Nach dem Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan waren in chinesischen Medien Warnungen an die USA sowie Ankündigungen von Militärmanövern präsent.

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Chinas Zeitungen schäumen vor Wut, und die Nachrichtenagentur Xinhua hat ein Statement des Außenministeriums veröffentlicht, wonach der Besuch Nancy Pelosis in Taiwan "ernsthaft den Frieden und die Stabilität in der Taiwanstraße untergrabe und ein schwer falsches Signal an separatistischen Kräfte sende – China verurteile das auf Schärfste.

Die als indirektes Sprachrohr der Partei geltende Global Times widmete dem Besuch Pelosis gleich ein Dutzend Artikel. Sie alle sagen das Gleiche: Die Reise sei eine unerträgliche Provokation, ein Bruch des Ein-China-Prinzips, der nicht ohne Konsequenzen bleiben könne. Warnungen wie "Die USA führen die Welt in eine Zeit des Chaos", womit sie nun "1,4 Milliarden Chinesen zum Feind" hätten, mischen sich mit Ankündigungen von Militärmanövern und Boykotten.

Auf der Social-Media-Plattform Weibo verfolgten am Dienstagabend bis zu 70 Millionen Chinesen die Route von Pelosis Flugzeug. Die Stimmung auf der zensierten Plattform: nationalistisch. "Ich will nicht, dass wir Krieg führen, aber wir lassen sie zu einfach davonkommen", schrieb ein User. Ein anderer: Sogar unser Wachmann, der im Moment 1500 Yuan (200 Euro) verdient, macht einen besseren Job. Wenn er sagt: ‚Du kommst nicht rein‘, dann kommst du nicht rein."

Aufgeheizte Stimmung

Die Kommentare zeigen auch das Dilemma, in dem Staats- und Parteichef Xi Jinping und die Kommunistische Partei nun stecken. Tatsächlich heizt die Partei die nationalistische Stimmung gezielt an, hat dann aber schnell Probleme, davon rechts überholt zu werden. Boykottaufrufe zum Beispiel waren in der Vergangenheit ein gängiges Mittel, mit dem Peking seine Marktmacht politisch ausspielte.

Als es etwa 2012 mit Japan zu einem Konflikt um eine Inselgruppe kam, ließ man so die japanischen Autoverkäufe einbrechen. Vielen jedoch ging der Boykott nicht weit genug: Sie zerstörten die Autos gleich mit. Die Unruhen mussten mit Gewalt beendet werden.

Das Beispiel zeigt aber gut, wie schmal der Grat ist, auf dem Peking sich bewegt. Die einmal im Volk aufgeheizte Stimmung kann schnell außer Kontrolle geraten und sich verselbstständigen. Ein Albtraum für Xi, der Anfang kommenden Jahres seine dritte Amtszeit verkünden will, wäre es, vor seinem mit Propaganda aufgeheizten Volk und Widersachern in der Partei als schwach dazustehen.

Derzeit also beschränkt man sich auf verbales, wirtschaftliches und militärisches Säbelrasseln: Die chinesische Armee hält rund um Taiwan Manöver ab; an den Stränden von Fujian, der Provinz, die Taiwan gegenüberliegt, fuhren öffentlichkeitswirksam Panzer auf.

Gleichzeitig verhängte Peking am Mittwoch einen Importstopp für Zitrusfrüchte und Sand nach Taiwan. Die Insel dürfte bis auf Weiteres ohne diese beiden Dinge klarkommen. Allerdings zeigt dies, wozu Peking im Ernstfall bereit ist: die Weltwirtschaft vom größten Halbleiterproduzenten abzuschneiden. Rund 60 Prozent aller Chips weltweit werden in Taiwan hergestellt. (Philipp Mattheis, 3.8.2022)