Aaron Taylor-Johnson und Brad Pitt geraten in "Bullet Train" aneinander. Aber eigentlich ist jeder Mitreisende ein potenzieller Auftragskiller.

Foto: Scott Garfield/Sony Pictures

Bullet Train heißt nicht nur der Shinkansen-Schnellzug in Japan, der seit den 1960ern die Insel durchquert, sondern auch ein Thriller des japanischen Bestsellerautors Kōtarō Isaka, der 2010 erschienen ist und nun von Sony Pictures verfilmt wurde. Als Regisseur wurde David Leitch angeheuert, der reichlich Erfahrung mit Auftragskillern in stylishen Action-Comedy-Cocktails wie Atomic Blonde, Deadpool 2, John Wick und Hobbs & Shaw hat.

Leitch war außerdem einmal Stuntdouble von Brad Pitt, der wiederum als Stuntman in Quentin Tarantinos Once upon a Time in Hollywood mit naiv-abgehalfterter Coolness in Mokassins ein paar verrückte Manson-Kids verprügelte, was zurück zu Bullet Train führt, denn hier macht Pitt so ziemlich dasselbe – nur weniger cool.

Pitt spielt "Ladybug", einen altersmüden Auftragskiller mit Brille, Segelschuhen und Fischerhut, der kurzfristig bei einem Job einspringt, um einen Koffer mit Geld aus dem Shinkansen von Tokio nach Morioka zu entwenden. Doch die Mission erweist sich als Krux, denn der Koffer ist im Besitz der sogenannten Zwillinge "Tangerine" und "Lemon", die ihn gemeinsam mit dem Sohn des gefürchteten Mafiabosses "White Death" an der Endstation des Zuges abliefern müssen.

Schrullige Charaktere

Auf den Sohn hat es wiederum eine giftige "Hornisse" (Zazie Betz) abgesehen, und den Mafiaboss selbst hat "Prince" (Joey King) im Visier, ein herausgeputztes Schulmädchen, das den japanischen Killer "Kimura" (Andrew Koji) zur Beihilfe erpresst, indem sie sein Kind bedroht. Und dann ist da noch ein blutdürstiger "Wolf" (Rapper Bad Bunny), der es auf Ladybug selbst abgesehen hat.

All diese Figuren bekommen poppige Rückblicke mit eklektizistischer Songauswahl und teils reichlich Dialogzeit, was wieder an Tarantino erinnert und in der ersten Filmhälfte viel Aufmerksamkeit erfordert, doch dann dazu führt, dass man die schrulligen Killer ins Herz schließt, allen voran Brian Tyree Henry und Aaron Taylor-Johnson als die im breiten Cockney-Englisch palavernden "Zwillinge".

Auch der Showdown zwischen White Death, der bis zuletzt nicht gezeigt wird, und Hiroyuki Sanada als Samurai-Gegenspieler "The Elder" ist grandios. Hinzu kommen Miniauftritte bekannter Stars wie Channing Tatum und Karen Fukuhara (Kimiko aus The Boys), die für Überraschungen und Finten sorgen, denn hinter jeder Person, die sich in dem sich rapide leerenden Zug befindet, lauert bis zuletzt ein potenzieller Auftragskiller.

Schon vor dem Kinostart sorgte die verwestlichte Besetzung für Kritik, etwa von der Japanese American Citizens League. Zum einen, weil die Hauptrolle nicht an einen japanischen oder japanischstämmigen Darsteller gegangen ist, zum anderen, weil das Setting Japan nicht realistisch widerspiegelt.

Der Cast lässt sich zugegebenermaßen vom Vorwurf der Freunderlwirtschaft nicht freisprechen und hätte durchaus weniger auf Leitch-Stammschauspieler setzen können. Wenn statt Posterboy Pitt etwa ein Ken Watanabe oder Squid Game-Star Lee Jung-jae (Koreaner, Pardon!) Ladybug gespielt hätte, wäre das, wenn auch kein finanzieller, so doch ein ideeller Gewinn für die Rolle gewesen.

Sony Pictures Entertainment

Grelle Klischees

Den Dreh in Japan verhinderte der Lockdown, weshalb auf ein grelles Studiosetting zurückgegriffen wurde, das unverfroren mit Fantasie-Interieur und Klischee-Japan-Ästhetik spielt. Autor Isaka deutet das positiv, denn sein Roman entwerfe schließlich weder authentische Charaktere noch ein realistisches Japan und setze zudem auf zahlreiche interkulturelle Bezüge.

Ein Bezug ist Thomas, die kleine Lokomotive. Der kindsköpfige Lemon brüstet sich mit der Menschenkenntnis, die er durch das Kindercomic gewonnen hat, und ist – nicht zu Unrecht – der festen Ansicht, dass im Zug eine "Diesellokomotive", die dreckigste und grausamste von allen, ihr Unwesen treibt. Seine Lokomotivensticker dienen als wichtige Erkennungsmarker.

Auch weitere Gegenstände werden in Bullet Train zu Akteuren. Statt Waffen trägt Ladybug Brause und Schlafmittel bei sich, von der smarten Zugtoilette ist er ganz verzaubert, und die Wasserflasche bekommt eine Hintergrundstory. Wenn diese ganzen Dinge in den kreativen Kampfszenen ihren Einsatz finden, dann können im wahrsten Sinne des Wortes die Waffen endlich entladen und A-Klasse-Autos verschrottet werden. (Valerie Dirk, 4.8.2022)