Inwieweit kann die Politik erzwingen, dass (teil)staatliche Energieversorger ihre Preise niedrig halten?

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Monatlich rund 60 Euro zusätzlich wird der Strom für eine dreiköpfige Familie bald kosten. Dazu nochmals mehr als hundert Euro zusätzlich für Gas. Im September werden die Wien Energie und niederösterreichische EVN ihre Energiepreise ordentlich erhöhen. Der Grund sind die international enorm gestiegenen Preise für Strom und Gas infolge des Ukraine-Kriegs und der damit einhergehenden Energiekrise.

Aber müssen die Unternehmen so agieren? Oder könnten sie auf politisches Geheiß anders? Immerhin steht die Wien Energie zu hundert Prozent im öffentlichen Eigentum und die EVN größtenteils. Und immerhin, so zumindest die allgemeine Annahme, fahren Energiekonzerne gerade saftige Gewinne ein. DER STANDARD hat mit Juristen und Experten gesprochen, um die Frage zu beantworten.

Übergewinne gibt es nicht bei allen

Vorne weg: Bei genauerem Hinsehen ist die Sache mit den Übergewinnen nicht so einfach, wie es scheint. Längst nicht alle Energiekonzerne schreiben gerade rekordhohe Profite. In ihren Genuss kommen vor allem jene, die billig Strom produzieren – etwa aus Wasserkraft – und diesen danach zu Höchstpreisen verkaufen. In Österreich gilt dies etwa für den teilstaatlichen Stromkonzern Verbund und Versorger wie Tiwag und Vorarlberger Illwerke. Im Westen wird aufgrund der Gebirgslage viel mehr Wasserkraft erzeugt, als die dortigen Kunden und Kundinnen verbrauchen.

Wien Energie und EVN hingegen zählen nicht zu den Glücklichen. Bei der Wien Energie ist der Gewinn im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr um 61 Prozent auf 140 Millionen Euro eingebrochen. Bei der EVN sank das Ergebnis zwischen Oktober und März im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 27,6 Prozent auf 127 Millionen Euro. Der Grund: Diese Unternehmen produzieren selbst nicht genügend erneuerbaren Strom; sie müssen ihn teuer zukaufen, beispielsweise vom Verbund.

Schmerzhafte Preissprünge

Doch trotz schlechterer Aussichten machen Wien Energie und EVN weiterhin Gewinn. Muss der schmerzhafte Preissprung also wirklich sein? Kurze Antwort: Im vollen Umfang können (teil)öffentliche Unternehmen nicht auf den Weltmarkt pfeifen und ihren Kunden einfach weiterhin geringe Preise verrechnen. Dies gilt ganz unabhängig von der Ertragslage, also ob ein Unternehmen gerade Rekordprofite einfährt oder sich die Lage eintrübt.

Es widerspricht etwa Vorgaben im Aktienrecht, die zu einer kaufmännischen Vorgangsweise verpflichten. Vor allem aber würden die Versorger in Konflikt mit dem Wettbewerbsrecht geraten. Institutionen wie Wettbewerbsbehörde und EU-Kommission müssten dann eruieren, ob hier nicht Mitbewerber mit Dumpingpreisen aus dem Markt gedrängt werden. Um das Problem zu illustrieren, mag man sich vorstellen, es herrschten gute Zeiten ohne Preiserhöhungen: In diesen könnten Versorger auch nicht dauerhaft Kampfpreise anbieten, um ihre Marktposition zu stärken. Das wäre als Marktverzerrung unzulässig.

Wahlen in Tirol und im Burgenland

Im Detail betrachtet, gibt es jedoch Spielräume. Unternehmen können etwa die Wahl des Zeitpunkts von Preiserhöhungen frei gestalten. Nicht ohne Grund zieht das Burgenland bei den Erhöhungen von Wien und Niederösterreich nicht mit, sondern stellt sie erst für nächstes Jahr in Aussicht. Branchenkenner begründen das mit der bevorstehenden Gemeinderatswahl im Oktober. Auch Tirol hat die Preise im April nur moderat erhöht, um zirka 14 Prozent. Auch das wird mit der Landtagswahl im September erklärt. Dennoch: Ganz abkoppeln können sich auch diese Bundesländer nicht. Früher oder später, glauben Experten, werden sie nachziehen müssen.

Dass die Versorger Preiserhöhungen irgendwann mitmachen werden, bedeutet aber längst nicht, dass es gar keine Möglichkeiten gibt, die Menschen in Österreich vor Verarmung infolge schwindelerregender Energiepreise zu bewahren. Die türkis-grüne Regierung arbeitet gerade am sogenannten Stromrechnungsdeckel. Ein gewisser Grundverbrauch an Strom soll nicht mehr kosten als vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs; die Kunden bekommen das Geld vom Staat ersetzt.

Stromrechnungsdeckel samt Übergewinnsteuer

Wie ließe sich diese teure Maßnahme finanzieren? Eine Möglichkeit wäre die sogenannte Übergewinnsteuer. Jene Versorger, die enorme Profite verbuchen, müssten jene Summen davon abliefern, die über dem Durchschnitt der letzten Jahre liegen. Im Gegensatz zum Stromdeckel sträubt sich Türkis-Grün jedoch gegen die Übergewinnsteuer.

Das Fazit: Es ist zwar nur eingeschränkt möglich – und wenn, dann geht es nicht dauerhaft –, einzelne Versorger zu zwingen, Erhöhungen nicht mitzutragen. Aber andere politische Möglichkeiten, gegen die Rekordpreise vorzugehen, gibt es allemal. (Joseph Gepp, 8.8.2022)