Die Entdeckungen im archäologischen Park von Pompeji lassen immer wieder erstaunliche und berührende Einblicke in das Leben der Bevölkerung zu – bevor sie durch den Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 nach Christus ausgelöscht wurde. Asche, Stein und Lava begruben damals die römische Stadt unter sich, die erst im 18. Jahrhundert wiederentdeckt wurde. Noch immer gibt es viel zu enthüllen – zuletzt etwa von Lebensumständen der Sklaven und solchen, die sich aus der Sklaverei befreit hatten und zu Wohlstand gekommen waren.

Das "Larario-Haus" in Pompeji ist mit Graffiti wie diesem Bild eines Mannes mit Hundekopf verziert. Doch nicht in jedem Zimmer konnten sich die Bewohnerinnen und Bewohner solche Dekorationen leisten.
Foto: EPA/Cesare Abbate

Erforschungen eines Gebäudes, das 2018 teilweise ausgegraben wurde, ließen nun vier neue Räume erneut das Licht der Welt erblicken – und zeigen so, wie die Mittelschicht im römischen Pompeji lebte. Das sogenannte "Larario-Haus" wurde benannt nach einem darin befindlichen Kultschrein – dem Lararium. Er diente der Verehrung der Schutzgötter des Hauses, der Laren. Bekannt war bereits der Innenhof, der mit Fresken von Pflanzen, Vögeln und Jagdszenen geschmückt ist und als "verzauberter Garten" beschrieben wurde.

Einer der neu entdeckten Räume – ein Schlafzimmer mit Holztruhe und Tisch – aus der Vogelperspektive.
Foto: Pompeii Archeological Park/Ministry of Cultural Heritage and Activities and Tourism/Reuters

Eingestürzte Decke

Die neu aufgespürten Räumlichkeiten befanden sich einst auf zwei Stockwerken. In der unteren Etage gab es ein Schlafzimmer mit einem relativ einfachem Bett und einer hölzernen Truhe, die offenbar hastig geleert wurde, als die Bewohnerinnen und Bewohner die Flucht ergriffen – daher der offen stehende Deckel. Teile der Decke brachen über der Truhe zusammen.

Auf den Überresten eines antiken Tisches stehen Gefäße aus Keramik und Glas.
Foto: Pompeii Archeological Park/Ministry of Cultural Heritage and Activities and Tourism/Reuters

Daneben stand ein dreibeiniger Tisch, auf dem sich Teller und Ampullen aus Keramik und Glas befinden. Weitere Alltagsgegenstände – Amphoren etwa – wuren am Boden neben dem Tisch gefunden und ebenfalls von den Flüchtenden zurückgelassen.

Einige der entdeckten Amphoren.
Foto: EPA/Cesare Abbate

Der zweite Raum im unteren Geschoss war noch stärker auf Funktionalität fixiert: Nicht einmal die Wände waren verputzt. Es handelt sich um einen Lagerraum, in dem sich unter anderem zusammengebundene Holzbretter für etwaige Reparaturarbeiten befanden. Außerhalb der Kammer stießen die Archäologinnen und Archäologen zudem auf einen etwa zwei Meter hohen hölzernen Schrank mit mindestens vier Türen.

Ein Schrank, in dem Geschirr gelagert wurde, blieb über 2000 Jahre verschlossen. Nun entdeckten Archäologinnen und Archäologen den Inhalt.
Foto: EPA/Cesare Abbate

Der Inhalt des Schranks muss noch aus dem Füllmaterial geborgen werden, doch es zeigte sich bereits, dass kleine Amphoren und Glasteller darin gelagert wurden.

Tafeln und Parfüm

Die Zimmer im oberen Stockwerk hatten durch den Einsturz des Gebäudes einige Gegenstände an die darunterliegende Etage verloren. Die Forschenden konnten einen Gipsabdruck eines besonders interessanten Konglomerats anfertigen: Sieben Wachstafeln wurden mit einer Kordel zusammengebunden. Wahrscheinlich wurden sie mit Keramik- und Bronzeobjekten in einem Regal gelagert.

Hier kann man mehrere miteinander verschmolzene Schrifttafeln erkennen, die mit einem Band zusammengehalten wurden.
Foto: EPA/Cesare Abbate

Einige solcher Bronzeobjekte wurden ebenfalls aufgestöbert. Ein länglicher Krug ist nicht nur am Griff mit einer Gestalt dekoriert, die an eine Sphinx erinnert, sondern auch mit einem Löwenkopf weiter unten.

Detail eines Bronzekruges mit einer Art Sphinx am Griff.
Foto: EPA/Cesare Abbate

Bei einem weiteren speziellen Fund handelt es sich um eine Räucherschale, die wie eine Wiege geformt ist und besonders gut erhalten blieb. Auch hier ist ein Kopf zu erkennen, die Schale wurde in mehreren Farben bemalt.

Ein besonderes Fundstück aus dem Mittelschichtgebäude: eine bemalte Räucherschale, aus der sich einst wohlriechender Parfümduft im Raum verbreitete.
Foto: Parco Archeologico di Pompei/AP

Nicht genug Geld

"Ein großer Teil der Bevölkerung im römischen Reich bestand aus Menschen, die für ihr tägliches Brot schwitzten, aber auch bestrebt waren, ihren sozialen Status zu erhöhen", sagte der Direktor des Parks, der deutsche Archäologe Gabriel Zuchtriegel.

Auf einer gefundenen Bronzemünze ist das Abbild des Kaisers Nero zu erahnen.
Foto: EPA/Cesare Abbate

Dies zeigt sich auch am Beispiel der neu entdeckten kleinen Räume rund um den idyllischen Innenhof. "Die Besitzer des Larario-Hauses in Pompeji waren in der Lage, den Hof mit einem Brunnen mit herausragenden Bildern auszustatten", sagt Zuchtriegel, "hatten aber offensichtlich nicht genug Geld für alle Räume." (sic, APA, 7.8.2022)