Laut Blizzard geben rund die Hälfte der Spieler von "Diablo Immortal" an, vorher noch nie etwas von der Marke gehört zu haben.

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9,6 Prozent: Was nach der aktuellen Inflationsrate klingt, ist tatsächlich der Schrumpffaktor des mobilen Spielemarkts. Der in den letzten Jahren explodierende Erfolg der bunten Klötzchenspiele, die uns mit Glücksspielmechaniken zu geldeinwerfenden Zombies haben mutieren lassen, könnte erstmals nicht um die prognostizierten 25 Prozent wachsen, sondern zumindest in manchen Bereichen gehörig auf die Nase fallen.

Nicht falsch verstehen – mit einem prognostizierten Umsatz von rund 146 Milliarden Dollar im Jahr 2022 sind weder "Clash of Clans" noch "Diablo Immortal" oder sonst einer der großen Player von der Krise betroffen. "Diablo Immortal" schaffte es sogar, nach acht Wochen die 100-Millionen-Dollar-Umsatzgrenze zu sprengen – etwas, was vorher nur "Pokémon Go" gelungen war. Aber offenbar schrumpfen andere Bereiche, Genres, die nie hätten erfunden werden sollen oder deren Geldgier über die Jahre vielleicht sogar dem gutmütigsten Spieler aufgefallen ist.

Danke, Gelegenheitsspieler

In Österreich spielen ja angeblich fünf Millionen Menschen, glaubt man den wenigen Erhebungen, die es in diesem Games-feindlichen Land gibt. Viele davon sind die typischen Gelegenheitsspieler, die in der U-Bahn bunte Bonbons aufeinanderschieben, bis diese explodieren, oder sich in Tower-Defense-Spielen gegen anstürmende Zombiehorden wehren. Viele von diesen Menschen haben noch nie Geld in diese Unterhaltung eingeworfen, aber irgendwer macht es dann doch. Abgesehen von den in der Branche genannten Walen, die oft tausende Euro auf ein Spiel werfen, gibt es noch die Unverbesserlichen wie mich, die in Kartenspiele von Blizzard zumindest den Wert einer guten Grafikkarte investiert haben.

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"Wenn es Spaß macht", könnte man sagen ... aber die meisten dieser Games machen keinen Spaß. Sie schlagen Zeit tot und haben das Ziel, uns zu beschäftigen, bis das dumme Auf-den-Bildschirm-Klopfen zu einer Routine wird, die wir nicht mehr missen möchten. Dann kommt plötzlich eine Wand, die wir nur mit Euros überwinden können. Na gut, 20 Euro hier, 50 Euro da. Man hat ja schon so viel Lebenszeit investiert. Wie sinnlos diese Spiele meist sind, weil sie oftmals einzig darauf aus sind, ein simples Spielkonzept rund um eine Gelddruckmaschine zu basteln, merkt man oft erst zu spät.

In jedem Fall hat dieses Konzept über die Jahre funktioniert, und die große Games-Branche hat Dinge wie kaufbare Kostüme oder Lootboxen brav in ihr Repertoire aufgenommen, um zumindest mit manchen dieser Dinge wieder auf die Schnauze zu fallen. Jetzt wäre es an der Zeit, dass auch die Mobile-Branche einen ersten Dämpfer erhält. Dass Spieler lieber beim Fenster rausschauen, als eine Woche darauf zu warten, bis ein virtuelles Haus fertig gebaut wird, oder dazu genötigt werden, die Produktion mit dem Einwurf von zwei Euro zu beschleunigen. Der Mobile-Games-Markt hat schon so viel Schaden produziert, da wäre eine kleine Krise vielleicht genau das Richtige, um noch mal in sich zu gehen und vielleicht auch mal ein gutes Konzept zu schaffen, das Leute nebenbei auch unterhält oder vielleicht sogar fordert.

"Kingdom Rush" zählt zu den positiven Mobile-Beispielen. Es ist aber auch nicht kostenlos im Store zu haben.
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Gute Beispiele

Natürlich gibt es nicht nur schlechte Mobile Games, und manche haben den Erfolg durchaus verdient. Die kostenpflichtige "Kingdom Rush"-Serie beispielsweise vermischt Komplexität und Charme geschickt miteinander und bittet nur für etwaige zusätzliche Helden zur Kasse. "Stardew Valley" oder "Papers Please" sind keine ursprünglichen Mobile Games, aber sind die fünf Euro im Store wert.

Und dann ist da ja auch noch Apple Arcade – der Versuch des US-Konzerns, Qualität in Spielen dank eines Abos am Leben zu halten. Für ein paar Euro im Monat bekommt man Zugang zu einer kleinen, aber feinen Spielebibliothek, die auch immer wieder neues Futter bekommt. Dort gibt es einen "Castlevania"-Ableger, Pay2Win-Spiele wie "Lego Star Wars Battles", aus denen der Pay2Win-Faktor einfach entfernt wurde, und vieles mehr.

Es gibt sie also, die punktuellen Rechtfertigungen, warum ein Mobile Game nicht automatisch schlecht sein muss. Dennoch ist der Markt für ganz viele Entwickler schon lange kaputt, nur wenige dominieren das Feld – und bestimmen die Regeln. Am Ende könnte man sogar sagen, der Konsument ist schuld, weil er vor zehn Jahren nicht einmal mehr fünf Euro für ein Mobile Game zahlen wollte und so die Branche quasi in die Free2Play-Schiene zwang, der wir jetzt zu verdanken haben, dass oftmals mehr Datenanalysten an Spielen arbeiten als Gamedesigner.

Kampf verloren

Aber vielleicht kann der Spieler wieder aufstehen und sagen: bis hier hin und nicht weiter! Wir wollen Spiele, die auch ohne Lootboxen funktionieren! Die Chancen dafür stehen allerdings schlecht. In Belgien etwa, wo seit Jahren versucht wird, Gesetze gegen diese Glücksspielmechanik zu etablieren, wurde der Kampf mittlerweile aufgegeben. Der Forscher Leon Xiao schreibt in einem aktuellen Bericht, es sei aufgrund vieler Faktoren nicht umsetzbar, Lootboxen in Videospielen zu verbieten – zumindest nicht, wenn nur ein Land versucht, solche Regeln umzusetzen.

So bleibt also weiter der Blick vieler Gamer auf die Umsatzzahlen des Mobile-Markts gerichtet. Zuletzt war dieser "Candy Crush"-Markt wertvoller als PC- und Konsolenmarkt zusammen. Vielleicht erleben wir – in ferner Zukunft – erneut einen Machtwechsel. Zu wünschen wäre es. (Alexander Amon, 8.8.2022)