An Manfred Ainedters Doppelrolle als Beschuldigtenanwalt und Präsident der StrafverteidigerInnen-Vertretung gibt es heftige Kritik.

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Das von der Justiz erteilte grüne Licht für Sabine Beinschabs Antrag, Kronzeugin zu werden, sorgt unter Juristen für einiges an Aufregung. Die Entscheidung wird durchaus kontrovers debattiert. Einige bestreiten, dass ihr der Kronzeugenstatus zusteht, war die Meinungsforscherin doch schon festgenommen gewesen. Zudem hat der Präsident der Vereinigung Österreichischer StrafverteidigerInnen, Manfred Ainedter, einen Deal zwischen Beinschabs Verteidigung und der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in den Raum gestellt. Die WKStA habe Beinschab den Status angeboten, so etwas sei ihm noch nie untergekommen, sagte Ainedter im "Kurier".

Diese Darstellung bestreitet Beinschabs Rechtsanwältin Katrin Blecha-Ehrbar mit Nachdruck. Das Justizministerium verwies am Freitag auf Anfrage auf Blecha-Ehrbars Statement und betont, dass die Entscheidung der WKStA von der Oberstaatsanwaltschaft Wien bis hin zum Weisungsrat der Justizministerin Alma Zadić (Grüne) mitgetragen worden sei.

Bei einigen Juristen stieß das lange Schweigen des Ministeriums angesichts der heftigen Reaktionen auf die WKStA-Entscheidung auf Unverständnis und Unmut. Vor allem, weil die Ministerin nicht öffentlich klargemacht habe, dass es sich weder um eine einsame Entscheidung der WKStA noch um einen Hinterzimmer-Deal gehandelt habe.

Vizepräsidentin kritisiert Präsident Ainedter

Bei den Strafverteidigern sorgte Ainedters massive Kritik für Stirnrunzeln. Seine Kanzlei verteidigt ja auch den in der Causa Inserate und Studien mitbeschuldigten einstigen Kurz-Berater Gerald Fleischmann. So sagt Alexia Stuefer, seine Stellvertreterin in der StrafverteidigerInnen-Vereinigung: "Ich als Vizepräsidentin habe mich schon mehrfach gewundert, dass er nicht zwischen seiner Funktion als Präsident der Vereinigung und seiner Person als Strafverteidiger differenziert." Eine derartige Unterscheidung, so Stuefer, wäre "auch aus Sicht der Gesellschaft und der Rechtssuchenden sehr wichtig".

Der WKStA unterstelle Ainedter mit der Behauptung, sie habe Beinschab den Deal angeboten, de facto Amtsmissbrauch, kritisierte ein weiteres Vorstandsmitglied der Vereinigung, das nicht namentlich genannt werden will. Zudem sei es fragwürdig, dass da Rechtsansichten, vermischt mit Spekulationen, über die Medien ausgetauscht würden, statt diese wichtigen juristischen Themen in Fachkreisen abzuhandeln.

Empörung über Jeannée

Stichwort Medien: Da sorgte vor allem ein Beitrag in der "Kronen Zeitung" von Freitag für Empörung. In seiner Kolumne schrieb Michael Jeannée, Beinschab sei eine "Verräterin", und Kronzeugen gehörten "eingesperrt". "Für mich sind Sie das Letzte. Täterin, Mitwisserin, Planerin", schrieb der Kolumnist. Gegen diesen Text überlegt Beinschabs Anwältin Blecha-Ehrbar rechtliche Schritte, wie sie den STANDARD wissen ließ.

Was manche Kritiker Beinschabs so aufwühlt: Die Meinungsforscherin belastet ihre Geschäftspartnerin, die frühere Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP), schwer. Deshalb fand die WKStA heraus, dass Sophie Karmasin in jener Zeit beruflich durchaus aktiv gewesen sei, in der sie wegen einer Gehaltsfortzahlung für ihre frühere Ministerinnenfunktion eigentlich nichts dazuverdienen durfte. Wie berichtet, hat eine Expertin der Behörde die Aufträge dieser Zeit im ersten Halbjahr 2018 untersucht und aufgelistet.

Der Grund dafür erschließt sich aus einer Mail an ihre Berufskollegin Sabine Beinschab, in der die frühere Familienministerin (ÖVP) schrieb: "Bitte aber noch nicht verrechnen, erst Juni. Ich darf nix verdienen." Karmasin hat die ihr nicht zustehenden Bezüge inzwischen zurückgezahlt, mit der Erklärung, sie habe "keinesfalls gegen die gesetzlichen Vorgaben verstoßen wollen".

Karmasin fragte mehrmals nach Zuverdienstmöglichkeit

Aus Unterlagen des Bundeskanzleramts, die in die Ermittlungen der WKStA eingeflossen sind, erschließt sich die genaue Chronologie der Vorgänge, die zu diesem Verfahrensstrang geführt haben. Daraus geht hervor, dass die Ex-Ministerin explizit darauf hingewiesen wurde, dass sie in den (bis zu) sechs Monaten der sogenannten Bezugsfortzahlung keinerlei beruflichen Aktivitäten nachgehen dürfte. Zudem haben die Beamten errechnet, wie hoch ihr "Netto-Übergenuss" wäre, würde man ihr die gesamte Bezugsfortzahlung ex post quasi streichen.

Wie die Ex-Ministerin nach ihrem Ausscheiden aus der schwarz-roten Regierung Ende 2017 an ihre Bezugsfortzahlung kam: Am 4. Jänner erkundigte sie sich telefonisch im Kanzleramt nach den Voraussetzungen für die Bezugsfortzahlung, gemäß der Ex-Regierungsmitglieder für maximal sechs Monate 75 Prozent ihres monatlichen Einkommens weiterbezahlt bekommen können. In der Folge unterschrieb sie die erforderlichen Unterlagen – Ende Jänner hatte sie sich beim zuständigen Beamten noch per Mail erkundigt: "Bitte sagen Sie mir noch, ob ich während der Entgeltfortzahlung etwas dazuverdienen darf?" Die Antwort: die entsprechende Gesetzesstelle aus dem Bundesbezügegesetz und der ausdrückliche Hinweis des Zuständigen: "Ein Zuverdienst ist demnach während der Bezugsfortzahlung nicht möglich."

Am 5. Februar fragte die Meinungsforscherin erneut an: "Eine sonstige Erwerbstätigkeit wäre also auch zum Beispiel ein Vortrag im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit?" Ja, antwortete am nächsten Tag ihr Ansprechpartner, "jegliche Tätigkeit, die mit einem Honorar, einem Gehalt oder einer sonstigen Vergütung beglichen wird", sei eine vom Gesetz ausgeschlossene sonstige Erwerbstätigkeit. Es gebe da auch keine Geringfügigkeitsschwelle. Der Beamte erklärte Karmasin zudem den Sinn der Bezugsfortzahlung: Die sei als "Überbrückungshilfe" für oberste Organe zu verstehen, die durch ihre Funktionsausübung einem Berufsverbot unterlagen, nicht allerdings als "fortgeführtes Gehalt". Keine Stunde später antwortete die Exministerin: "Okay, das ist zu akzeptieren, dann werde ich nichts verdienen." In der Folge wurde ihr die Fortzahlung bis Mitte Juni 2018 zuerkannt – wobei Karmasin dann Mitte April bekanntgab, dass die Bezugsfortzahlung per 23. Mai zu stoppen sei. Das ist dann auch geschehen.

Provisionen

Die Aussagen von Sabine Beinschab, wonach sie Karmasin in all der Zeit für Studien eine 20-prozentige Provision gezahlt habe, brachten all das ins Wanken. Karmasin zahlte im März 2022 zunächst rund 62.193 Euro zurück, später weitere 12.000 Euro, die das Kanzleramt eingefordert hatte. Aus dem Bericht der WKStA-Expertin erschließt sich, dass es zwischen Dezember 2017 und Mai 2018 nur drei Zahlungseingänge auf Karmasins Konten gab: Zwei waren Provisionen von Beinschab, einer von einem Angehörigen. Aber es fanden in der Zeit vier Projekte und acht Vorträge statt. Karmasins Anwalt Norbert Wess kündigte an, den Bericht zu prüfen. Die WKStA ermittelt in dem Zusammenhang wegen schweren Betrugs. Eine Rückzahlung würde zwar "tätige Reue" belegen, diese muss jedoch rechtzeitig erfolgen – und Journalisten recherchierten bereits in der Sache, als Karmasin das Geld zurücküberwies. Es gilt die Unschuldsvermutung. (Renate Graber, Fabian Schmid, 5.8.2022)