Medienunternehmer und Autor Niko Alm schreibt in seinem Gastkommentar, dass ein "öffentlich-rechtliches Medienhaus – eine zeitgemäße Ausgestaltung vorausgesetzt – konsequenterweise staatlich finanziert werden muss".

Statt einer Gebühr eine Steuer? Wie der ORF künftig finanziert wird, wird derzeit debattiert.
Foto: Heribert Corn / www.corn.at

Es wäre wünschenswert, wenn nach dem Entscheid des Verfassungsgerichtshofs zur verfassungswidrigen Gratisnutzung des ORF via Internet die politische Debatte um die Entwicklung einer Alternative zur GIS nicht gleich mit der überstürzten Einführung einer Haushaltsabgabe endete, sondern auch die Gelegenheit genützt würde, die Rolle des größten Medienhauses des Landes in Staat und Gesellschaft zu reflektieren. Welche demokratische Notwendigkeit erfüllt der ORF, und wie kann er von der Politik unabhängiger organisiert werden? Eine Umstellung der Finanzierung wird von der Bevölkerung eher akzeptiert werden, wenn der wahrgenommene Nutzen des ORF über sein Programm hinausgeht.

Die Diskussion über die Finanzierung ist für Strukturkonservative eine praktische Ablenkung, die gerne das irreführende Argument vorbringen, unabhängige Information sollte uns ein paar wenige Eurocent pro Tag wert sein. Alleine, es handelt sich hier nicht um freiwillige Wertschätzung. In der grundsätzlichen Frage der Zahlungsverpflichtung ist es unerheblich, ob die Gebühren für Programm, journalistische Vermittlung oder Unterhaltungskatalog angemessen sind, viele fordern die individuelle Entscheidungsfreiheit ein, die das Wesen einer Gebühr nahelegt.

"Der ORF ist keine Religion, die man frei wählen kann."

Die Debatte um die GIS erinnert damit punktuell an die Kreuze im Klassenzimmer. Die Schule gibt es in Österreich nur mit Religion, den Fernseher nur mit ORF; gestritten wird dann über Tradition, Nutzen und Schaden dieser vorinstallierten Inhalte, aber die übergeordnete Erörterung fehlt: die Diskussion, warum ein TV-Gerät nicht auch ohne ORF betrieben werden kann – oder positiv formuliert, warum es sinnvoll sein kann, die Inhalte des ORF zur Basisausstattung des österreichischen Empfangsgeräts zu machen –, wird nicht geführt, sondern mit jener über Gebühren kaschiert.

Unfaire Haushaltsabgabe

Es gibt aus demokratischer Sicht tatsächlich gute Argumente, ein öffentlich-rechtliches Medienhaus mit staatlichem Nachdruck zu finanzieren. Diese Begründungen muss man nicht teilen, aber letztendlich ist die demokratische Entscheidung, dass wir alle uns als Staat ein öffentlich-rechtliches Medienhaus leisten wollen, zu dulden. Die Diskussion über die Finanzierung zu verweigern, weil man den ORF persönlich für überflüssig hält, ist realitätsfern.

Die Tatsache, dass es sich bei der GIS um eine Gebühr und keine echte Steuer handelt, begünstigt das Anspruchsdenken, ohne Konsum auch nicht bezahlen zu wollen. Dabei wäre es heute technisch sehr leicht möglich, an jedem Gerät Bezahlschranken einzubauen. Die Zugänge auf Laptops und Mobiltelefonen könnten vom ORF blockiert werden, und den meisten würde es nicht einmal auffallen. Trotzdem scheint es realpolitisch und juristisch undenkbar, für GIS-Kunden einfach Konten und Passwörter zur Überwindung einer digitalen Zugangssperre zu generieren.

Bequemer Weg

Die Politik scheint mit einer neuen Steuer in Form einer Haushaltsabgabe ohnehin einen anderen, bequemen Weg gehen zu wollen, der auch von vielen Medienwissenschaftern unterstützt wird, was bedauerlich ist und zeigt, wie wenig ausgeprägt das Verständnis für Fairness ist, wenn es darum geht, eigene strukturkonservative Überzeugungen durchsetzen zu wollen. Mediennutzung vollzieht sich im 21. Jahrhundert individuell, nicht als geteiltes Ereignis in der Wohnungsgemeinschaft.

Die Lösung, die Gebühr in eine Haushaltsabgabe umzuwandeln, vereint die Nachteile einer Steuer mit jenen der GIS. Sie perpetuiert nicht nur die Ungerechtigkeit gegenüber Einpersonenhaushalten, sie ist auch nicht geeignet, das Problem der Nichtnutzung auf einer prinzipiellen Ebene zu klären.

Mit der Haushaltsabgabe windet sich der Gesetzgeber um die klare medienpolitische Ansage, dass ein öffentlich-rechtliches Medienhaus – eine zeitgemäße Ausgestaltung vorausgesetzt – zum Wesen einer modernen liberalen Demokratie gehört und konsequenterweise staatlich finanziert werden muss. Wie gesagt, das kann man auch anders sehen, aber wenn man sich zu dieser Position durchgerungen hat und sie mit der notwendigen Mehrheit feststellt, dann sollte eine Haushaltsabgabe auch am Haushalt des Bundes festgemacht werden. Das kann einerseits über das Budget – wertgesichert über einen Medienfonds – erfolgen oder ein wenig eleganter über eine einkommensabhängige, zweckgebundene Umlage, die nach Steuerprogressionsstufen gestaffelt bei mehreren Einkommen im Haushalt auch von mehreren Personen gezahlt wird.

Einfluss verringern

Ausnahmslos jede mit dem staatlichen Gewaltmonopol durchgesetzte Finanzierung schafft eine Verbindung zwischen Regierung und ORF. Der Einwand, dass eine Steuer in Form einer Haushaltsabgabe größere Politikferne garantieren würde, geht an der Wirklichkeit vorbei. Die Regierung kann immer eingreifen – schon jetzt mit Gebühren. Im Zuge einer Neuordnung seiner Gremien und einer neuen Finanzierung, die über eine gewisse Zeitspanne unabhängig von Legislaturperioden gesichert ist, kann dieser Einfluss sogar verringert werden.

Gleichzeitig verfestigt der ORF die existierende Wettbewerbsverzerrung in einem Markt, dessen Potenzial für andere Medienhäuser beschränkt ist. Eine neue Finanzierungsform muss dementsprechend auch den anderen Teil der Medienlandschaft zumindest in Höhe der Werbeeinnahmen des ORF inseratenfrei unterstützen, um fairen Wettbewerb zu ermöglichen.

Das Momentum für moderne Medienpolitik möge genutzt werden, das Verständnis für die Funktion von Medien in der Gesellschaft auch dahingehend zu erweitern. (Niko Alm, 4.8.2022)