Das Great Barrier Reef ist die größte zusammenhängende Ansammlung von Riffen der Welt. Doch 98 Prozent davon sind von dem Phänomen der Korallenbleiche bedroht.
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Die Meldung kommt überraschend: Nach immer wiederkehrenden Schreckensmeldungen von Korallenbleichen und dem möglichen Ende des Great Barrier Reef gibt es nun gute Nachrichten. Eine schnell wachsende Steinkorallenart sorgt dafür, dass sich das Riff im nördlichen und zentralen Teil schneller von den Schäden erholt als erwartet. Dies teilte die australische Regierung am Donnerstag anlässlich eines neuen Berichts des Australischen Instituts für Meereswissenschaften mit. Expertinnen und Experten warnen jedoch vor zu großem Optimismus.

Dem Bericht zufolge nahm der Korallenbewuchs in Teilen des Riffs im vergangenen Jahr in einem Ausmaß zu, wie er seit Beginn des Überwachungsprogramms vor 36 Jahren nicht mehr verzeichnet wurde. Das Institut führte den Bewuchs vor allem auf die Steinkorallengattung Acropora zurück, deren Vertreterinnen unter guten Bedingungen extrem schnell wachsen.

Mehr neue Korallen im Zentrum

Je weiter das Team des Meereswissenschaftsinstituts allerdings in Richtung Süden vordrang, desto weniger ermutigend war das Bild. So gab es im Zentrum bereits deutlich weniger neue Korallen, im Süden ging der Bewuchs sogar zurück.

Die Ergebnisse der Beobachtungen hätten gezeigt, "dass sich das Riff in Zeiten ohne ernsthafte Störungen immer noch erholen kann", sagte der Leiter des Meereswissenschaftsinstituts, Paul Hardisty. Von einer Trendwende wollte er jedoch nicht sprechen. Wirbelstürme, neue Korallenbleichen sowie das vermehrte Auftreten der korallenfressenden Dornenkronenseesterne könnten die Erfolge rasch wieder zunichte machen.

Störungen werden häufiger

Vor allem der Zustand im südlichen Teil des über 2.300 Kilometer langen Riffs, der sich noch vor einem Jahr zu erholen schien, zeige, "wie anfällig die Korallen für akute und schwerwiegende Störungen sind", sagte Hardisty. Diese aber "treten immer häufiger auf und dauern länger an".

Korallen sind Nesseltiere, ihre kalkhaltigen Skelette bilden zugleich Lebensräume für zahlreiche andere Spezies. Das Great Barrier Reef beherbergt rund 1500 Fisch- und 4000 Weichtierarten. Es besteht aus rund 2500 verschiedenen Riffen und mehr als 900 Inseln.

Das Absterben des Riffs ist auch ein Problem für den australischen Tourismus.
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Bleichen und Seesterne als Problem

Seit Jahrzehnten leidet das größte Korallenriff der Welt unter immer neuen "Bleichen", die auf die Erwärmung des Ozeans zurückzuführen sind. Die Korallen stehen dann unter Stress und stoßen in ihnen lebenden bunten Algen ab. Gebleichte Korallen sind zwar noch am Leben und können sich erholen, doch mit dem Grad ihrer Bleiche steigt auch ihre Sterblichkeitsrate. Verheerende Folgen hat zudem die Ausbreitung des Dornenkronenseesterns, der die Korallen abtötet.

Viele Fachleute befürchten, dass das Riff aufgrund der immer schneller auftretenden Schäden völlig zerstört werden könnte. Entsprechend skeptisch äußerten sie sich über den neuen Bericht.

Ersetzen kaum möglich

So begrüßte der Meereswissenschafter Terry Hughes zwar die "gute Nachricht", dass die Korallen wieder nachwachsen. Doch gerade die für die Erholung verantwortliche Gattung sei sehr anfällig für die Erwärmung des Ozeans, erklärte er. Hughes hält es darüber hinaus kaum mehr für möglich, die großen, alten und langsam wachsenden Korallen zu ersetzen, die das Riff erst zum Naturparadies gemacht haben.

Korallenforscherin Zoe Richards von der Curtin University warnte ebenfalls vor zu großer Zuversicht. "Dieser Erholungstrend wird von einer Handvoll Acropora-Arten angetrieben", sagte sie. Schon die nächste Hitzewelle aber könnte die Korallen erneut dezimieren.

Es gebe bereits Hinweise darauf, dass jede "Massenbleiche zu einem örtlichen Aussterben seltener Arten führt", führte Richards aus. Diese "verborgenen Verluste der biologischen Vielfalt" würden durch den "kurzfristigen Erfolg einer Handvoll schnell wachsender Korallenarten" nur verschleiert.

Die Berichte über eine Erholung kommen auch der australischen Regierung gelegen. Sie will tourismusbedingt verhindern, dass das Great Barrier Reef auf die Liste des geschützten Welterbes kommt. Dafür investierte sie in diesem Jahr bereits eine Milliarde australische Dollar – umgerechnet rund 680 Millionen Euro. (red, APA, 5.8.2022)