Trump-Anhänger nutzen die Plattform Truth Social als Sprachrohr, um ihre Meinung mit Gleichgesinnten zu teilen.

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Meinungsfreiheit als grundlegendes Recht bedeutet, die eigene Meinung kundtun zu können und auch diametrale, vielleicht unliebsame Ansichten anderer zuzulassen. Wie weit diese Freiheit reicht, ist schwierig zu bestimmen. Dass die Grenzen auf der Social-Media-Plattform Truth Social deutlich enger gesteckt sind als von Donald Trump behauptet, steht aber fest.

Schon im Vorfeld der Veröffentlichung im Februar 2022 warb Trump damit, dass Truth Social eine Plattform ohne algorithmische Manipulation für politische Ziele sei. Immer wieder wurde mit uneingeschränkter Meinungsfreiheit geworben. Weiters würden dort alternative Ansichten nicht als "Desinformation" klassifiziert werden. Nun stellt sich jedoch heraus, dass Postings, die nicht Trumps Linie folgen, geblockt werden.

Eingeschränkte Meinungsfreiheit

Dies geht aus einem Bericht der NGO Public Citizen hervor, der sich mit den Zensierungspraktiken von Truth Social auseinandersetzt. Die Autorin des Berichts, Cheyenne Hunt-Majer, bestätigt in diesem anhand eigener Nachforschungen, dass bestimmte Inhalte von der Plattform geblockt werden. Betroffene Themen befassen sich zum Beispiel mit dem Komitee zum Sturm auf das Kapitol am 6. Jänner und der Pro-Choice-Bewegung zum Abtreibungsrecht. Hunt-Majer veröffentlichte Beiträge zu genau diesen Themen, die daraufhin vor anderen Usern versteckt, also "shadowbanned", wurden. Über das Verbergen vor der Öffentlichkeit wurde sie nicht in Kenntnis gesetzt.

Grundsätzlich werden Inhalte auf der Plattform von einer Kombination aus künstlicher Intelligenz und freiwilligen Bearbeitenden moderiert. Umso überraschender, dass User auch Schwierigkeiten dabei hatten, Artikel vom rechtsradikalen Medium Breitbart zu veröffentlichen. Public Citizen hält fest, dass nicht alle Einschränkungen auf der Seite feindselige Entscheidungen gegenüber bestimmten Themen waren. Generell praktiziert Truth Social jedoch weitreichendere Beschränkungen als die Konkurrenz (z. B. Facebook und Twitter). Sexuelle Inhalte und explizite Sprache werden nicht geduldet, wobei die Maßstäbe zur Regulierung nicht einheitlich angewandt werden.

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Die Praxis des sogenannten Shadowbanning oder "Schatten-Blockens" ist eine Form der Inhaltsregulierung, bei der die Plattform Inhalte versteckt, ohne die veröffentlichende Person darüber zu informieren. Der Inhalt gilt als veröffentlicht, ist aber nicht auffindbar. Die Nutzungsbedingungen informieren weder über die Praxis selbst noch über Inhalte, die davon betroffen sind.

Echokammer-Effekt

Diese Praktiken verstärken den nicht ungefährlichen Echokammer-Effekt. Dabei handelt es sich um digitale, soziale Räume, in denen die eigene Weltanschauung und Meinung reflektiert wird. Es kann zu Bestätigungsfehlern kommen, weil das Korrektiv unterschiedlicher Meinungen nicht vorhanden ist. Das Problem ist dabei nicht die Moderation von Beiträgen, sondern die Intransparenz der Praxis an sich. Nutzerinnen werden in dem Glauben gelassen, dass es sich um einen offenen Austausch handelt, bei dem unterschiedliche Meinungen zugelassen werden. Die inhaltliche Einigkeit scheint dann nicht forciert, obgleich die Realität eine kuratierte Echokammer ist. Truth Social ist nicht die einzige Plattform, die mit dem Echokammer-Effekt Probleme hat, aber die genannten Praktiken befeuern das Phänomen.

Schon zu Beginn war Trumps "Plattform der Redefreiheit" von Problemen geplagt – von technischen Schwierigkeiten bis hin zu Vorwürfen des Diebstahls von geistigem Eigentum. Die Rhetorik jedoch war von Anfang an klar: Man wolle "eine offene, freie und ehrliche globale Konversation fördern". Dass das nicht ganz die Wahrheit ist, dürfte bewiesen sein. (smw, 4.8.2022)