Die Nachricht von der Razzia im Privatanwesen von Ex-Präsident Donald Trump hat die Politszene in den USA wie ein Donnerschlag getroffen. "Eine große Gruppe von FBI-Agenten" habe seine Residenz Mar-a-Lago im Bundesstaat Florida "besetzt", so etwas gebe es doch nur in "kaputten Dritte-Welt-Ländern", schrieb Trump zornig auf seinem Nachrichtenfeed Truth Social – er selbst befand sich zum Zeitpunkt der Durchsuchung Berichten zufolge allerdings in nördlicheren Gefilden, konkret in New Jersey.

Der abgewählte Staatschef ortet indes einen neuen "Watergate"-Skandal und spielt damit auf die folgenreiche Affäre 1972 an, bei der Gefolgsleute des später zurückgetretenen republikanischen Präsidenten in das Hauptquartier der Demokraten einzubrechen versuchten. Anders als damals handelt es sich bei der Razzia allerdings tatsächlich um eine Aktion des FBI, die von einem unabhängigen Richter angeordnet wurde.

DER STANDARD | AFP/J.Vogler

Auch wenn bis dato wenig Handfestes über die Razzia bekannt ist, fest steht, dass eine derart heikle Polizeiaktion – zuständig dafür ist das Justizministerium unter dem, was Ermittlungen gegen Trump betrifft, bisher sehr vorsichtigen Merrick Garland – wohl nur von höchsten Stellen angeordnet werden konnte. Das Weiße Haus hingegen soll selbst erst über Twitter von der Durchsuchung erfahren haben.

Worum geht es?

Die Frage aller Fragen ist, ob die Razzia in Mar-a-Lago einer Anklage gegen Trump Vorschub leistet. Das Justizministerium ermittelt derzeit in zwei Angelegenheiten: Einerseits geht es um Trumps Rolle beim Aufstand am 6. Jänner 2021, bei dem ein rechtsextremer Mob das Kapitol gestürmt und versucht hatte, die Bestätigung von Joe Bidens Wahlsieg durch den Kongress zu verhindern, anderseits um Trumps mutmaßlichen Missbrauch geheimer Dokumente. Letzteres steht nun im Fokus der Berichterstattung: Was genau haben die FBI-Leute in Trumps Wohnhaus gefunden? Viel ist dazu nicht bekannt. CNN zufolge soll Trump Dokumente mit nach Mar-a-Lago genommen haben, die mutmaßlich als Verschlusssache gekennzeichnete Informationen zur nationalen Sicherheit enthielten.

Mar-a-Lago wurde von der Polizei abgeriegelt.
Foto: Giorgio VIERA / AFP

Mehrere Kisten sollen bei der Razzia in Sicherheit gebracht worden sein. Trump wurde zuvor vorgeworfen, er habe Akten und Dokumente aus seiner Zeit im Weißen Haus zurückgehalten und sogar die Toilette hinuntergespült. Trump wies das zurück. Am Montag waren schließlich Fotos aufgetaucht, die das belegen sollen.

Könnte dies ein Wiederantreten Trumps verhindern?

Grundsätzlich hindert eine Verurteilung wegen einer ganzen Reihe von Verbrechen rechtlich eine Person nicht an seinem oder ihrem Antreten bei US-Präsidentschaftswahlen. In Abschnitt 2071 des US-Bundesrechts wird die Zerstörung oder Fälschung von Regierungsdokumenten als Verbrechen klassifiziert. Eine der Strafen, die auf dieses spezielle Verhalten jedoch stehen, ist neben einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren auch ein Amtsverbot.

Ob das, was in Mar-a-Lago möglicherweise gefunden wurde, dafür reicht, ist aktuell nicht abzuschätzen. Ein Blick in die jüngste Zeitgeschichte verdeutlicht aber, wie heikel die Sache werden könnte: 2016 wollten die Republikaner ein Antreten der Demokratin Hillary Clinton verhindern, weil sie in ihrer Zeit als Außenministerin unter Barack Obama dienstliche E-Mails von ihrer privaten Mailadresse aus geschrieben hatte. Ob eine – bisher ohnehin nur theoretisch denkbare – juristische Verurteilung Trumps dafür ausreicht, ihn von einem Wiederantritt bei der Wahl 2024 abzuhalten, ist unter Fachleuten umstritten.

Vermutlich, so heißt es, wäre dafür auch eine Entscheidung des Senats nötig, die Trump dann beim Supreme Court anfechten könnte. Und dort, so weiß man spätestens seit den umstrittenen Entscheidungen über das Abtreibungsrecht, ist man dem Rechtsaußen durchaus gewogen.

Donald Trump nutzte sein Privatanwesen auch für politische Arbeit.
Foto: Mandel NGAN / AFP)

Wie reagieren Trumps Parteifreunde?

Der Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, versprach schnellstmögliche Aufklärung der Angelegenheit, sobald seine Partei – wie von ihm erhofft – nach den Zwischenwahlen im Herbst wieder die Mehrheit in der Kammer innehat. Ein Abgeordneter in Florida, wo die Razzia bekanntlich stattfand, reagierte noch unwirscher auf die Nachricht: Man solle, so Anthony Sabatini, alle FBI-Agenten festnehmen, die an der Razzia beteiligt waren. Überhaupt fürchtet man aufseiten vieler Demokraten schon jetzt die Vendetta der düpierten Trump-Anhängerinnen und -Anhänger: Die Durchsuchung von Mar-a-Lago könnte den Republikanern als Anlass dienen, ihrerseits gegen prominente Gegner vorzugehen, sobald sie wieder an der Macht sind. (flon, 9.8.2022)