Das Team von "Batgirl" wurde für seine Diversität gefeiert: Hauptdarstellerin ist die Latina Leslie Grace.

Foto: Twitter Leslie Grace

Vermutlich Kulissen für den Dreh von "Batgirl" in Schottland vergangenen Januar.

Foto: Andrew Milligan/PA via AP

Wie war das noch mal mit Schrödingers Katze? In etwa so: Zusammen mit einer radioaktiven Substanz ist sie in einer Kiste eingeschlossen. Ob sie noch lebt oder schon tot ist, kann man erst wissen, nachdem man hineingeschaut hat. Nun, nehmen wir mal an, der Leiter des Experiments hat ihr Todesurteil ausgesprochen, möchte aber die Box nicht mehr öffnen – das schürt natürlich die Neugier. Wir wollen die Katze sehen! Ob es ein räudiger Kater, ein albernes Kätzchen, Königin Sheba selbst oder gar eine Fledermaus ist, ist zweitrangig. Hauptsache, wir können uns vergewissern.

So geht es derzeit auch Filmfans, die den am Dienstag verkündeten Veröffentlichungsstopp von Batgirl betrauern. In den Schatten tritt da Scoob!: Holiday Haunt, der zweite Teil von Scooby Doo, der sich nun mit Batgirl auf das kleine Packerl (mutmaßlich) nie veröffentlichter Filme hauen kann. Das ebenfalls diese Woche verkündete Aus des Kinderanimationsfilms lässt die Wogen weniger hochgehen, denn Batgirl ist diverser, teurer und Teil des populären DC-Universums. Der Film hat also genau das, was es für einen Skandal braucht. Doch wie konnte es zu diesem kommen?

Bewegung im Kinomarkt

In den letzten Jahren ist die Filmbranche gehörig in Bewegung geraten. Traditionelle Hollywoodstudios verschuldeten sich, Streamingdienste erlebten Höhenflüge, um dann zu stagnieren, die Kinos standen leer, wurden dann aber wieder als notwendig erachtet. Im April dieses Jahres kam dann ein neuer Megadeal zustande.

Das Medienunternehmen Discovery unter der Führung von CEO David Zaslav übernahm eine Reihe von Medienunternehmen, darunter HBO, Warner Brothers und der Nachrichtensender CNN, und verschmolz sie zu Warner Bros. Discovery, einem neuen Mediengiganten mit großen Ambitionen. Die nun Fuß fassende Neuausrichtung von Warner Brothers und DC soll Schuldenbremse und Qualitätskontrolle in einem sein, kurz: DC soll seine überteuren B-Movie-Flops loswerden (etwa Justice League, The Green Lantern), von reinen Onlineveröffentlichungen absehen (darunter fällt Batgirl, der Film wäre nämlich nur auf HBO Max zu sehen gewesen) und stattdessen auf große Kinofilme setzen, die bei Kritik und Publikum gut ankommen: Joker, The Dark Knight, Wonderwoman.

Gut, ein Superheldenfranchise weniger, könnte man nun meinen, doch das Projekt unter der Regie des marokkanisch-belgischen Duos Adil El Arbi und Bilall Fallah (Bad Boys for Life, Ms. Marvel) war bereits abgedreht, hatte 90 Millionen Dollar gekostet und wurde zudem wegen des diversen Teams gefeiert: Neben der Latina Leslie Grace als Batgirl Barbara Gordon spielte auch die philippinisch-amerikanische Transgenderschauspielerin Ivory Aquino mit. Auch Michael Keatons Comeback als Batman wurde freudig erwartet. Dass der Rohschnitt von Batgirl in Testscreenings mittelmäßig aufgenommen wurde, schien aufgrund dessen nicht tragisch zu sein.

Qualitätskontrolle

Testscreenings sind eine fixe Qualitätskontrolle für US-Studios, um ein Gespür dafür zu bekommen, wie ein Film vom Publikum angenommen wird. Danach wird entschieden, in welcher Schnittfassung ein Film in die Kinos kommt. Diese Testscreenings sind damit ein zweischneidiges Schwert. Fatal Attrac tion mit Michael Douglas und Glenn Close wurde etwa gegen den Willen des Regisseurs und der Hauptdarstellerin mit einem vollkommen neuen Ende ausgestattet. Weil das Testpublikum Closes fatal verliebte berufstätige Singlefrau derart verabscheute, gewährte man ihr keinen tragischen Suizid mehr, sondern ließ sie reuelos von der braven Ehefrau abknallen.

In solchen Fällen ist es fraglich, ob Produktionsstudios derart auf die Meinung des Testpublikums setzen sollten, in anderen Fällen wurde sicherlich Schlimmeres verhindert. Kurzum haben Testscreenings nicht den Zweck, darüber zu entscheiden, ob ein Film veröffentlicht wird, sondern bloß wie. Dass ein 90-Millionen-Dollar-Film gegen den Willen des Filmteams im Mist landet, um, wie etwa gesagt wird, Steuern zu sparen, das gab es noch nie.

Social Media brodelt

Social Media läuft derzeit folglich mit #ReleaseBatgirl heiß. Insbesondere Hauptdarstellerin Leslie Grace wurde zum Symbol für Benachteiligungen divers besetzter Filmproduktionen, zumal bekannt wurde, dass Shazam! Fury of the Gods ähnlich schlechte Testscreenings hatte und The Flash mit Ezra Miller, dem Tag für Tag mehr Gewaltvorwürfe entgegengebracht werden, einen Kinostart erhalten wird.

Der neue Boss Zaslav will die Box jedoch nicht mehr öffnen: Man werde nicht, nur um ein paar Dollar zu machen, einen Film veröffentlichen, hinter dem man nicht stehe. DC sei etwas, was man verbessern könne, darauf liege nun der Fokus.

Was ein Schlag ins Gesicht der an Batgirl Beteiligten ist, ist wahrscheinlich ein Hoffnungsschimmer für manche DC-Fans. Doch solange die Box geschlossen bleibt, besteht die Hoffnung, dass die Fledermaus darin aufgrund des großen Sympathie- und Werbevorschusses irgendwo noch zum Leben erwacht. (Valerie Dirk, 6.8.2022)