Schon wenige Stunden nach dem Vulkanausbruch pilgerten erste Neugierige an den Schauplatz.

Als die Vulkanspalte auf der isländischen Halbinsel Reykjanes sich am Mittwochnachmittag öffnete, war das Ausmaß des Ausbruchs noch unklar. Auf etwa 300 Meter Länge zeigten sich erste verhaltene Fontänen von austretendem Magma. Bereits wenige Stunden später sorgte der anhaltende Lavafluss nahe dem Berg Fagradalsfjall allerdings für eine spektakuläre Szenerie, die neben Einsatzkräften und Forschenden schnell auch Schaulustige anlockte. Erste Videos dokumentieren nicht nur den Ausbruch, sondern auch wie nah Neugierige zu den Lavamassen hinpilgern.

Warnung vor Vulkan-Tourismus

Angesichts der doch zahlreichen Menschen, die die Lavamassen teilweise aus nächster Nähe beobachteten, mahnten Behörden und Meteorologen am Donnerstag zu Vorsicht. Rund um die Ausbruchsstelle komme es zu einer hohen Konzentration an giftigen Gasen. Durch den Nordwind würden sich diese in Richtung der bestehenden Wanderwege bewegen, warnte der isländische meteorologische Dienst: "Die Leute müssen wirklich sehr vorsichtig sein."

Augenzeugenbericht per Video vom Vulkanausbruch am Mittwoch.
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Berechnung der Gaswolke für Freitag, 5. 8. 2022, in Richtung Reykjavík.
Foto: Icelandic Met Office

Der Wetterprognose zufolge soll der Wind im Lauf der Nacht abflauen, was die Situation noch unübersichtlicher machen könnte. Denn dadurch könne sich das Gas an bestimmten Orten wie Teichen, aber auch Hängen und Senken sammeln und in den folgenden Tagen Menschen gefährden. Der meteorologische Dienst werde daher nach einer kurzen Planungsphase am Donnerstag bereits am Freitag eine Reihe von Sensoren in der Region installieren, die die Situation überwachen. Laut der aktuellen Prognosekarte könnten giftige Gase am Freitag auch die isländische Hauptstadt Reykjavík erreichen.

Ungeachtet der Gefahr durch die austretenden Dämpfe sehen die Polizeibehörden noch von einer großräumigen Sperre des unbewohnten Gebiets ab. Das im Vorjahr entstandene alte Lavafeld, über das der Zugang zum jetzigen Ausbruchsort möglich ist, gilt aktuell als sicher. Die Wanderung zu dem entlegenen Gebiet bezeichnete die Polizei jedoch als herausfordernd. Darüber hinaus müsse man abwarten, wie sich die Ausbreitung des neuen Lavafelds entwickle, teilten die Behörden mit.

Deutlich größere Eruption als 2021

Was die austretende Menge an Lava aus der Spalte betrifft, dürfte diese deutlich höher sein als beim Ausbruch im Frühling 2021. Laut Magnús Tumi Guðmundsson vom Institut für Geowissenschaften der Universität Island, der den Schauplatz am Mittwoch als einer der Ersten mittels Helikopter überflog, sei der Lavafluss etwa fünf- bis zehnmal größer als zu Beginn der Eruption im Vorjahr.

Manche Neugierige beobachteten das Schauspiel aus sicherer Entfernung.
Foto: Marco Di Marco/AP
Modellierung des Lavaflusses nach 200 Tagen.
Foto: Icelandic Met Office

Auf Basis dieser Schätzung veröffentlichte der isländische meteorologische Dienst eine Simulation, wie sich die Lava nach 200 Tagen in der Gegend ausbreiten könnte. Als Basis für das Modell griffen die Wissenschafter auf Erfahrungswerte aus dem Vorjahr zurück, da die Art der Spalteneruption vergleichbar ist und praktisch im selben Gebiet stattfand. Gleichzeitig weisen sie darauf hin, dass dieses Modell nur eine erste grobe Simulation sei, die von einer gleichbleibenden Eruptionsstärke ausgehe.

Riesiges Magmafeld vermutet

Tatsächlich dürfte sich unter dem Fagradalsfjall und der angrenzenden Region ein riesiges Magmafeld von mehreren Kubikkilometern befinden. Aufgrund der tektonischen Beschaffenheit und des Umstands, dass das Feld relativ nah unter der Erdoberfläche schlummert, kann es praktisch an jeder Stelle in der Region zu sogenannten Spalteneruptionen kommen.

Andere Neugierige waren weniger vorsichtig.
Foto: Marco Di Marco/AP

Diese sind weniger explosiv und sorgen für eine geringere Rauchentwicklung – eine Störung des Flugverkehrs wird aktuell nicht erwartet –, in Summe können sie aber ebenfalls eine enorme Zerstörungskraft entwickeln. Befürchtet wird zudem, dass die Halbinsel nach 800 Jahren der Ruhe über Jahrzehnte von Eruptionen geplagt werden könnte. So lange der Ausbruch so überschaubar bleibt wie aktuell, könnte das Vulkansystem allerdings erneut zehntausende Schaulustige anlocken. (Martin Stepanek, 4.8.2022)