Kämpft in der kanadischen Wildnis ums Überleben: Melissa Barrera als Liv in "Keep Breathing".

Foto: RICARDO HUBBS/NETFLIX

Gleich vorweg: Das ist eine Ehrenrettung. Denn die Miniserie mit sechs Folgen hat überwiegend miese Kritiken im Netz. Fad, entbehrlich und ein bissl doof, lautet der Tenor. Finde ich eben gar nicht. Ganz im Gegenteil: echt, realistisch, tief. Ein gut gelungener Befreiungskampf.

Die Handlung äußerlich: Liv (Melissa Barrera) will ihre Mutter, von der sie als Kind verlassen wurde, irgendwo in den nördlichen Territorien suchen. Ihr Flug wird gestrichen, also steigt sie bei Drogenschmugglern in eine Cessna, und alle stürzen ab. Sie überlebt. Jetzt beginnt Liv, eine alkoholabhängige, arbeitssüchtige New Yorker Anwältin, in der kanadischen Wildnis um ihr Überleben zu kämpfen. Obwohl: Dass sie leben möchte, ist ja noch immer nicht entschieden.

Natürlich ist sie, allein in der Wildnis, patschert und keine Superheldin, kein Chuck Norris. Sie kann es nicht und stellt sich – städtisch – an. Sie lernt von einer Bärin, welche Beeren genießbar sind. Wir kriegen indes ihre Vergangenheit und die Wurzel ihres Traumas in Rückblenden serviert. Eigentlich eine ganz normal traurige Geschichte von enttäuschten Menschen.

Trailer zu "Keep Breathing".
Netflix

Genau das ist der Punkt. Sie kämpft, filmisch vorgeführt im – scheint’s – niemals überblickbaren kanadischen Wald, gegen ihr lebensbestimmendes Trauma. Sie kann sich keinen Kompass bauen, rennt im Kreis. Die quälende Leitfrage: Bin ich wie meine Mutter? Mal ehrlich, welche Frau hat sich diese Frage noch nicht gestellt? Oder anders gefragt: In wie vielen Beziehungen haben die Partner diese Frage schon als Vorwurf eingebracht?

Eine schöne, lehrreiche und wunderbar normale Parabel. Deswegen gut und empfehlenswert. (Karin Bauer, 9.8.2022)