Wegen ihres Taiwan-Besuchs wird die US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi von China heftig kritisiert – und nun auch sanktioniert.

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Peking – China hat am Freitag aus Protest gegen den Taiwan-Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi die Zusammenarbeit mit den USA in einer Reihe von Feldern ausgesetzt. Dabei geht es unter anderem um die Klimapolitik, aber auch um den Austausch auf militärischer Ebene, der gewöhnlich die Gefahr einer Eskalation zwischen den beiden Großmächten herabsetzen soll. Die Kooperation im Kampf gegen grenzüberschreitende Kriminalität und den Drogenhandel sowie die Zusammenarbeit bei der Rückführung illegal eingereister Migranten und Gespräche über maritime Sicherheit werden offenbar auf Eis gelegt.

Schon zuvor hatte China nicht näher beschriebene Sanktionen gegen Pelosi, die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, verhängt. Wie das Außenministerium in Peking am Freitag mitteilte, richten sich die Strafmaßnahmen auch gegen direkte Familienmitglieder Pelosis. Als Reaktion auf Chinas Vorgehen in den vergangenen Tagen zitierten die USA nun den chinesischen Botschafter in Washington ins Außenministerium. Die USA würden keine Krise in der Region wollen, daher verurteile man etwa Chinas Militäreinsätze.

DER STANDARD

China sieht "bedrohten Frieden"

"Trotz Chinas ernsthafter Bedenken und entschiedenen Widerstands bestand Pelosi darauf, Taiwan zu besuchen, sich ernsthaft in Chinas innere Angelegenheiten einzumischen, Chinas Souveränität und territoriale Integrität zu untergraben, die Ein-China-Politik mit Füßen zu treten und den Frieden und die Stabilität der Taiwanstraße zu bedrohen", sagte ein Sprecher des Außenministeriums. Das Ministerium warf der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, die in der Nachfolge des US-Präsidenten an zweiter Stelle nach der Vizepräsidentin kommt, vor, "boshaft" und "provokant" gehandelt zu haben.

Pelosi hatte in dieser Woche im Rahmen ihrer Asienreise trotz massiver Drohungen aus China auch Taiwan besucht. Sie wertete ihren Besuch als Zeichen der Solidarität mit der auf ihrer Unabhängigkeit beharrenden Insel, die von China als eigenes Staatsgebiet beansprucht wird. Es war der hochrangigste US-Besuch in Taiwan seit 25 Jahren. Als Reaktion auf den Besuch ließ China am Donnerstag die bislang größten Militärmanöver in den Gewässern vor Taiwan anlaufen.

Zum Abschluss ihrer Asienreise unterstrich Pelosi am Freitag in Tokio die parteiübergreifende Solidarität in den USA mit dem demokratischen Taiwan. "Unsere Freundschaft mit Taiwan ist stark. Sie wird im Repräsentantenhaus und im Senat von zwei Parteien getragen, die sich mit überwältigender Mehrheit für den Frieden und den Status quo in Taiwan einsetzen." Die 82-Jährige warf China vor, Taiwan isolieren zu wollen. Die Führung in Peking sei aber nicht zuständig für Reisepläne von Kongressmitgliedern. "Sie werden Taiwan nicht isolieren, indem sie uns daran hindern, dorthin zu reisen."

Blinken spricht von Provokation

Nach übereinstimmenden Angaben aus Japan und Taiwan wurden auch Raketen über die Hauptstadt Taipeh abgefeuert. Außerdem überquerten nach Angaben aus Taiwan erneut etwa zehn chinesische Marineschiffe und 20 Militärflugzeuge kurzzeitig die inoffizielle Grenzlinie in der Mitte der vielbefahrenen Taiwanstraße.

US-Außenminister Antony Blinken warf China vor, mit den Raketentests und Militärübungen den Status quo in der Meerenge der Taiwanstraße ändern zu wollen. Bei einem Treffen der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean im kambodschanischen Phnom Penh sagte Blinken, es gebe keine Rechtfertigung für die militärischen Provokationen nach dem friedvollen Besuch Pelosis in Taiwan. Am Donnerstag hatte laut "Washington Post" das Weiße Haus den chinesischen Botschafter Qin Gang vorgeladen, um das "provokante Vorgehen" gegen Taiwan zu verurteilen.

G7 besorgt

Die taiwanesische Präsidentin Tsai Ing-wen nannte unterdessen die Manöver und Raketenübungen "unverantwortlich". In einer Videoansprache forderte sie die chinesische Führung nachdrücklich zu Vernunft und Zurückhaltung auf. Taiwan werde die Spannungen nicht eskalieren, sondern wolle den Status quo bewahren. Sie dankte der Gruppe der sieben führenden demokratischen Wirtschaftsmächte (G7) für deren Unterstützung.

Diese hatten ihre Sorge geäußert und betont, es gebe keinen Grund dafür, einen Besuch als Vorwand "für aggressive militärische Aktivitäten" zu benutzen. In Peking wurden Botschafter und Vertreter der EU-Länder sowie Japans Botschafter ins Außenministerium zitiert, wo ihnen ein formeller Protest gegen die G7-Erklärung übergeben wurde. (APA, Reuters, 5.8.2022)