Man kann den Ausgang der Reise von Nancy Pelosi nach Taiwan als glimpflich bewerten. Trotz massiven Säbelrasselns und einer "Show of Force" seitens Pekings ist es zu keiner militärischen Auseinandersetzung gekommen. Die tatsächlichen Konsequenzen des von der KP als ungeheuerliche Provokation empfundenen Besuchs könnten sich aber in den folgenden Wochen abzeichnen.

Die Militärübungen und Teilsperrungen der Gewässer um Taiwan durch die chinesische Marine geben einen Vorgeschmack, was kommen könnte: eine Blockade der Insel. Diese wiederum hätte massive Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Die Insel mit ihren 21 Millionen Einwohnern ist einer der wirtschaftlich stärksten Staaten in der Region. Die wirtschaftliche Bedeutung von Taiwan geht aber weit darüber hinaus: Die Insel verfügt nämlich über ein Quasimonopol beim nach Erdöl wohl wichtigsten Elixier der globalen Wirtschaft: Halbleiter.

In Pingtan Island auf dem chinesischen Festland nahe Taiwan konnten Touristen die Raketen sehen, die in Richtung Inselstaat abgefeuert wurden.
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Prominente Kunden

Über allen thront das Unternehmen TSMC, kurz für Taiwan Semiconductor Manufacturing Company. Der globale Marktführer produziert allein 53 Prozent aller Halbleiter. Kaum ein Technologieunternehmen kommt heute mehr ohne die Chips von TSMC aus. Tesla, Apple, Nivida – sie alle sind Kunden von TSMC.

Aber auch die europäische Autoindustrie ist ohne die Chips aus Taiwan nicht produktionsfähig. Die Umsätze von TSMC wuchsen in den vergangenen Jahren stetig und erreichten 2021 umgerechnet rund 55 Milliarden Euro – Tendenz steigend. An zweiter Stelle mit knapp 17 Prozent Marktanteil folgt Samsung aus Südkorea. Auf Platz drei folgt wieder ein Unternehmen aus Taiwan, nämlich UMC. Weit abgeschlagen kommen Globalfoundries aus den USA und SMIC aus China.

TSMC hat bei Halbleitern einen Marktanteil von 53 Prozent.
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In den 1980er- und 1990er-Jahren ist in Taiwan ein einzigartiges Ökosystem aus Unternehmen entstanden, das noch am ehesten mit dem Netz von mittelständischen Maschinenbauern und Automobilzulieferern im deutschen Baden-Württemberg verglichen werden kann: Hunderte bis Tausende von kleinen, hochspezialisierten Unternehmen sind in enge Wertschöpfungsketten eingebunden. So baut zum Beispiel das Unternehmen ASE im südtaiwanesischen Kaohsiung die Gehäuse und Platinen für die von TSMC gefertigten Chips.

Konkurrenz chancenlos

Auch ASE ist Weltmarktführer mit einem Marktanteil von 25 Prozent. Mittlerweile ist der technologische Vorsprung der Unternehmen aus Taiwan so groß, dass sich kaum jemand mehr daran wagt, sie anzugreifen. Während TSMC Chips mit der Größe von drei Nanometern baut, hinkt die Konkurrenz aus den USA noch mit einem Sieben-Nanometer-Verfahren hinterher.

Nancy Pelosis Besuch in Taiwan hat möglicherweise auch Konsequenzen auf die Weltwirtschaft.
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Taiwans überwältigende Marktmacht bei Chips wurde schon einmal als "Silizium-Schutzschild" bezeichnet. Da die Abhängigkeit der USA und der Welt von den Chips so groß ist, käme man gar nicht umhin, die Insel zur Not auch militärisch zu verteidigen. Aber so wie jeder Segen auch ein Fluch ist, könnte sich genau diese Abhängigkeit negativ auswirken.

Inflationstreiber

In den vergangenen Monaten wurden auch immer wieder Thesen geäußert, dass Peking mit seinen rigiden Lockdowns auch bewusst internationale Lieferketten störe. Durch Ausgangssperren und Quarantäne-Vorschriften stockt der Warenfluss rund um die größten Häfen der Welt in der Region Schanghai. Viele für Unternehmen in Europa oder in den USA wichtige Güter kommen so gar nicht oder erst verspätet an. Dies wiederum führt zu Preissteigerungen und ist ein Treiber der Inflation.

Eine Blockade der Insel hätte also schwerwiegende Folgen für die ohnehin angeschlagene Weltwirtschaft – allerdings auch für China selbst. Halbleiter sind neben Erdöl der wichtigste Import Pekings. (Philipp Mattheis, 5.8.2022)