Die Frage, was die weltweiten Sanktionen gegen Oligarchen aus dem Umfeld von Wladimir Putin bewirken, kann dieser Tage wenigstens in einem sehr speziellen Punkt als geklärt betrachtet werden: Sie können bei indirekt Betroffenen zu spontaner geistiger Umnachtung führen.

Als Patient null darf hier der aus den Thomas-Schmid-Chats als "die Reichen" bekannte Anti-Steuer-Aktivist Siegfried Wolf gelten, den die Maßnahmen gegen Putins Milliardärskumpel zu folgendem historischen Vergleich inspirierten: "Das hat es ja schon mal gegeben, dass man Leute vertreibt und nach Endlösungen sucht."

Wer denn genau die systematische Ermordung der Oligarchen plant, hat Wolf uns leider nicht verraten. Seine Sorge um die von ihm als "Vertriebene" Bezeichneten basiert aber auf nachvollziehbaren Motiven: ein starkes, beruflich bedingtes Solidaritätsgefühl (Wolf gilt als würdiger Nachfolger Frank Stronachs im Rollenfach "eigenrealitätskreativer Austro-Oligarch"), maximal selektives Engagement für Menschenrechte (im U-Ausschuss bezeichnete Wolf die Frage, ob gegen ihn Ermittlungen im Eurofighter-Verfahren laufen, als Verletzung seiner Menschenrechte, bevor er zähneknirschend mit "Ja" antworten musste) und eine strikt kommerziell dienstleistungsorientierte Haltung zu Wladimir Putin ("Putin ist ein sehr, sehr, sehr korrekter Mann, der positiv und cool auf Kritik reagiert.").

Die Sanktionen gegen russische Oligarchen haben bei Siegfried Wolf zu einer geistigen Umnachtung geführt.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Aktiver Flüchtlingshelfer

All das hat Wolf nun sogar zum aktiven Flüchtlingshelfer werden lassen. Wie Stefan Melichar und Michael Nikbakhsh im Profil aufdeckten, schwappt ein besonders unappetitlicher Ausfluss der in den Pandora-Papers offengelegten Geldwaschkanäle direkt in Wolfs Wohnpark Fontana in Oberwaltersdorf. Zwei Putin-Oligarchen sollen dort seit 2020, versteckt hinter undurchsichtigen Firmenkonstruktionen, Grundstücke erworben haben, auf denen sie auch schon bauen. Einer der beiden Herren befindet sich auf den Sanktionslisten der EU, Großbritanniens und der USA, was die unschöne Konsequenz mit sich bringt, auf das sorgfältig gewaschene Geld plötzlich nicht mehr zugreifen zu können. Umso wichtiger ist es da, ein sicheres Zuhause und eigene vier Wände zu haben. Da bekommt der Begriff "Bausparen" eine neue Bedeutung.

Dass sich die "Vertriebenen" in ihrem luxuriös ausgestatteten Flüchtlingslager auch wohlfühlen, ist anzunehmen, schon allein, wenn man einen Blick auf die Bebauungsregeln im Fontana-Wohnpark wirft. Dort ist ausdrücklich festgehalten, dass Sonnenkollektoren und Photovoltaikanlagen verboten sind, ebenso wie Grundwasserwärmepumpenanlagen. Statt dieses Klimahysteriker-Öko-Schnick-Schnacks gibt es eine verpflichtende Anbindung ans Gasnetz. Somit müssen die beiden Häuslbauer nicht die Luft der Heimat vermissen und können sich gleichzeitig weiterhin als Außenposten von Putins Netzwerk empfinden.

Darüber hinaus bietet Wolf in seiner Rolle als "Raoul Wallenberg der russischen Oligarchie" nicht nur ein vor Endlösungen schützendes Asyl, sondern auch Ablenkung vom harten Flüchtlingsalltag in Form eines legendären Golfklubs. Die ideale Dating-Location, wenn man zum Beispiel interessante Finanzamtsleiterinnen kennenlernen möchte. (Florian Scheuba, 3.8.2022)