Flaggenzeremonie in Taipei, Taiwan.

Foto: REUTERS/Jameson Wu

Taipeh – Chinesische Flugzeuge und Schiffe haben laut der Regierung in Taiwan bei Militärübungen am Samstag einen Angriff auf die Hauptinsel simuliert. Chinesische Flugzeuge seien am Morgen in der Taiwan-Straße im Einsatz gewesen, teilte das Verteidigungsministerium mit. Für mehrere Minuten überquerten demnach einige von ihnen die inoffizielle Grenzlinie in der Mitte der viel befahrenen Schifffahrtsstraße. Solche Aktionen werte Taiwans Militär als Teil eines simulierten Angriffs.

Es habe darauf unter anderem mit Aufklärungsflügen und Patrouillefahrten der Marine reagiert, teilte das Ministerium in Taipeh weiter mit. Auch landgestützte Raketen seien in Bereitschaft versetzt worden. Bereits am Freitagabend wurden nach Angaben des Verteidigungsministeriums von Taiwan Leuchtraketen abgefeuert, um sieben chinesische Drohnen abzuwehren. Diese seien über die Kinmen-Inseln geflogen.

Zudem seien nicht identifizierte Flugzeuge über den Matsu-Inseln gesichtet worden. Beide Inselgruppen gehören zu Taiwan und liegen in der Nähe der Südostküste der Volksrepublik China. Diese hält seit Donnerstag und noch bis Sonntagmittag ein Militärmanöver in den Gewässern rings um Taiwan ab, bei dem Kampfflugzeuge, Kriegsschiffe und Drohnen im Einsatz sind.

Die USA bezeichneten das Vorgehen Chinas als "unverantwortlich und provokativ". "Diese Aktivitäten sind eine bedeutende Eskalation in Chinas Bemühungen, den Status Quo zu verändern", zitierte Reuters einen Sprecher des Weißen Hauses.

Umstrittener Inselstaat

China erachtet Taiwan als Teil seines Territoriums. Taiwan ist seit 1949 selbstverwaltet. Damals besiegten die Kommunisten von Mao Zedong im chinesischen Bürgerkrieg die nationalistischen Kuomintang unter Chiang Kai-shek, die sich daraufhin auf die Insel Taiwan zurückzogen und dort jahrzehntelang autoritär herrschten. Taiwan sieht sich als unabhängige Republik China an.

Der Status Taiwans, das nur von wenigen Ländern als unabhängig anerkannt wird, ist einer der Hauptkonfliktpunkte zwischen den USA und China. Die USA unterhalten zwar wie viele andere Staaten mit Rücksicht auf die Volksrepublik China keine formalen diplomatischen Beziehungen zu Taiwan. Sie unterstützen das Land jedoch mit militärischer Ausrüstung und sind dessen wichtigster Lieferant von Rüstungsgütern.

Pelosi-Besuch erzürnte China

China begann sein Manöver nur einen Tag nach dem Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi in Taiwan. Am Freitag verschärfte die Regierung in Peking ihre Reaktion auf die Visite der Präsidentin des US-Repräsentantenhauses und fuhr die Kontakte zu den USA auf mehreren Ebenen herunter. So wurden nach Angaben des Außenministeriums unter anderem ein geplantes Treffen militärischer Spitzenvertreter beider Seiten abgesagt und die bilateralen Klima-Gespräche ausgesetzt.

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Als weitere Reaktion setzte China den Dialog mit den USA im Klimaschutz und über verschiedene Militärkanäle aus. Auch wurden andere Kooperation wie im Kampf gegen Verbrechen, Drogen und zur Rückführung illegal eingereister Menschen ganz gestrichen. Zusätzlich verhängte Peking nicht näher beschriebene Sanktionen gegen Pelosi und sogar gegen direkte Familienmitglieder. Chinas Führung wirft ihr vor, sich "ernsthaft in innere Angelegenheiten eingemischt" zu haben.

Blinken: China nutzt Pelosi-Besuch in Taiwan als Vorwand

US-Außenminister Antony Blinken hat China wiederum vorgeworfen, den Besuch von Pelosi in Taiwan zu benutzen, um die Spannungen um die demokratische Insel zu eskalieren. Peking habe bereits in den vergangenen Jahren "zunehmend destabilisierende und potenziell gefährliche Aktionen in Bezug auf Taiwan durchgeführt", sagte Blinken am Samstag bei einem Besuch auf den Philippinen.

Die Änderung des Status quo in der Meerenge der Taiwanstraße gehe von Peking aus, nicht von den Vereinigten Staaten, erklärte Blinken mit Blick auf die chinesischen Raketentests und Militärübungen in der Nähe von Taiwan.

Blinken sprach von einem "totalen Missverhältnis" zwischen Pelosis friedlichem Besuch einerseits und Chinas eskalierenden Militärmanövern andererseits. Unter anderem habe Peking elf ballistische Raketen abgeschossen, darunter fünf, die nach Angaben Japans im Meer ganz in der Nähe der japanischen Küste gelandet seien. (APA, Reuters, red, 6.8.2022)