Meister der Nuance, Pianist Grigory Sokolov.

Foto: Anna Flegontova

Eine Konstante gibt es im Klavieruniversum wie auch in Salzburg: den russischen Pianisten Grigory Sokolov. Den Solitär, jenen Tastenphilosophen, der heute so makellos spielt wie gestern, wie vor einem Jahr oder wie vor zehn Jahren. Das ist staunens- und bewundernswert, dämmt aber doch auch die Neugier vor seinen Auftritten. Es ist ja doch immer ähnlich, nämlich vollendet, schön, statuarisch bei aller stupenden Virtuosität und Brillanz. Auch Verspieler gibt es bei Sokolov keine. Auf dem Programm im Großen Festspielhaus standen auch die acht Nummern aus Schumanns Kreisleriana, die mehr die stürmischen Gefühle des Komponisten gegenüber seiner Verlobten ausdrücken als die inneren Zerrissenheiten von E. T. A. Hoffmanns Kapellmeister Johannes Kreisler.

Zurückhaltende Angriffigkeit

Sokolov spielte bei aller Angriffigkeit reflektiert und zurückhaltend, die verschiedenen Gefühlsebenen fein voneinander abhebend. Die lyrischen Nummern zwei, vier und sechs in Dur standen zu den bockigen, wilden, rastlosen Nummern in Moll in reizvollem Kontrast. Sokolov bleibt im Gehabe auch Sokolov: also der unnahbare Meister mit seinem beinah schon roboterhaften Auf- und Abgängen ohne Blick ins Publikum. Auch bleibt er der Virtuose der beständig beinah gleichförmig strahlenden und perlenden Töne, der auch Beethovens Eroica-Variationen spielte.

Sie basieren auf einem Thema aus der Ballettmusik Die Geschöpfe des Prometheus. Dasselbe Thema verwendet Beethoven auch in einem seiner Contretänze, in besagten Klavier-Variationen und – dann erst – im Finale der Eroica. Die Assoziationen könnten also durchaus eher in Richtung des Schöpferischen denn Kriegerischen gehen. Grigory Sokolov spielt auch diesen Zyklus aber wie aus einem Guss. Abgründe, gar vorschöpferisches Chaos auszumalen ist Sokolovs Sache nicht. Umso bewegender waren manche Momente in Johannes Brahms’ Intermezzi, die von einer feinen Verhaltenheit zart überschleiert waren. (klaba, 8.8.2022)