Ein taiwanesischer Kampfjet im Landeanflug.

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Taipeh – China hat seine groß angelegten Manöver um Taiwan am Sonntagmorgen fortgesetzt. Wie Taiwans Verteidigungsministerium berichtete, hätten sich am Sonntag 66 chinesische Militärflugzeuge und 14 Kriegsschiffe an den Übungen beteiligt. Auch wurden wieder chinesische Drohnen über der vorgelagerten taiwanischen Insel Kinmen beobachtet, die nur zehn Kilometer vor der Hafenstadt Xiamen an der chinesischen Küste liegt.

Zudem haben chinesische Kriegsschiffe Insidern zufolge bei ihren Militärübungen am Sonntag erneut die inoffizielle Pufferzone zu Taiwan überschritten. Jeweils etwa zehn Kriegsschiffe kamen einander in der Taiwanstraße nahe, wie eine mit der Angelegenheit vertraute Person der Reuters sagte. Dabei hätten chinesische Militärboote die inoffizielle Grenzlinie in der Mitte der viel befahrenen Schifffahrtsstraße überschritten.

Taiwan: Abwehrraketen in Bereitschaft

Ein Beobachter beschrieb die Manöver als "Katz- und Mausspiel" auf hoher See. "Die eine Seite versucht zu kreuzen, und die andere Seite stellt sich in den Weg." Taiwan erklärte, seine landgestützten Anti-Schiffs-Raketen und seine Patriot Boden-Luft-Raketen seien in Bereitschaft. Auch F-16-Kampfflugzeuge mit modernen Flugabwehrraketen seien unterwegs. Das Verteidigungsministerium veröffentlichte Fotos von Harpoon-Schiffsabwehrwaffen, die auf ein Schiff geladen wurden.

Der Premierminister Taiwans, Su Tseng-chang, sagte am Sonntag, China habe in arroganter Weise militärische Aktionen durchgeführt, um den Frieden und die Stabilität in der Region zu stören. Er forderte China auf, nicht seine militärischen Muskeln spielen zu lassen. Er sagte weiterhin, ausländische Feinde versuchten, die Moral des taiwanesischen Volkes mit Cyberattacken und Desinformationskampagnen zu untergraben.

Pelosi-Besuch erzürnte China

Die chinesische Führung in Peking hatte die Manöver als Reaktion auf den Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, diese Woche in Taipeh gestartet. Die Übungen sollen an diesem Sonntag enden. Es ist die größte militärische Machtdemonstration Chinas gegenüber Taiwan seit Raketenübungen Mitte der 90er Jahre, als die USA zwei Flugzeugträger in die Region um Taiwan entsandt hatten.

Die Visite Pelosis in der demokratischen Inselrepublik war die ranghöchste aus den USA seit einem Vierteljahrhundert. China ist verärgert, weil es Taiwan für sich beansprucht. Es sieht die Insel als Teil der Volksrepublik an, droht mit einer Eroberung und lehnt offiziellen Kontakte anderer Länder vehement ab.

Die Taiwaner verstehen sich aber schon lange als unabhängig. Taiwan ist seit 1949 selbstverwaltet. Damals besiegten die Kommunisten von Mao Zedong im chinesischen Bürgerkrieg die nationalistischen Kuomintang unter Chiang Kai-shek, die sich daraufhin auf die Insel Taiwan zurückzogen und dort jahrzehntelang autoritär herrschten.

Regelmäßige Manöver geplant

Bei den Manövern hat die Volksrepublik am Samstag nach Angaben der taiwanesischen Regierung einen Angriff auf den Inselstaat simuliert. Chinesische Flugzeuge seien am Morgen in der Taiwanstraße im Einsatz gewesen, wie das Verteidigungsministerium in Taipeh mitteilte. Für mehrere Minuten überquerten demnach einige von ihnen die inoffizielle Grenzlinie in der Mitte der viel befahrenen Schifffahrtsstraße. Solche Aktionen werte Taiwans Militär als Teil eines simulierten Angriffs auf die Hauptinsel Taiwan. Chinas Einsatzkommando Ost teilte mit, das Manöver sei wie geplant nördlich, südwestlich und östlich Taiwans fortgesetzt worden. Der Fokus liege darauf, die Angriffsfähigkeiten zu Lande und zur See zu testen.

Die chinesischen Übungen konzentrierten sich auf sechs Orte rund um die Insel, die die Volksrepublik für sich beansprucht. Sie sollten bis Sonntagmittag andauern, wie die offizielle Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Bisher gab Peking nicht bekannt, ob die Übungen beendet wurden. Taipeh sah sich nicht in der Lage zu überprüfen, ob China die Übungen eingestellt habe. Künftig plane China regelmäßige Manöver östlich der Mitte der Straße von Taiwan, berichtete das staatliche chinesische Fernsehen unter Berufung auf einen Berichterstatter. Was genau mit "regelmäßig" gemeint ist, blieb zunächst unklar.

US-Appell zur Verteidigung der Demokratie in der Pazifikregion

Vor dem Hintergrund der chinesischen Militärmanöver in Taiwan und des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine haben die USA die Staaten in der Pazifikregion zur Verteidigung der Demokratie aufgerufen. Es sei "an der Zeit zu entscheiden, ob wir Regierungen wollen, die transparent arbeiten und Rechenschaft gegenüber ihrem Volk ablegen", sagte die stellvertretende US-Außenministerin Wendy Sherman am Sonntag bei einem Besuch auf den Salomonen.

Der Besuch der hochrangigen US-Vertreterin ist Teil einer diplomatischen Offensive der USA, die sich um ihren schwindenden Einfluss in der Region sorgen. Auf den Salomonen ist dieses Risiko für Washington besonders deutlich: Im April war bekannt geworden, dass der Inselstaat und China ein weitreichendes Sicherheitsabkommen unterzeichnet hatten.

Die USA und Australien betrachten seit Langem mit Sorge, dass China einen Marinestützpunkt im Südpazifik errichten könnte. Dieser würde es der chinesischen Marine erlauben, ihre Macht weit über ihre Grenzen hinaus auszudehnen.

Sherman bekräftigte bei ihrem Besuch den Willen Washingtons, die Zusammenarbeit mit den "absolut wichtigen" pazifischen Inselstaaten zu verstärken – unter anderem durch die Eröffnung von US-Botschaften in Tonga, Kiribati und auf den Salomonen. US-Präsident Joe Biden dürfte Staats- und Regierungschefs der Staaten zudem für September zu einem Treffen ins Weiße Haus einladen. (APA, red, 7.8.2022)