Teurer Strom und kein Ende in Sicht. Dabei werden vielen Haushalten höhere Rechnungen erst noch zugestellt.

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Die Menschen stöhnen unter der Last hoher Energiepreise. Ob Öl, Gas, Pellets oder anderes verfeuerbares Material: Die Preiskurven weisen allesamt nach oben. Bei den Strom- und Gaspreisen kommt für viele Konsumenten das dicke Ende aber erst. Regierungsseitig wird versucht, die schlimmsten Auswirkungen durch Transferzahlungen zu dämpfen. Als Gegenfinanzierung wird auch eine Steuer auf Zufallsgewinne diskutiert.

Frage: Wer hat so eine Steuer ins Spiel gebracht, und wer müsste sie abführen?

Antwort: In Österreich hat Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) im Mai erstmals öffentlich über eine Steuer auf Zufalls- oder Übergewinne nachgedacht. Adressaten waren insbesondere Verbund und OMV, die aufgrund der immens gestiegenen Preise für Öl, Gas und Strom Gewinne in noch nie gesehener Höhe schreiben. Selbigen Tags noch brachen die Aktienkurse von Verbund und OMV, an denen die Republik mit 51 respektive 31,5 Prozent beteiligt ist, stark ein.

Frage: Kommt die Steuer, oder kommt sie nicht?

Antwort: Die ÖVP ist vonseiten des Kapitalmarkts ob dieser Ideen stark unter Beschuss geraten und hat sich davon distanziert, auch wenn zuletzt Uno-Generalsekretär António Guterres eine Abschöpfung exzessiver Profite und die Zweckwidmung der Einnahmen zur Unterstützung der verwundbarsten Menschen verlangt hat. Forderungen nach einer Übergewinnsteuer gibt es in Österreich speziell von der SPÖ, der Gewerkschaft und der FPÖ. Sympathisanten finden sich auch in den Reihen der Grünen. Völlig vom Tisch ist eine Übergewinnsteuer nicht, eine Abschöpfung der überproportionalen Gewinne über die Ausschüttung einer Sonderdividende scheint aber wahrscheinlicher.

Frage: Warum sind die Energiepreise so in die Höhe geschossen?

Antwort: Das hängt, vereinfacht gesagt, mit der Konjunkturerholung nach dem Corona-Schock zusammen und wurde durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nochmals befeuert.

Frage: Welche Rolle spielt Russland?

Antwort: Russland war und ist nach wie vor der wichtigste Energielieferant Europas. Als Reaktion auf den völkerrechtswidrigen Überfall haben die EU-27 diverse Sanktionspakete gegen Russland geschnürt. Davon betroffen sind unter anderem Rohöl und diverse Derivate wie Diesel, von dem bisher substanziell viel nach Europa importiert wurde.

Frage: Gas ist ausgenommen von den Sanktionen, dennoch ist der Preis in lichte Höhen gestiegen.

Antwort: Diverse Länder in der EU sind extrem abhängig von russischem Gas. Österreich etwa bezieht rund 80 Prozent aus Gasfeldern in Westsibirien. Erst bis Jahresende dürfte die Abhängigkeit auf 60 Prozent oder etwas weniger sinken, wenn zusätzliches Pipelinegas aus Norwegen oder verflüssigtes Erdgas (LNG) aus anderen Regionen bei uns ankommt. Der Preisanstieg reflektiert auch ein hohes Maß an Unsicherheit am Markt, insbesondere was die Versorgungssicherheit im Winter betrifft. Über die Hauptroute – die Ostseepipeline Nord Stream 1 – kommen derzeit nur 20 Prozent der möglichen Menge an Gas. Als Grund führt Moskau die Sanktionen an, von denen auch eine benötigte Siemens-Turbine betroffen sei. In der EU spricht man einmal mehr von einem Beleg dafür, dass Moskau Gas als Waffe einsetzt.

Zwölf Meter lang und an die 20 Tonnen schwer ist die Turbine, die von Siemens Energy in Kanada gewartet wurde nun in Mühlheim/Ruhr zur Auslieferung an Gazprom bereitsteht. Sie soll den Druck in der Ostseepipeline Nord Stream 1 heben.
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Frage: Bei Gas ist die Preissteigerung noch irgendwie erklärbar, aber bei Strom? Österreich produziert doch zu einem Großteil Strom mittels Wasserkraft, Wind und Sonne?

Antwort: Korrekt, mehr als 70 Prozent des Inlandsbedarfs wird mit erneuerbaren Energien gedeckt. Davon profitiert im Moment aber nur, wer den Strom in kleinerem Umfang selbst herstellt und verbraucht. Die Preisfindung im Großhandel erfolgt nach der sogenannten Merit-Order: Das letzte Kraftwerk, das zur Deckung des Tagesbedarfs ans Netz genommen werden muss, bestimmt den Preis aller anderen. Das ist meist ein Gaskraftwerk, weil dieses ohne lange Vorlaufzeit ans Netz genommen und wieder abgestellt werden kann. Der hohe Gaspreis schlägt sich somit auch in den Strom-Großhandelspreisen nieder.

Frage: Ist das Befolgen der Merit-Order zwingend notwendig?

Antwort: Nein. Die Merit-Order ist kein Gesetz, nur ein Mechanismus, wie auf einem stark Standardisierten Markt wie bei elektrischer Energie Angebot und Nachfrage am effizientesten in Einklang gebracht werden können. Niemand wird Strom billiger anbieten, wenn er anderswo mehr erlösen kann. Auf einem integrierten Strommarkt wie in Europa muss jederzeit überall gleich viel Angebot wie Nachfrage sein, andernfalls bricht das Netz zusammen.

Frage: Wird Strom jemals wieder so billig wie Anfang 2016 mit rund 20 Euro je Megawattstunde?

Antwort: Vieles spricht dagegen. Preisspitzen von rund 400 Euro je Megawattstunde, wie wir sie zuletzt gesehen haben, dürften mit dem zügigen Ausbau erneuerbarer Energien zwar der Vergangenheit angehören; andererseits nimmt die Nachfrage nach Strom in den kommenden Jahren gewaltig zu – man denke nur an E-Mobilität und Heizen. Die Zeit der Billigenergie scheint vorbei zu sein.

Frage: Was macht die Regierung im Hinblick auf den nahenden Winter?

Antwort: Sie versucht, die Bevölkerung zu entlasten, wobei Details noch diskutiert werden – Stichwort Stromrechnungsbremse. Außerdem versucht sie, die Gasspeicher bis Herbst möglichst voll zu kriegen und holt auch weitere Experten an Bord. Ab sofort berät der frühere E-Control-Chef Walter Boltz das Energieministerium. (Günther Strobl, 9.8.2022)