Trauerfeier für die Ärztin Lisa-Maria Kellermayr. Für ihr Vorgehen in dem Fall muss die Landespolizeidirektion Oberösterreich viel Kritik einstecken.

Foto: IMAGO/Martin Juen

Im Fall Lisa-Maria Kellermayr müssen die Behörden einiges an Kritik einstecken: Vor allem die Landespolizeidirektion Oberösterreich geriet unter Beschuss. Die Ärztin wurde monatelang aus der Impfgegnerszene bedroht und verfolgt. Immer wieder versuchte die Allgemeinmedizinerin vergebens Hilfe zu bekommen – wurde aber alleingelassen, mit tödlichem Ausgang.

Das wirft natürlich Fragen nach der Rolle der Polizei auf. Statt Aufarbeitung und Ermittlungen kamen von der Landespolizeidirektion Oberösterreich Vorwürfe: Ein Pressesprecher der Polizei sagte im Ö1-"Morgenjournal" vor Kellermayrs Tod, es entstehe der Verdacht, sie wolle ihr eigenes Fortkommen befördern.

Wie jetzt bekannt wurde, geht ein Mitarbeiter der Öffentlichkeitsarbeit der Landespolizeidirektion Oberösterreich – der Name ist der Redaktion bekannt – nun privat gegen einen Twitter-User vor, der sich kritisch äußerte. So schrieb Fabian Pimminger an die Adresse des Polizisten: "Herzliche Gratulation. Du hast mit deinen unüberlegten Worten und depperten Aussagen Blut an den Händen. Ich hoffe, du trittst auf der Stelle ab und verlässt deinen Job."

Nun flatterte Pimminger eine Unterlassungserklärung ins Haus. In dem Dokument, das dem STANDARD vorliegt, wird Pimminger zur Löschung des Tweets aufgefordert. Der Polizist fühle sich in seiner Ehre gekränkt und im Kredit geschädigt, heißt es darin. Sollte Pimminger den Tweet nicht bis Freitag löschen, werde man vor Gericht ziehen.

Sprecher ist Angriffen im Netz ausgesetzt

Auf Nachfrage des STANDARD sagt der Rechtsvertreter des Pressesprechers, dass man den rechtswidrig herbeigeführten Imageschaden gering halten wolle. "Angriffe im Netz sind ja nicht nur einseitig, sondern betreffen jetzt auch meinen Mandanten, dem von vielen Seiten nunmehr ein Verhalten unterstellt wird, das in dieser Form nicht hinzunehmen und vor allem unrichtig ist", sagt Gernot Sattlegger. Gleichzeitig betont er, dass sich andere kritische Tweets im Rahmen der Meinungsfreiheit bewegen würden und man aktuell nur gegen Pimminger vorgehe.

"Ein überkommenes Verständnis von Staat"

Der Pressesprecher einer Behörde geht also juristisch gegen einen Twitter-Nutzer vor. Doch wie hoch sind die Erfolgsaussichten? DER STANDARD bat den Anwalt Lukas Feiler von Baker McKenzie um seine Einschätzung. Die Erfolgschancen für den Pressesprecher sind laut dem Juristen eher gering. "Als Vertreter einer Behörde muss ich mir sehr viel Kritik gefallen lassen, und das ist auch richtig so." Denn: Nur wenn es Bürgern gestattet ist, Kritik zu äußern, könne der Staat ein richtiges Verhältnis zu seinen Bürgern entwickeln, gibt Feiler zu bedenken.

Die Klage eines hohen Beamten gegen einen Twitter-User sei ein Zeichen eines überkommenen Verständnisses davon, wie der Staat zu seinen Bürgern stehe, sagt der Anwalt. "Mit Kritik muss sich der Staat auseinandersetzen und nicht mit Klagsdrohungen reagieren." Es sei dabei laut der Einschätzung Feilers auch durchaus in Ordnung, wenn die Kritik nicht immer in einem absolut sachlichen Ton geäußert werde. "Jemand, der Kritik äußert, soll sich nicht die Frage stellen müssen, ob er sie gleich wieder entfernen muss. Die Frage muss sein, ob sie berechtigt ist und ob der Staat etwas ändern kann."

Dass Klagen von Staatsdienern wegen Kritik auf Twitter auch nach hinten losgehen können, musste Ex-Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) erfahren. Der mittlerweile zurückgetretene Politiker zog durch alle Instanzen – und verlor. Ein Twitter-User hatte geschrieben, die Türkisen seien entweder "vergesslich oder korrupt". (Peter Zellinger, 3.8.2022)