Großeinsatz für die Feuerwehr.

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Rauch über dem Grünewald.

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Roboter Magius Wolf R1 des Herstellers Alpha Robotics.

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Das Auffällige an diesem heißen Freitagnachmittag ist die große Stille. Wer entlang der Avus in den Grunewald radelt, der hat es eigentlich immer laut. Ein Fahrzeug nach dem anderen rast über die Berliner Stadtautobahn Avus, die Unmengen von Menschen täglich aus Potsdam nach Berlin bringt. Doch diese einhundert Jahre alte "Automobilverkehrs- und Übungsstraße" ist gesperrt und so leer und still wie früher an einem autofreien Sonntag.

Auch die S-Bahn nach Potsdam fährt nicht, der beliebte Kronprinzessinnenweg ist leergefegt. Dort tummeln sich normalerweise Radfahrerinnen, Jogger und Skaterinnen en masse, weil der Asphalt so schön glatt ist. "Renn, als würde es um alles gehen", hat jemand darauf gesprüht.

Ein Rentner blickt beim Parkplatz Grunewald etwas unsicher in den staubtrockenen Wald hinein. "Ich geh hier jeden zweiten Tag spazieren und will mich auch heute nicht abhalten lassen." Natürlich hat er vom Brand auf dem Sprengplatz gehört. Man müsste schon sehr ignorant sein, um dieses Großereignis in Berlin derzeit nicht mitzubekommen.

Bomben im "großen Garten"

Aus bisher unbekannter Ursache war auf einem Sprengplatz der Polizei mitten im Grunewald ein Feuer ausgebrochen, die Rauchsäule kilometerweit über dem Wald zu sehen. Der Brand ist mittlerweile gelöscht, doch die Gefahr noch längst nicht gebannt. Denn auf dem Gelände lagern tonnenweise alte Granaten, Munition und beschlagnahmte Feuerwerkskörper. "Wir bergen in Berlin immer noch zwei bis drei Bomben wöchentlich aus dem Krieg", sagt Polizeisprecher Thilo Cablitz zum STANDARD. Kontrolliert gesprengt wird aber nur alle paar Monate. Da kommt also einiges zusammen. Von sechs Tonnen "Nettosprengstoff" ist die Rede, zwei Weltkriegsbomben hat das Feuer aus der Verankerung gerissen. Sie müssen jetzt erst einmal heruntergekühlt werden.

"Ich geh dann mal", sagt der wanderfreudige Rentner, "die Polizei wird mich schon aufhalten, wenn ich nicht mehr weiterdarf." Dann marschiert er ins Grün hinein, das für so viele, vor allem ältere Westberliner, ein großer Garten ist. Zu Zeiten der Berliner Mauer war es für sie nicht so einfach, ins ostdeutsche Umland zu fahren. Jedes Mal war beim Eintritt in die DDR ein Zwangsumtausch nötig. Aber der Grunewald im Westen war immer schnell und leicht erreichbar.

Noch heute erzählen die Älteren von wahren Völkerwanderungen zwischen Avus und Grunewald, nach dem Motto "Wir konnten ja sonst nirgendwohin". Und auch jetzt sind vor allem an Wochenenden viele Menschen unterwegs. Sie radeln, wandern oder besuchen das Ökowerk am Teufelssee, wo man auch baden kann.

Dauerregen aus Löschwasser

In scharfem Kontrast zur Stille steht das Gewusel am Parkplatz Hüttenweg. Dort haben Polizei und Feuerwehr ihre Einsatzzentrale aufgeschlagen. Niemand gibt es dort, der nicht schwitzt und regelmäßig zur Wasserflasche greift. Der Brand ereignete sich in den heißesten Tagen dieses Sommers. Als er ausbrach, hatte es 37 Grad.

Am Freitag begann es in der Früh zu tröpfeln. Geholfen hat es aber genau null. "Ein Regen bringt auch bei einem Waldbrand nichts", sagt der Sprecher der Berliner Feuerwehr, Thomas Kirstein.

Die Einsatzzentrale am Parkplatz Hüttenweg.
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Derzeit erzeugt die Feuerwehr den Regen selbst. Zunächst hatte sich Sprengmeister Dietmar Püpke mit einem Fuchs-Panzer der Bundeswehr in die Gefahrenzone begeben, um überhaupt einmal zu schauen, wo das brisante und hochgefährliche Material überhaupt genau liegt. "Er hat heute übrigens Geburtstag", sagt jemand und fügt mit leichtem Anflug von Ironie hinzu: "Anspielungen auf ein Geburtstagsfeuerwerk verbitten sich von selbst."

Denn die Gefahr ist weiterhin hoch. "Es brennt nicht mehr, aber es ist aufgrund der großen Hitze weiterhin möglich, dass etwas explodiert, dass Trümmer fliegen und eine Druckwelle entsteht", sagt Kirstein. Die Feuerwehr muss zunächst das explosive Material, das derzeit Temperaturen bis zu 700 Grad Celsius hat, herunterkühlen. Also senkt sich Dauerregen auf das Gebiet, das Löschwasser pumpt die Feuerwehr aus der nahegelegenen Havel.

"Erst wenn diese Gefahr gebannt ist, kann der Sperrkreis verringert werden", sagt Cablitz. Wann das sein wird, war am Freitagnachmittag unklar. Es blieb beim Sperrkreis von 1.000 Metern, Autofahrer, die die Avus benutzen wollten, hatten das Nachsehen.

Debatte über Sprengplatz

Und während die Feuerwehr noch voll im Einsatz ist, hat eine Debatte darüber begonnen, ob der Grunewald der richtige Ort für einen Sprengplatz ist. Berlins Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) meinte bei einem Besuch des Einsatzzentrums, man werde neu darüber nachdenken müssen. Doch Barbara Slowik, die Präsidentin der Berliner Polizei, sieht durchaus Vorteile in der Lage: "Aktuell ist dieser Sprengplatz die einzige genehmigungsfähige Anlage auf Berliner Grund mit 80.000 Quadratmetern, weit weg von Wohnbebauung, was der Feuerwehr auch sehr genützt hat."

Im Gespräch ist nun eine Kooperation mit dem Land Brandenburg, das Berlin genauso umgibt wie Niederösterreich die Hauptstadt Wien. Dort gibt es sehr viel Platz. Allerdings weist man bei der Berliner Polizei auch darauf hin, dass dann deutlich längere Wege in Kauf genommen werden müssten, um alte Weltkriegsbomben zu entsorgen. Und diese führen erst recht wieder durch dichtbesiedeltes Berliner Gebiet.

Zugange ist im Grunewald übrigens auch die Bundeswehr. Ein Bergepanzer hat fünf Kilometer lange Schneisen geschlagen. Diese sollen bleiben, heißt es bei der Bundeswehr, sie können "aufgrund ihrer Ausdehnung nach dieser Krise als schöne Rad- und Wanderwege durch die Berliner Bevölkerung genutzt werden". (Birgit Baumann aus Berlin, 5.8.2022)