Rund 5000 Brunnen dürfte es im Seewinkel geben, die zur Bewässerung der Landwirtschaft dienen. Langsam geht aber überall das Wasser aus.

Foto: Guido Gluschitsch

Zwischen dicht aneinandergedrängten Glashäusern und Folientunneln steht die Hitze. In der Simmeringer Haide im elften Wiener Gemeindebezirk, brennt die Sonne auf den Asphalt der schmalen Straßen. Kein Luftzug verirrt sich hierher. Petra Fleischhacker machen die hohen Temperaturen aber nichts aus.

Die Gemüsebäuerin steht in Birkenstock-Sandalen mitten im Zucchinifeld und grinst. Es sei eh schon angenehmer, als es noch zu Mittag war. Trotzdem wartet auch sie auf Regen. Denn bewässern muss Fleischhacker, die den Betrieb in vierter Generation mithilfe ihres Vaters führt, Tomaten und Paprika in den Glashäusern genauso wie Gurken und Melanzani auf den Feldern bis zu drei Stunden täglich.

Sie streift mit dem Fuß über die Erde. Obwohl die Beregnungsanlage Rainstar auch an diesem Tag stundenlang Fontänen über das Feld gesprüht hat, staubt der Boden. Das Wasser für die Bewässerung stammt aus dem hauseigenen Brunnen. Dessen Wasserstand steht aktuell bei vier Metern. Das sei ausreichend. Generell macht sich Fleischhacker auch keine Sorgen über Wassermangel.

Bio-Bäuerin Petra Fleischhacker bewässert ihr Gemüse.
Foto: Julia Beirer

Auffangbecken

Während die Äcker ganzjährig begrünt sind, um den Boden vor Austrocknung zu schützen, passt sie auch die Fruchtfolge stetig an. Die Biobäuerin denkt zudem über ein Auffangbecken nach, sollte das Grundwasser für Radieschen, Salat und Mangold knapp werden. Einige ihrer Kollegen in der Region haben solche bereits.

Wie wichtig derartige Projekte sind, zeigt die Studie Wasserschatz Österreichs. Dieser zufolge konzentrieren sich 90 Prozent der landwirtschaftlichen Bewässerung auf nur neun Regionen im Osten Österreichs. Davon nehmen allein die vier Grundwasserkörper Marchfeld, Seewinkel, Weinviertel und Südliches Wiener Becken – zu dem auch die Gemüsegärten auf der Simmeringer Haide zählen – drei Viertel der bewässerbaren Fläche ein.

Das liegt vor allem an den fruchtbaren Böden in der niederschlagsarmen Ostregion, erklärt Studienautorin Helga Lindinger vom Umweltbundesamt. Anhand verschiedener Klimaprognosen und der Entwicklung der landwirtschaftlichen Flächen hat sie Szenarien für den Wasserbedarf im Jahr 2050 erstellt.

Ihr Fazit: Wenn wir unsere Bewirtschaftung nicht an die Gegebenheiten anpassen, könnte sich der Bewässerungsbedarf in der Ostregion verdoppeln und die verfügbaren Ressourcen übersteigen.

Konzepte erarbeiten

Aktuell seien die Herausforderungen noch zu bewältigen. "Wir haben noch etwas Zeit, um gegenzusteuern", sagt sie, "aber wir müssen jetzt damit anfangen." Schleunigst ein Konzept gegen Wasserknappheit zu erarbeiten empfiehlt auch Franz Sinabell, Agrarökonom beim Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). In Österreich habe es im Frühjahr gerade noch rechtzeitig geregnet.

Die heurige Ernte sei also gerettet. Wie schnell die Situation eskalieren könne, zeige der aktuelle Wassermangel in Norditalien. Hierzulande rät Sinabell Entscheidungsträgern zu "rascherem Tempo". Lösungsansätze gebe es bereits, etwa die wassersparende, wenngleich kostenintensive Tröpfchenbewässerung, Infrastruktur durch Wasserleitungen oder Speicherbecken.

Der Marchfeldkanal

Ein Projekt, das der Wasserknappheit bereits seit den frühen 80er-Jahren entgegenwirkt, ist der Marchfeldkanal. Wolfgang Neudorfer betreut das Projekt von Anfang an. Da im Marchfeld zwischen 50 und 100 Prozent der österreichischen Nachfrage nach Zwiebel, Karotten, Erbsen und Fisolen angebaut würden, sei dementsprechend viel Wasser vonnöten. Denn: "Gemüseanbau ohne Bewässerung ist undenkbar", sagt Neudorfer. Während der kurzen Vegetationszeit brauchen die Pflanzen Wasser.

Um sinkendem Grundwasserspiegel entgegenzuwirken, wurde also Donauwasser im Bereich Langenzersdorf über ein hundert Kilometer langes Netz ins Marchfeld eingeleitet. Die entnommene Menge sei im Vergleich zum Gesamtwasserabfluss so minimal, dass kein Problem für die Donau entstehe, sagt Neudorfer. Die Marchfeldkanalgewässer bringen das Wasser zunächst in die Region, die weitere Verteilung erfolgt über Rohrnetze und eine Grundwasseranreicherung.

Durch den Zusammenschluss zu Wassergenossenschaften können Landwirtinnen und Landwirte das Wasser auf gemeinschaftlicher Basis entnehmen und nutzen.

Wassermangel im Seewinkel

Im burgenländischen Seewinkel wird das Wasser zum Beregnen der Kulturen dem Grundwasser entnommen – und der Grundwasserspiegel sinkt kontinuierlich. Hier hat man schon Grenzwerte definiert, ab deren Erreichen die Bewässerung verboten wird. Hinzu kommt, dass die Salzlacken in diesem Gebiet mit dem Grundwasser korrespondieren. Zuletzt machten der Zicksee und der Neusiedler See Schlagzeilen, weil dort die Fische wegen der Hitze und des Wassermangels sterben.

Ein Problem des Seewinkels ist historisch bedingt. Die einst feuchte Gegend ist von Entwässerungskanälen durchzogen, die Wasser nach Ungarn ableiten. Gleichzeitig ist im Seewinkel aktuell zu wenig Wasser vorhanden, und es werden Kulturen angebaut, die viel Wasser brauchen. "Das ist das Spannungsfeld, in dem wir uns aktuell befinden", sagt Erich Stekovics, einer der wohl bekanntesten Landwirte im Seewinkel.

Landwirt Erich Stekovics bewässert seine Tomaten im Seewinkel nicht.
Foto: Guido Gluschitsch

Verschobene Regenzeiten

Noch einen Punkt erwähnt er: "Die Regenmengen, die vom Himmel kommen, sind ja nicht so viel anders geworden, aber die Zeit, wann sie kommen, hat sich stark verändert." Sind seiner Erfahrung nach früher rund 80 Prozent des Niederschlags in der vegetationslosen Zeit gefallen, kommen diese nun im gleichen Ausmaß in der vegetationsintensiven Zeit – also statt Regen im Herbst und Schnee im Winter regnet es nun vor allem im Frühjahr und Frühsommer.

Dieses Wasser würde direkt von den Pflanzen aufgenommen werden, und "nur mehr ein kleiner Teil davon kann im Grundwasser gespeichert werden". Von dort nimmt man aber das Wasser für die Beregnung der im Seewinkel angebauten Pflanzen, die wie Erdäpfel, Mais und die Saatgutvermehrung sehr wasserintensiv sind. Seine eigenen Paradeiser würde er nicht gießen, sagt Stekovics.

Aber im ganzen Seewinkel Paradeiser anzubauen würde auch nicht gehen, denn "China ist der größte Exporteur von Paradeisern, die dann später für Ketchup und Saucen verwendet werden, und die Anbaufläche dafür in China hat nicht einmal die Größe vom Seewinkel". Man müsste also den Weltmarkt umkrempeln, wollte man in so großem Stil erfolgreich sein.

Lösungsvorschläge

Realisierbare Lösungsvorschläge, die über den Anbau von Kulturen gehen, die wenig Wasser brauchen, hat Erich Stekovics aber auch. Wie etwa die Ableitung von Wasser aus dem Seewinkel nach Ungarn zu beenden. "Über der Grenze kennen sie das Problem mit dem Wassermangel nicht", sagt er. Oder Wasser einsparen, wo es sinnvoll wäre, etwa beim Wein, der oft mit einer Tröpfchenbewässerung versorgt wird.

"Traditionell hat es nie eine Bewässerung von Weingärten gegeben. Eine Pflanze, die 15 bis 30 Meter in die Tiefe geht", während mineralische Weine gerade sehr angesagt sind, "zu tröpfeln, damit Früchte da sind, die dann im Qualitätsbereich wieder ausgeschnitten werden", findet er überdenkenswert.

Eine Zuleitung von Wasser aus der Moson-Donau in Ungarn ins Grundwasser in den Seewinkel würde er aber begrüßen und sogar dafür mitzahlen. Gefragt sei nun aber die Politik. Wir hätten noch ein paar Jahre Zeit, aber "wenn nichts passiert, ist die Landwirtschaft tot und das Grundwasser weg". (Julia Beirer, Guido Gluschitsch, 9.8.2022)