Für Lisa-Maria Kellermayr kam das alles zu spät. Erst eine Woche nachdem die oberösterreichische Ärztin tot in ihrer Ordination aufgefunden war, gibt es nun Fortschritte bei den Ermittlungen in ihrem Fall. Am Freitag fand eine Razzia bei einem 59-jährigen Verdächtigen in Bayern statt. Auch die Staatsanwaltschaft Wels, die ihre Untersuchungen zwischenzeitlich eingestellt hatte, nahm diese nun doch wieder auf. Und die politische Spitze der Bundesregierung meldete sich nach längerem Schweigen nun auch öfter zu Wort. Die türkise Verfassungssprecherin Karoline Edtstadler denkt nun sogar laut über eine eigene Staatsanwaltschaft für den Bereich Hass im Netz nach. Was ist eine Woche nach dem Tod Kellermayrs passiert? Ein Überblick über die wichtigsten Ereignisse.

  • Ein zögernder Kanzler und ein Brief des Innenministers

Während zu Wochenbeginn in Wien, Wels, Linz und Graz Mahnwachen abgehalten wurden und selbst deutsche Politikerinnen und Politiker sich mitfühlend zum Tod Kellermayrs zu Wort meldeten, blieben abseits des Gesundheitsministers eminente Teile der heimischen Regierungsspitze noch lange still. Erst am Mittwoch sprach Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) den Angehörigen Kellermayrs sein Mitgefühl aus.

Gerhard Karner, als türkiser Innenminister immerhin für die Polizei zuständig, tat das bis heute nicht – zumindest nicht öffentlich. Er verschickte bloß einen Brief an Polizistinnen und Polizisten. Die Causa bezeichnet Karner darin zwar als "entsetzlich und erschütternd". Aber er polterte gleichzeitig, dass ein "reflexartiges und generelles Schlechtreden" der Polizeiarbeit "völlig unangebracht und unzulässig" sei. So etwas würde er als Innenminister nicht zulassen, heißt es in Karners Schreiben.

Zuvor prasselte allerdings scharfe Kritik auf die oberösterreichische Exekutive ein, von der sich Kellermayr trotz monatelanger Morddrohungen stets im Stich gelassen fühlte. Ein Pressesprecher der örtlichen Polizei unterstellte der Ärztin noch Ende Juni "über die Medien das eigene Fortkommen" fördern zu wollen. Ein Statement, das nach Kellermayrs Tod große Empörung auslöste. So sehr, dass ein Twitter-User schrieb: "Herzliche Gratulation. Du hast mit deinen unüberlegten Worten und depperten Aussagen Blut an den Händen. Ich hoffe, du trittst auf der Stelle ab und verlässt deinen Job." Der Sprecher verschickte prompt eine 960 Euro schwere Unterlassungsklage. Die beiden Streitparteien konnten sich allerdings schon kurz darauf doch außergerichtlich noch einigen.

Auch von Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) war tagelang keine Reaktion zu Kellermayrs Tod zu vernehmen. Dann mahnte er schließlich ein "härteres und schnelleres Vorgehen" in solchen Fällen ein, verteidigte aber ebenfalls die Polizeiarbeit. Oberösterreichs Polizei hingegen hält sich weiter bedeckt.

Fühlte sich von der oberösterreichischen Polizei im Stich gelassen: die verstorbene Ärztin Lisa-Maria Kellermayr.
Foto: APA/HERMANN WAKOLBINGER
  • Eine Razzia in Bayern

Am Freitag wurde dann bekannt, dass im Fall Kellermayr eine Razzia bei einem 59-Jährigem in Bayern durchgeführt wurde. Das teilte die Generalstaatsanwaltschaft München per Aussendung mit. Von der Exekutive seien Datenträger gesichert worden, die nun ausgewertet werden sollen. Es soll sich dabei um jenen Mann handeln, den die Polizei in Oberösterreich im Bezug auf die Drohungen gegen Kellermayr bereits im Februar ausgeforscht haben will.

Die Staatsanwaltschaft Wels hatte die Ermittlungen zunächst wegen mangelnder inländischer Gerichtsbarkeit eingestellt und ihren Kenntnisstand den Behörden in Deutschland gemeldet, hieß es. Durch den Suizid Kellermayrs sollen sich die Zuständigkeiten wieder geändert haben, weshalb die Ermittlungen gegen namentlich bekannte Verdächtige seit Donnerstag nun wieder aufgenommen worden seien.

Kritik an den Ermittlungsbehörden kam von der Strafrechtlerin Ingeborg Zerbes. Aus Sicht der Expertin hätte schon längst ein Verfahren wegen beharrlicher Verfolgung in Österreich eingeleitet werden müssen, wenn Kellermayr seit vergangenem Herbst "im Weg der Telekommunikation" von einem deutschen Verdächtigen massiv bedroht worden sei.

  • Eine eigene Staatsanwaltschaft für Hass im Netz?

Mittlerweile folgen in der Causa auch politische Vorschläge. Am Samstag dachte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) zumindest laut darüber nach, eine eigene Staatsanwaltschaft für Hass im Netz schaffen zu wollen. Das Problem sei "sehr, sehr viel größer, als wir das in der Vergangenheit oder auch jetzt eingeschätzt haben und einschätzen", sagte Edtstadler am Samstag im Ö1- Radio. "Was immer hilft, um diesen Hass-im-Netz-Dingen möglichst rasch zu begegnen und solche Eskalationen, wie wir sie erlebt haben, zu verhindern, soll dienlich sein. Das sollte man aber im Detail diskutieren." Es dürfe hier keine "Denkverbote" geben.

Auch die Netzspezialistin Ingrid Brodnig sprach sich für eine solche Staatsanwaltschaft aus. Die Chance sei hoch, "dass sie dort Juristinnen und Juristen haben, die eine Ahnung von sozialen Medien, auch vom Internet haben, von der Logik und auch technischen Ideen, wie man zum Beispiel herausfindet, wer steckt hinter einer E-Mail, wie komme ich da quasi an die Person heran, die so etwas Strafbares schreibt", sagte Brodnig Ö1.

Die Expertin geht auch davon aus, dass derlei Delikte dann auch ernster genommen würden als bisher: "Es gibt Staatsanwaltschaften, die verfolgen einzelne Fälle super streng, genau. Und dann gibt es andere Fälle, da werden solche Anzeigen sehr schnell eingestellt. Und eine zuständige Staatsanwaltschaft, die nichts anderes macht, da hat man dann womöglich nicht mehr so das Gefühl, es ist wie eine Lotterie, sondern da landet man bei Profis, die sich auskennen und die hoffentlich auch diese Thematik sehr ernst nehmen."

FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst lehnte hingegen eine eigene Staatsanwaltschaft gegen Hass im Netz ab. Ihrer Ansicht nach wäre es wichtiger, mehr Personal in die bestehenden Staatsanwaltschaften zu bringen, anstatt über eine neue Staatsanwaltschaft zu diskutieren. In einer Aussendung verwies sie darauf, dass es für Drohungen oder Beleidigungen eine entsprechende Handhabe im Strafrecht gebe.

  • Unbekannte zerstörte Gedenkstätte

Wie die Gratiszeitung "Heute" berichtete, soll eine unbekannte Frau die Gedenkstätte für Kellermayer vor dem Wiener Stephansdom zerstört haben. Auf einem Video ist zu sehen, wie die Person auf die drapierten Kerzen und Blumen zuläuft und sie wegtritt. Danach sei die Frau unerkannt geflüchtet, wird ein Passant zitiert.

  • Ärztekammer mit Gewaltpräventionsangeboten

Zum Tod der oberösterreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr nach gegen sie gerichteten Drohungen von Impfgegnern hat Ärztekammerpräsident Johannes Steinhart am Samstag darauf hingewiesen, dass Ärztinnen und Ärzten in Wien und deren Mitarbeitern Angebote bei der Bewältigung von Konflikten oder Androhung von Gewalt gemacht werden. Gleichzeitig warnte er, dass "die physische und psychische Belastung der im Gesundheitsbereich Tätigen "an einer kritischen Grenze" sei.

"Aggression und Gewalt von Patientinnen und Patienten oder deren Angehörigen sind schon lange vor Corona in den Ordinationen und Ambulanzen angekommen, wurden aber in der Zeit der Pandemie, angefeuert durch die Impfpflichtdebatte, zusehends verstärkt", betonte der Ärztekammerpräsident.

Ein Kernstück der Angebote der Wiener Ärztekammer zum Umgang mit Aggression und Gewalt ist der dreistufige Workshop "Konfliktmanagement in der Ordination" mit Sicherheitsexpertinnen und -experten. Inhalte sind Prävention, Eskalationen frühzeitig zu erkennen und das Geeignete zu tun, damit Konflikte erst gar nicht entstehen. Steinhart: "Wir zeigen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, wie sich Eskalationssituationen aufbauen, wie sie deeskalierend auf aggressive Personen einwirken können und wie man verbal von einer emotionalen Ebene auf eine sachliche zurückführt." Die nächsten Deeskalationsworkshops finden im Herbst statt und sind. (Jan Michael Marchart, APA, 6.8.2022)