Im Gastblog unternimmt Axel Hofmann eine Bestandsaufnahme des reformierten Urheberrechtsgesetzes und fragt, inwiefern dieses dazu beiträgt, Presseverlage finanziell besser auszustatten.

Ein halbes Jahr – Covid-bedingte – Verspätung, aber immerhin: Mit Wirksamkeit zum 1. Jänner 2022 hat auf europarechtlicher Vorgabe auch Österreich mit der Urheberrechtsnovelle 2021 seinem in die Jahre gekommenen Urheberrechtsgesetz (UrhG) ein Update für das digitale Zeitalter gegönnt.

Neues Leistungsschutzrecht für Presseverlage

Eine der zahlreichen Neuerungen, welche die Novelle mit sich brachte, war die Einführung eines neuen, europaweit harmonisierten Leistungsschutzrechts von Presseverlagen an ihren Presseveröffentlichungen (§ 76f UrhG). Damit wurde auch national der Katalog bereits bestehender Leistungsschutzrechte, etwa zum Schutz der Leistungen von Tonträgerherstellern oder Rundfunkunternehmern, erweitert.

Österreich hat das Urheberrechtsgesetz reformiert, aber ist es tatsächlich praxistauglicher als davor?
Foto: imago images/Sascha Steinach

Mit dem neuen Leistungsschutzrecht wurde Presseverlagen das Recht in die Hand gegeben, es Dritten zu verbieten, ihre journalistischen Erzeugnisse ohne ihre Zustimmung – also eine Lizenz – kommerziell online zu nutzen. Geschützt ist bereits die Leistung des Presseverlags, die Presseveröffentlichungen unter seiner redaktionellen Verantwortung zu erarbeiten und zu veröffentlichen (daher spricht man von "Leistungsschutz"). Die Presseveröffentlichung selbst muss, um schutzfähig zu sein, auch keine besondere "Qualität" aufweisen, also nicht etwa besonders geist- oder umfangreich sein. Vom Leistungsschutzrecht ausdrücklich ausgenommen sind lediglich Hyperlinks, einzelne Wörter und sehr kurze Auszüge sowie die rein private Nutzung.

Potenzielles Pulverfass an Rechtsfolgen

Das neue Leistungsschutzrecht verschärft die Rechtslage für solche Onlinedienste, die Medieninhalte online auffindbar machen oder sammeln und ihren Nutzern aufbereitet online zur Verfügung stellen. Der Kreis betroffener Onlinedienste umfasst damit vor allem Nachrichtenaggregatoren (darunter etwa auch News-Feeds auf Social-Media-Plattformen) und Medienbeobachtungsdienste. Denn im Rahmen solcher Onlinedienste werden neben einem Hyperlink in aller Regel auch bereits Ausschnitte aus der verlinkten Presseveröffentlichung angezeigt. Dem Nutzer soll dadurch die Einordnung der Relevanz und die Navigation durch die Vielfalt an Presseveröffentlichungen erleichtert werden. Auch ein damit einhergehender Vorteil für die Presseverlage liegt auf der Hand: mehr Klicks, mehr Werbeumsätze.

Für die Verwendung von Presseveröffentlichungen ist seit Einführung des neuen Leistungsschutzrechts von den Onlinediensten eine Lizenz bei den Presseverlagen einzuholen. Für den Fall, dass Presseveröffentlichungen ohne Lizenz online angezeigt werden, sieht das Urheberrechtsgesetz empfindliche Sanktionen vor. Neben zivilrechtlichen Ansprüchen, etwa auf Unterlassung und Schadenersatz, drohen hierzulande sogar strafrechtliche Konsequenzen. Anders als die Gesetzgeber anderer EU-Mitgliedsstaaten, zum Beispiel Deutschlands, hat sich der österreichische Gesetzgeber nämlich in besonders strenger Auslegung der EU-Vorgabe dazu entschieden, Eingriffe in das neue Leistungsschutzrecht der Presseverlage für gerichtlich strafbar zu erklären. Verantwortlichen von Onlinediensten drohen neben Geldstrafen sogar bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe.

Viel Aufwand für betroffene Onlinedienste

Vor diesem Hintergrund sahen sich zahlreiche Onlinedienste dazu veranlasst, Vorkehrungen zu treffen, um Rechtsverletzungen nach Möglichkeit auszuschließen, gleichzeitig aber einen fairen Ausgleich zwischen den wirtschaftlichen Interessen zu schaffen. Auch hierzulande sind intensive Bestrebungen von Onlinediensten zu beobachten, von den berechtigten Presseverlagen Lizenzen an ihren Presseveröffentlichungen zur Darstellung im Rahmen ihrer Dienste einzuholen.

Angesichts der Vielzahl an potenziell berechtigten Presseverlagen sind die Dimensionen dieses ressourcenbindenden Kraftakts aufseiten der Onlinedienste vorstellbar. Das dennoch bestehende Interesse der Onlinedienste, einen rechtskonformen Zustand zu halten, ist jedoch nachvollziehbar. Für den Fall, dass eine entsprechende Einigung nicht erzielt werden kann, sähen sich Onlinedienste nämlich in die Defensive gezwungen. Im Konkreten bliebe ihnen kein Weg, als ihre Dienste dort, wo eine Lösung mit dem betroffenen Presseverlag nicht gefunden werden kann, künftig nur mehr einschneidend reduziert anzubieten.

Jeder Person, die Onlinedienste regelmäßig nutzt, wird bewusst sein, dass die Reduktion der Anzeige von Presseveröffentlichungen auf reine Hyperlinks die Benutzererfahrung keinesfalls verbessern wird. Vielmehr fiele damit ein Mehrwert für alle Seiten weg: sowohl für den Onlinedienst und seine Nutzer als auch – im besonderen Maß – für die berechtigten Presseverlage, deren Zugriffszahlen bereits seit vielen Jahren zu einem wesentlichen Teil aus der Nutzung von Onlinediensten gespeist werden.

Pressefinanzierung über urheberrechtliche Irrwege

Das erklärte Ziel des Gesetzgebers ist es, über das neue Leistungsschutzrecht für eine bessere Finanzierung von Presseverlagen zu sorgen. Sie sollen über Lizenzzahlungen der Onlinedienste wirtschaftlich an der kommerziellen Onlinenutzung ihrer Inhalte beteiligt werden. Auch für den qualitativ hochwertigen Journalismus soll dadurch ein Anreiz geschaffen werden.

Diese Ziele des Gesetzgebers sind im Grunde sehr zu begrüßen. Als "vierte Gewalt" im Staat gehören die Medien zu den fundamentalen Säulen eines liberalen Rechtsstaats und einer funktionierenden demokratischen Grundordnung. Diese Funktion können Presseverlage freilich nur bei ausreichender Finanzierung erfüllen. Der vom Gesetzgeber nun über das Urheberrecht eingeschlagene Weg zu diesem Ziel offenbart sich allerdings als Feigenblatt für ein nach wie vor ungelöstes Problem: die österreichische Presseförderung.

Das gegenwärtige System der Presseförderung steht zu Recht in der Kritik. Die im Zuge diverser Sparmaßnahmen reduzierten Förderbeträge sind stark limitiert und echtem Qualitätsjournalismus kaum eine taugliche Grundlage. Allen Tages- und Wochenzeitungen standen im gesamten Jahr 2021 an – qualitätsunabhängiger – "Vertriebsförderung" insgesamt lediglich knapp 3,9 Millionen Euro zur Verfügung. Nicht erst die jüngsten Inseratenaffären haben sichtbar gemacht, dass Presseverlage dadurch politisch motivierter Einflussnahme in die Arme getrieben werden. Nach einem Grund für Reformen müsste also nicht lange gesucht werden.

Das Urheberrecht ist jedoch nicht der richtige Weg, um etwas an diesem Zustand zu ändern. Einerseits dürfte der Gesetzgeber Onlinediensten Einnahmen aus der Nutzung von Presseveröffentlichungen unterstellen, die wohl tatsächlich weit unter seiner Vorstellung liegen, weshalb das Interesse an maßgeblichen Investitionen durch die Onlinedienste endenwollend sein wird. Andererseits lässt der Gesetzgeber auch kein Verständnis dafür erkennen, dass Onlinedienste den Presseverlagen durch eine erhebliche Steigerung der Nutzerzahlen einen bedeutenden Gegenwert einbringen. Spätestens im Rahmen von Lizenzverhandlungen zwischen Onlinediensten und Presseverlagen wird dieser Berücksichtigung finden müssen. Vor diesem Hintergrund ist in der Praxis zu erwarten, dass die Lizenzierung des neuen Leistungsschutzrechts den Presseverlagen, wenn überhaupt, nur wenig zu ihrer finanziellen Ausstattung beitragen wird.

Der Ruf nach einer Reform der Presseförderung bleibt

Insgesamt hat der Gesetzgeber ein legitimes Ziel vor Augen. Nach einem halben Jahr Geltung der Urheberrechtsnovelle 2021 bleibt jedoch wenig Zuversicht, dass diesem Ziel durch die erfolgte Stärkung der urheberrechtlichen Ausgangslage für Presseverlage tatsächlich gedient ist. Dem Anliegen, Presseverlage finanziell (endlich) besser auszustatten, wäre durch eine sinnvolle und umgreifende Neuregelung der Presseförderung gedient. Das neue Leistungsschutzrecht für Presseverlage ist jedenfalls kein Grund, diesen dringend erforderlichen Schritt als erledigt zu erachten, und nimmt den Gesetzgeber nicht aus der Verantwortung, eine entsprechende Reform anzugehen. (Alexander Hofmann, 12.8.2022)