Pro-Choice-Aktivistinnen in Kansas freuen sich.

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Kansas-City – Die Wahlberechtigten des konservativen US-Bundesstaats Kansas haben überraschenderweise liberal abgestimmt. Am Dienstag lehnte eine Mehrheit von rund 60 Prozent einen Verfassungszusatz ab, der es ermöglicht hätte, dass Abtreibungen verboten werden. Zum ersten Mal, seit der Supreme Court das Grundsatzurteil Roe v. Wade – und damit das bundesweite Recht auf Schwangerschaftsabbruch – gekippt hat, hatten Wählerinnen und Wähler zu dem Thema abgestimmt. Und gaben damit wohl die Richtung für ähnliche Referenden im November in anderen Bundesstaaten vor.

Die Entscheidung der Höchstrichter vom Juni war wohl ein Grund für den Erfolg der Abtreibungsbefürworter in Kansas. Denn normalerweise schaffen Abstimmungen in den Sommermonaten lediglich eine Wahlbeteiligung von rund 30 Prozent. Durch die mediale Aufmerksamkeit und die plötzliche Brisanz des Referendums gingen diesmal wohl etwa die Hälfte der Wahlberechtigten zur Abstimmung.

Millionen Dollar investierten beide Seiten in ihre Kampagnen und schickten hunderte Freiwillige von Tür zu Tür. Was kurz davor noch nach einer knappen Abstimmung aussah, wurde zu einem deutlichen Votum für Abtreibungsrechte. Selbst in den republikanischsten Regionen des Bundesstaats stimmten die Menschen nicht so konservativ ab wie bei anderen Wahlen. Lyndon B. Johnson war im Jahr 1964 der letzte demokratische Präsidentschaftskandidat, der Kansas blau färben konnte.

Sicherer Hafen

Mit der Ablehnung des Verfassungszusatzes bleibt der Bundesstaat ein sicherer Hafen für Betroffene in einer Region, in der nach dem Fall von Roe v. Wade rasch Schwangerschaftsabbrüche verboten wurden. Besonders Frauen aus Texas, Missouri und Oklahoma holen sich in den Kliniken von Kansas Hilfe. Dafür nehmen sie Strecken von bis zu 1.000 Kilometern auf sich – das ist die Distanz, die eine Betroffene aus der texanischen Stadt San Antonio bis zur nächstgelegenen Einrichtung in Wichita, Kansas, zurücklegen muss. Bereits im vergangenen Jahr zeigte sich, was der regionale Sonderstatus für Kansas bedeutet. Als Texas alle Abtreibungen ab der sechsten Schwangerschaftswoche untersagte, reisten Betroffene in den Nachbarstaat. Termine in den Kliniken waren zum Teil für einen Monat im Voraus ausgebucht. Frauen, die sonst in den ersten zehn Schwangerschaftswochen Hilfe mittels einer Tablette erhalten hätten, mussten sich später schwerwiegenderen Eingriffen unterziehen.

US-Präsident Joe Biden hat immer wieder klargemacht, dass seine Regierung für das Recht auf Abtreibung einstehe. Am Mittwoch wurde deshalb erwartet, dass er eine präsidiale Anordnung unterzeichnen wird: Das Gesundheitsministerium soll nun nach Möglichkeiten suchen, dass Frauen die Kosten ersetzt bekommen, wenn sie für einen Schwangerschaftsabbruch in einen anderen Bundesstaat reisen müssen. (bbl, 3.8.2022)