Im Gastblog gibt Vermögensberater Bernhard Führer Tipps, worauf Geldanleger achten sollten, um nicht zu scheitern.

Häufig konzentriert man sich auf die falschen Dinge, wenn es darum geht herauszufinden, wie man erfolgreicher werden kann. Menschen in der Wirtschaft oder im Sport verbringen viel Zeit damit, großartige Menschen auf diesen Gebieten zu studieren, aber sie studieren kein Scheitern. Sie analysieren Bill Gates und keine verblassten Unternehmer und Wirtschaftstreibenden. Das Studium negativer Ausgänge kann jedoch genauso nützlich, wenn nicht sogar nützlicher sein als das Studium positiver Resultate.

Wir können diese Idee übernehmen und sie auch auf wirtschaftliche Zusammenhänge und Geldanlage ausdehnen. Anstatt also zu fragen: "Wie sind Anleger erfolgreich?", können wir fragen: "Wie scheitern Anleger und Menschen in finanzieller Hinsicht?" Zu diesem Zweck habe ich eine Liste mit den häufigsten Ursachen für das Scheitern von Geldanlegern zusammengestellt – und Möglichkeiten, wie man sie vermeiden kann.

Lernen vom Scheitern.
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Fehler und Risiken des finanziellen Lebens beachten

Seit mehreren Jahrzehnten lese ich Geschäftsseiten, Finanzbücher und akademische Studien und spreche mit unzähligen Leuten über ihre Finanzen. Dennoch habe ich lange gebraucht, um viele der wichtigsten Geldlektionen des Lebens zu lernen. Tatsächlich habe ich einige wichtige Erkenntnisse erst in den letzten Jahren gewonnen. Hier finden Sie Risiken und Fehler, die ich mir gewünscht hätte, früher zu wissen – wenngleich es ein Risiko an sich ist, feste Regeln für das Geldmanagement aufzustellen, da es für jede Regel fast zwangsläufig Ausnahmen geben wird. Jeder kann sich langsam ruinieren; was wirklich Aufmerksamkeit erregt, ist, wenn es schnell passiert. Hier sind Möglichkeiten, wie man Fehler und Risiken vermeiden kann:

  • Zu viel Hebelwirkung: Viele Gefahren lauern beim Einsatz der Hebelwirkung. Ob wir über den Niedergang von Long Term Capital Management (LTCM) oder eine unglückliche Schwankungsbreite sprechen, zu viel Hebelwirkung ist ein einfacher Weg, um pleitezugehen. Warum kann Hebelwirkung so katastrophal für Ihre Rendite sein? Weil sie alle bestehenden Preisschwankungen nimmt und sie verstärkt. So wird aus einem kleinen Rückgang schnell ein großer Rückgang. Was sollten Sie also tun? Kein Geld leihen und dann anlegen.
  • Einsatz von Derivaten: Das kann beinhalten, Aktien leer zu verkaufen, und bedeutet, unbegrenzte Verlustpotenziale in Kauf zu nehmen. Leerverkäufe sind eines der gefährlichsten Produkte an den Finanz- und Kapitalmärkten. Ähnlich können Optionen das Äquivalent zum Leerverkauf einer Aktie sein, da der potenzielle Verlust enorm ist, wenn die beteiligten Aktien in die Höhe schießen. Eine scheinbar kleine Investition könnte Sie viel mehr kosten, als Sie sich jemals vorgestellt haben.
  • Lebensversicherungen gehören zu den meistverbreiteten Finanzprodukten, obwohl diese strukturelle Fehlkonstruktionen sind. Es handelt sich meist um eine Kombination aus einer Risikolebensversicherung für den Todesfall und einem Anspar- beziehungsweise Investmentprodukt. Dabei wäre eine reine Risikolebensversicherung für den Todesfallschutz preisgünstiger und auch einfacher zu kündigen. Die Kombination erfolgt häufig deswegen, weil man hohe Gebühren und Margen gut verbergen kann. Daraus resultieren unterdurchschnittliche Renditen (zumeist unter der Inflation), Intransparenz und mangelnde Liquidität.
  • Geschlossene Fonds und alternative Investments sind häufig mit Totalverlustrisiko, Liquiditätsrisiko und Streuungsrisiko verbunden. "Sicherungsmechanismen" wie Haftungsdächer, die Anlegerentschädigung oder die Einlagensicherung für ein Verrechnungskonto sind nicht vorhanden.
  • Risiken nicht streuen: Von allen Gründen, aus denen Anleger scheitern, steht übermäßige Konzentration ganz oben auf der Liste. Natürlich verstehe ich, warum Investoren das tun. Wie ein Sprichwort sagt: Konzentration, um reich zu werden, aber Diversifikation, um reich zu bleiben. Ja, Konzentration ist einer der wenigen Wege, um enormen Wohlstand zu erreichen, aber es ist auch einer der wenigen Wege zum absoluten Ruin. Die Geschichte ist gespickt mit Beispielen von Händlern und Geschäftsinhabern, die vom Reichen zum Tellerwäscher wurden, weil sie alle Eier in einem Korb hatten. Die Dotcom-Blase Anfang der 2000er-Jahre zerschmetterte jedoch die Portfolios vieler Anleger. Es dauerte ungefähr 15 Jahre, bis sich Technologieunternehmen erholten. Dies zeigt die Risiken, legt man alle Eier in einen Korb.
  • Alles-oder-nichts-Entscheidungen: Ähnlich wie zu viel Konzentration in Ihrem Portfolio ist das Treffen großer Alles-oder-nichts-Entscheidungen bei der Geldanlage ein Rezept für eine Katastrophe. Ob das bedeutet, während eines Abschwungs an den Finanz- und Kapitalmärkten vollständig auf Spareinlagen zu wechseln oder gänzlich in eine Anlageklasse, deren Preis kürzlich eingebrochen ist, zu investieren: Alles-oder-nichts-Entscheidungen sind normalerweise sehr riskante Schritte. Warum? Selbst wenn Sie bei einem "risikofreien" Vermögenswert wie Spareinlagen vollständig anlegen, erhöhen Sie immer noch Ihr Risiko, es ist nur eine andere Art von Risiko. Denn das Risiko, zu 100 Prozent in Spareinlagen zu sein, besteht nicht darin, dass Sie im nächsten Monat Geld verlieren. Nein, das Risiko besteht vielmehr darin, dass Sie im nächsten Jahr und darüber hinaus Geld verlieren.
  • Investieren Sie stark in Ihren Arbeitgeber: Wenn Sie der Meinung sind, dass die Aktien, Anleihen oder andere Anlageformen Ihres Arbeitgebers eine solide Investition sind, denken Sie über die armen Leute nach, die beim Immobilienbauträger Wienwert oder bei vermeintlich hochkarätigen Unternehmen wie Wirecard gearbeitet haben. Was könnte sicherer sein als ein Versorgungsunternehmen, Bauträger oder Technologieunternehmen? Deren Aktien und Anleihen haben teils 100 Prozent ihres Werts verloren. Mein Rat: Beschränken Sie jede einzelne Aktie auf nicht mehr als drei Prozent des Werts Ihres Aktienportfolios – und das gilt insbesondere, wenn es sich um die Aktien Ihres Arbeitgebers handelt. Ihr Arbeitgeber kann die riskanteste Aktie sein, die Sie besitzen können, da Sie möglicherweise arbeitslos werden und dann eine Handvoll wertloser Aktien und Anleihen halten könnten.
  • Scheidung und Familie: Mein größtes Glück kommt von denen, die mich umgeben. Aber auch meine größten Rechnungen, von denen ich viele nicht erwartet hatte. Möchten Sie große finanzielle Einbußen vermeiden, so müssen Sie im Vorfeld darüber nachdenken, wen Sie heiraten, denn eine Trennung könnte Sie die Hälfte und noch mehr von all Ihrem Eigentum kosten. Ich kenne viele Menschen, die Eigenheim oder Elternhaus und andere Vermögenswerte verloren haben und dies zu den schlimmsten Zeiten ihres Lebens zählen. Es gibt leider noch andere Möglichkeiten, wie die Familie Sie teuer zu stehen kommen kann. Denken Sie daran, der Familie Geld zu leihen, Finanzierungen oder Kredite zu unterzeichnen? Altersvorsorge der Eltern, Pflegeaufwendungen und -kosten sind ebenso wichtige Dinge, die im Vorfeld zu besprechen sind.

Zurück zum Ursprung

Sie haben lange und hart gearbeitet, um Ihren Notgroschen anzuhäufen, und er ist zu einer Größe angewachsen, die nur schwer, wenn nicht gar unmöglich zu ersetzen wäre. Von Markteinbrüchen bis hin zu gerichtlichen Klagen gibt es viele Risiken, die Ihre Ersparnisse bedrohen können. Und so kehre ich zurück zum Ursprung: Studieren Sie nicht Größe, sondern studieren Sie Misserfolg, und arbeiten Sie daran, wie man diesen vermeidet. Für erfolgreiche Geldanlage ist es demnach manchmal gut zu wissen, wie man scheitert. (Bernhard Führer, 10.8.2022)