Kerzen für Lisa-Maria Kellermayr in der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz.

Foto: IMAGO/Wolfgang Simlinger

Nach dem Tod der oberösterreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr wurde am Mittwoch bekannt, dass an der Leiche der Frau, die am Freitag letzter Woche in ihrer Ordination in Seewalchen am Attersee gefunden wurde, nun doch eine Obduktion durchgeführt werde. Dies geschieht auf den ausdrücklichen Wunsch von Angehörigen der Ärztin und ist beruhigend. Denn auch wenn ein Suizid aufgrund der Verzweiflung der Medizinerin und der auf ihrem Computer vorgefundenen Abschiedsbriefe wahrscheinlich ist, muss man den Tod einer Frau, die über Monate Morddrohungen erhielt, genauer untersuchen.

Keine Antworten aus dem Innenministerium

Während sich im Nachbarland Deutschland selbst hochrangige Politiker wie der Gesundheitsminister zu Wort melden, ist es in Österreich nicht möglich, Antworten auf konkrete Fragen aus dem Innenministerium zu bekommen, obwohl massive Vorwürfe gegen die Polizeiarbeit erhoben werden – und schon zu Lebzeiten Kellermayrs wurden. Stattdessen wird eine Stellungnahme ausgeschickt, in der kurz zusammengefasst über die Landespolizei Oberösterreich zu lesen ist: Alles richtig gemacht. Man habe angesichts der Situation der Ärztin "alle gesetzlich möglichen Maßnahmen ausgeschöpft".

Dabei ist längst bekannt, dass man zumindest jenen Mann, der die brutalsten und schrecklichsten Drohungen an die Ärztin schickte, ohne illegale Wege im Netz zu beschreiten binnen weniger Stunden ermittelt haben könnte. Auch wenn es ein Rechtsradikaler aus dem Berliner Raum ist, entbindet das die hiesigen Behörden übrigens nicht von ihrer Pflicht, gegen den Mann zu ermitteln. Vor allem wussten sie das bis vor einem Monat gar nicht, da sie monatelang nicht geschafft haben, was eine 24-jährige Zivilistin, eine sogenannte Hacktivistin, binnen Stunden geschafft haben könnte, nämlich Spuren zu entdecken, die zu einem Verdächtigen führen.

Ein Stück Sicherheit

Man hätte ihm vor Monaten das Handwerk legen können und der Ärztin, der er androhte, als Patient getarnt in ihre Ordination zu kommen und sie und ihre Mitarbeiterinnen abzuschlachten, ein Stück Sicherheit zurückgeben können. Das zu ignorieren ist ein alarmierendes Signal für die Fehlerkultur der Behörde und das Vertrauen anderer Frauen im Land, die bei der Polizei Hilfe suchen.

"Ich blicke in Abgründe", sagt Kellermayr in einer Sprachnachricht, die sie am 7. Juli dem STANDARD schickte, über die Staatsanwaltschaft Wels, die dabei sei, Lügen über die ihr zu Hilfe geeilte Hackerin zu verbreiten. "Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder ein normales Leben zurückkriege", lauteten ihre abschließenden Worte in der Nachricht. Die Antwort kennen wir heute.

Für laufende Ermittlungen ist nun die Staatsanwaltschaft Wels zuständig. Das ist eigentlich der nächste Skandal. Denn selbst wenn diese – wie ja angeblich auch die Landespolizei Oberösterreich – alles richtig gemacht hätte, ist es unbedingt notwendig, dass das eine andere unbefangene Staatsanwaltschaft untersucht.

Der juristische Teil der Causa Fall Kellermayr muss raus aus Oberösterreich. Mit dem Rest sollte sich der dortige Landtag ehestmöglich in einem Untersuchungsausschuss befassen. (Colette M. Schmidt, 3.8.2022)