frage die einschlägigen arbeitsrechtlichen Gesetze und die Rechtsprechung zu beachten sind. Unstrittig ist, dass ein bestehender Betriebsrat über die Implementierung eines Whistleblowing-Systems zu informieren ist.

Ob für die Einführung eines Whistleblowing-Systems der Abschluss einer Betriebsvereinbarung zwingend notwendig ist, hängt von der konkreten Ausgestaltung des Whistleblowing-Systems ab. Zum einen ist in der arbeitsrechtlichen Literatur eher die Tendenz zu erkennen, dass der Abschluss einer Betriebsvereinbarung für die Einführung eines Whistleblowing-Systems notwendig ist. Zum anderen wird auch vertreten, dass bei Einführung eines Whistleblowing-Systems, das lediglich die gesetzlichen Mindeststandards des HSchG erfüllt, der Abschluss einer Betriebsvereinbarung nicht zwingend notwendig ist und die Einführung eines solchen Systems nicht durch den Betriebsrat verhindert werden kann. In Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf wird daher der Gesetzgeber zur Klarstellung dieser offenen Fragen aufgefordert. Unabhängig davon ist jedoch die Einbindung des Betriebsrats sowie der Belegschaft in der Praxis dringend zu empfehlen.

Abschließend bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber die bestehenden Unklarheiten und Spannungsverhältnisse, wie zum Beispiel das Verhältnis zwischen der gesetzlichen Verpflichtung, ein Whistleblowing-System einzurichten, und der Notwendigkeit, eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, im Gesetzwerdungsprozess noch auflöst. (Ursula Roberts, Sarah Kaltenbrunner, Alexander Kaindl, 3.8.2022)