Nach Wien zog es Atanas Pekanov zum Studium.

Foto: Kristina Kamburova

Eigentlich hat Atanas Pekanov in der alten Heimat Bulgarien nicht viel zu gewinnen. Der 31-jährige Ökonom kennt sich in Geldpolitik aus und ist ein gefragter Erklärer – auch in Wien, wo er am Wifo tätig ist und an der Wirtschaftsuni lehrt. Er könnte sich also seiner Auslandskarriere widmen. Trotzdem sagte er nicht Nein, als ihn der Ruf des Präsidenten Rumen Radev, den er schon länger berät, ereilte. Seit 2. August ist er nun Vizeministerpräsident in der Übergangsregierung aus Experten, die die Geschicke des Landes bis zur Neuwahl führt.

Was ihn erwartet: instabile politische Verhältnisse, Armut, Korruption. Das Balkanland hat einen weiten Weg vor sich, um zu anderen EU-Ländern aufzuschließen. Ende Juni ist die liberal-sozialistische Koalition nach nur gut einem halben Jahr durch ein Misstrauensvotum gestürzt worden. Streit gab es vor allem um die Staatsfinanzen und das Verhältnis zu Nordmazedonien. Dazu kommen die Gaskrise, Spannungen auf dem Balkan und die Inflation, die die Menschen im ärmsten EU-Land besonders schwer belastet. Dauerkrise. Nichts für schwache Nerven. "Eine unsichere Situation", sagt der Parteilose bescheiden.

Harte Arbeit

Nun krempelt er die Ärmel hoch – zum zweiten Mal. Der Heimat müsse man etwas zurückgeben, sagt der in einem Akademikerhaushalt aufgewachsene Absolvent eines deutschsprachigen Gymnasiums in Sofia. Lange überlegt habe er nicht. Zuständig ist der Single, der in ruhigeren Zeiten in seiner zweiten Heimat Wien gerne in Schönbrunn laufen geht, für die Verwaltung von EU-Mitteln. "Wir werden hart arbeiten, mit Kompetenz und Fürsorge für die Menschen, um sicherzustellen, dass Bulgarien die nächsten Turbulenzen überstehen wird", schrieb er auf Facebook.

Jene, die ihn kennen, sagen, dass das ernst zu nehmen ist. Pekanov sei ehrgeizig, aber auch sehr sozial eingestellt. Für einen, der zur bulgarischen Bildungselite zählt, die das Land wegen fehlender Perspektiven für junge Menschen verlassen hat, ist das bemerkenswert.

Nach Wien zog es ihn zum Studium. Seine Karriere verfolgte er stets zielstrebig, sie führte ihn an die Europäische Zentralbank nach Frankfurt, das Know-how in Sachen Wirtschaftspolitik holte er sich am University College London. Während der Pandemie brachte ihn ein Fulbright-Stipendium nach Harvard. Jetzt will Pekanov ein bisschen wissenschaftliche Methodik in die bulgarische Politik bringen – ob er gegebenenfalls dort bleiben will, weiß er noch nicht. (Regina Bruckner, 4.8.2022)