Auch digitale Anzeigetafeln wurden in Taiwan von Hackergruppen übernommen und antiamerikanische Slogans ausgespielt.

Foto: TYRONE SIU

Die Militärmanöver vor der Küste von Taiwan werden aktuell von einer stark gestiegenen Zahl von Cyberattacken begleitet. Obwohl diese Angriffe auf Regierungswebsites und Bahnhöfe nicht direkt China zugeordnet werden können, erinnert die aktuelle Situation stark an die Zeit vor dem Krieg in Europa, als sich Angriffe von Hackergruppen auf die Ukraine häuften.

Kriegstreiber

"Wer mit dem Feuer spielt, kommt darin um", warnte Chinas Präsident Xi Jinping den US-Präsidenten Joe Biden, als die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, Taiwan Anfang August besuchte. Während sich allerdings chinesische Militärübungen an der Grenze zu Taiwan bisher auf Drohgebärden beschränken, hat der Cyberkrieg gegen den Inselstaat bereits begonnen. So wurden während Pelosis Aufenthalts Nachrichten auf Bildschirmen einer großen Supermarktkette ausgespielt, die Pelosi als Kriegstreiberin bezeichneten und zusätzliche antiamerikanische Slogans beinhalteten. Parallel dazu kam es auf Bahnhöfen, bei digitalen Straßenschildern und Regierungswebsites zu vermehrten Störungen durch Hackerangriffe.

Erste Opfer der Cyberattacken waren zwei Websites von Ministerien durch DDoS-Angriffe (Distributed Denial of Service), die deshalb kurzzeitig offline gehen mussten. Taiwans Außenministerium erklärte zu diesen Ausfällen, dass beide Websites von bis zu 8,5 Millionen Anfragen pro Minute von einer "großen Anzahl von IPs aus China, Russland und anderen Orten" getroffen wurden. Mit diesem künstlich erzeugten Datenverkehr werden seither immer wieder Systeme überlastet. Laut der Digitalministerin Audrey Tang ist die Zahl der Angriffe in den letzten Tagen auf das 23-Fache des bisherigen Rekordwerts gestiegen.

Zu den Cyberattacken bekannte sich bisher nur eine Gruppe namens APT-27, die in einem Youtube-Video ihre Angriffe damit erklärt, dass Pelosi trotz Warnungen Chinas nach Taiwan gereist sei. Obwohl die Gruppe im Verdacht steht, mit der chinesischen Regierung zusammenzuarbeiten, hat Taiwan bisher keine offiziellen Vorwürfe gegen China ausgesprochen. Man beobachte allerdings die Situation, teilte ein Regierungssprecher am Montag mit, und sich für einen drohenden "Informationskrieg".

Parallelen erkennbar

Die aktuellen Cyberattacken erinnern stark an die Zeit vor dem und während des Ukraine-Kriegs. Auch die Ukraine klagte in dieser Zeit über zahlreiche DDoS-Angriffe auf Regierungsseiten, die dadurch zumindest zeitweise nicht mehr verfügbar waren. Damals berichteten etwa die Sicherheitsforscher von Eset von massiven Angriffen auf ukrainische Rechner, bei denen eine unbekannte Schadsoftware auf den Systemen installiert und für eine spätere Attacke in Stellung gebracht wurde. Auf Befehl von außen könnte diese dann sämtliche Daten auf den befallenen Rechnern vernichten.

Auch damals war die Urheberschaft solcher Angriffe schwer zu bestimmen, da es viele Wege gibt, die Herkunft zu verschleiern. Insofern erfolgt die Zuordnung von Attacken oft mithilfe von externen Informationen, etwa Wissen über früher verwendete Software und Methoden und natürlich auch politische Hintergründe. Aber allein schon aufgrund der zeitlichen Abläufe besteht bei den Angriffen auf Taiwan – genau wie damals auf die Ukraine – recht wenig Zweifel daran, wer der Nutznießer der Attacken ist. (aam, 5.8.2022)