Mutzen, Gadsen, Fellnasen: Die Palette der Namen, mit denen wir Katzen bedenken, ist lang. Nicht endenwollend sind auch die Liebe und die Begeisterung, die (viele) Menschen für die oft sturen, oft anhänglichen Stubentiger empfinden.
Doch die Vierbeiner, die den Alltag ihrer Besitzerinnen und Besitzer bereichern und zuweilen chaotisch machen, erfreuen sich nicht nur als Haustiere großer Beliebtheit. Immer wieder dienen sie der Forschung als flauschige Studienobjekte. So fördert die Wissenschaft laufend neue Erkenntnisse über die kleinen Raubtiere zutage.
Namensgedächtnis durch Lauschangriff
Mag es im Alltag mit Katzen auch nicht so scheinen, die Stubentiger verstehen die menschliche Kommunikation zumindest in Teilen. Sie können Zeigegesten und Blickhinweise richtig deuten und unterscheiden zwischen menschlichen Gesichtsausdrücken, emotionalen Zuständen und Tonlagen. Auch bestätigte eine Studie 2019, was vielen Katzenbesitzerinnen und -besitzern längst klar war: Die schnurrenden Mitbewohner kennen ihren eigenen Namen.
Doch damit nicht genug, wissen Minka, Miezi und Co außerdem, wie ihnen vertraute Artgenossen heißen. Zu diesem Schluss kam ein Forschungsteam der Azuba-Universität in Japan. Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter vermuten, dass die Samtpfoten auch die Namen ihrer menschlichen Mitbewohnerinnen und Mitbewohner kennen. "Wir mögen annehmen, dass Katzen von zwischenmenschlichen Gesprächen keine Notiz nehmen, tatsächlich scheinen sie uns jedoch häufig zu belauschen", erklärt Studienleiterin Saho Takagi.
Von Einzelgängern und Katzenfreundschaften
Während manche Katzen ihren Artgenossen gegenüber tolerant sind, provoziert bei manch anderen schon der Anblick eines anderen Stubentigers einen gewaltigen Katzenbuckel. Ob die Miezen gesellig sind oder lieber für sich bleiben, liegt einer Studie zufolge am felinen Hormonhaushalt und der Zusammensetzung der Darmflora. Einerseits dulden Katzen mit niedrigen Werten von Testosteron und dem Stresshormon Cortisol eher Artgenossen in ihrer Nähe. Anderseits verbrachten Katzen mit ähnlicher Darmflora mehr Zeit miteinander und zeigten weniger Berührungsängste.
Erstaunlich an der wiederum an der japanischen Azuba-Universität durchgeführten Studie waren die Ergebnisse das Hormon Oxytocin betreffend. Während der auch Kuschel- oder Bindungshormon genannte Botenstoff beim Menschen die Bindung zwischen Individuen stärkt, stellte sich bei Katzen ein konträres Bild dar: Je höher der Oxytocin-Wert lag, desto kontaktscheuer verhielten sie sich.
Bei Tieren, die von Natur aus eher einzelgängerisch sind, könnte das Hormon andere Verhaltensweisen hervorrufen als bei Tieren, die in Rudeln leben und agieren, mutmaßen die Forschenden. Sie plädieren dafür, den Mechanismus in Folgestudien genauer unter die Lupe zu nehmen.
Opportunismus als felines Erbe
Aus DNA-Analysen ist bekannt, dass heutige Hauskatzen von der nordafrikanischen Falbkatze, Felis silvestris lybica, abstammen. Vor rund 6.000 Jahren etablierten sich die Tiere auch in Europa und breiteten sich dort als Hauskatzen aus. Wie das früheste Verhältnis zwischen Katzen und Menschen aussah, analysierte ein internationales Wissenschaftsteam um Magdalena Krajcarz von der Universität Toruń (Polen).
Für ihre Studie untersuchte die Gruppe die fossilen Überreste von sechs Falbkatzen aus Südpolen, die rund 6.200 Jahre alt sind. Sie wiesen genügend intaktes Knochenkollagen auf, um aus den Verhältnissen darin enthaltener Isotope Rückschlüsse auf die Ernährung der Tiere ziehen zu können. Die Analyse lässt darauf schließen, dass sie weniger Mäuse und andere Tiere fraßen, die im Zusammenhang mit menschlicher Landwirtschaft standen. Stattdessen erbeuteten sie ihre Mahlzeiten vermutlich vorrangig in der Wildnis.
Dem Forschungsteam zufolge waren die Katzen der Jungsteinzeit also eher Kulturfolger, die in der Nähe menschlicher Siedlungen schnell Beute fanden, als gut integrierte Haustiere. Der ebenfalls an der Studie beteiligte Hervé Bocherens von der Universität Tübingen dazu: "Wenn es in der freien Wildbahn, welche sie sich mit den heimischen Wildkatzen teilen mussten, kein Fressen gab, durfte es auch gern Nahrung aus menschlicher Nähe sein."
Irgendwie mögen uns Katzen doch
Was für Katzenfans bedrückend sein mag, lässt sich allerdings auch relativieren. So opportunistisch sich die Fellnasen vielfach verhalten, dürften sie ihre Besitzerinnen und Besitzer dennoch mögen. Ein Forschungsteam der Oregon State University um Kristyn Vitale wies empirisch nach, dass Katzen mit ihren Menschen häufig ähnliche emotionale Bindungen eingehen wie Kinder mit Erwachsenen.
"Anhänglichkeit ist ein biologisch relevantes Verhalten. Unsere Studie zeigt, dass die Mehrzahl der Katzen, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einem Menschen leben, ihre Besitzer als Quelle von Wohlbefinden empfinden", sagt Vitale. Die feline Zuneigung wird also nicht alleine dadurch bedingt, dass Besitzerinnen und Besitzer in der Lage sind, Futterdosen zu öffnen.
Warum (viele) Menschen Katzen lieben
Doch weshalb begeistern die eigensinnigen Vierbeiner so viele Menschen und versetzen diese regelmäßig in Verzückung? Die Psychologin Bridget Waller von der Uni Portsmouth und ihr Team könnten darauf eine Antwort gefunden haben. Die Forschenden erprobten, welche Kriterien ausschlaggebend dafür waren, dass Menschen Tierheimkatzen adoptierten.
Während die Gruppe aus vorangegangenen Untersuchungen wusste, dass ein ausgeprägter Dackelblick bei Hunden die Wahrscheinlichkeit, adoptiert zu werden, erhöhte, spielte den Katzen ihr Verhalten in die Pfoten. Schmiegten sich die Katzen im Vorbeigehen oft an bestimmte Gegenstände, fanden sie um 30 Prozent schneller ein neues Zuhause als nicht so verschmust agierenden Artgenossen.
Im Rausch der Katzenminze
Neben ihrem teils ausgeprägten Kuschelverhalten amüsieren Stubentiger auch mit einer besonderen Vorliebe die Menschen: ihrem Verhalten in Kontakt mit Katzenminze. Warum die Fellträger völlig ausflippen und sich wie von Sinnen an der Pflanze reiben oder sich darin wälzen, wurde ebenfalls wissenschaftlich untersucht. Die berauschenden Schlüsselchemikalien in den Pflanzen aktivieren das Opioidsystem von Katzen ähnlich wie Heroin und Morphin bei Menschen.
Die Pflanze enthält eine minzartige Chemikalie namens Nepetalactol. Eine Forschungsgruppe um den Biologe Masao Miyazaki von der Universität Iwate stellte fest, dass der Kontakt mit Katzenminze im Körper der Vierbeiner den Wert von Beta-Endorphinen signifikant erhöhte. Indem die Stoffe das Opioidsystem des Körpers aktivieren, lindern sie Schmerzen und rufen zudem Vergnügen hervor.
Schutz vor Quälgeistern
Dass sich die Stubentiger wie von Sinnen in Katzenminze herumrollen, könnte aber auch einen praktischen Nutzen haben. Denn Nepetalacton vermag auch lästige Insekten fernzuhalten. Durch das Reiben an der Pflanze – oder Teilen davon – gelangt die Chemikalie auf das Katzenfell und wirkt wie ein natürlicher Insektenschutz.
Auf gewisse Weise hat dieses clevere Verhalten also einen doppelten Mehrwert: Während Stubentiger dadurch weniger von stechenden und beißenden Plagegeistern behelligt werden, sichert es auch immer wieder Nachschub für eine katzenbegeisterte Online-Community. Solange die Mietzen derart auf Katzenminze abfahren, werden wir uns auch in Zukunft an lustigen wie berückenden Katzenvideos erfreuen können.
Doch lange bevor die Fellnasen das Internet im Sturm eroberten, breiteten sie sich auf der analogen Welt aus. Von den eisigen Ebenen Sibiriens bis zu den sengenden Steppen Afrikas leben, spielen und schnurren die Miezen. Es folgt hier ein kleiner Streifzug durch die vielgesichtige Welt der Katzen. (Marlene Erhart, Dorian Schiffer, 8.8.22)