"Leiwandes Licht!" Der Schlussmann des kleinen Gruppettos war schon fast außer Hörweite, als ich überriss, was er gemeint hatte: An seinem Heck leuchtete es rot. Und als er – von hinten kommend – auf mein bei Greifenstein an ein Verkehrsschild gelehntes Rad zugerollt war, hatte er wohl gesehen, dass das rote Licht an meinem Rad zu blinken begonnen hatte. Und schneller geworden war, je näher er kam.

Blinkende Rücklichter gibt es viele. Doch dieses ist speziell: Der Kollege hatte meines erkannt, weil er es selbst verwendet.

"Ja, leiwandes Licht!", rief ich ihm nach. Einer aus der Gruppe drehte sich kurz um: "Nie mehr ohne!", kam über seine Schulter. "Das Radar ist echt der Hammer."

Foto: Tom Rottenberg

Ich sehe das auch so. Obwohl ich mir anfangs auch die "Wozu?"-Frage gestellt habe: Gegen einen Autofahrer, der mich von hinten abschießt oder glaubt, 15 Zentimeter Seitenabstand seien beim Überholen mit einer Geschwindigkeitsdifferenz von 70 und mehr km/h ausreichend, schützt mich nämlich auch der sich auf dem Radcomputerdisplay von hinten nähernde Punkt im roten Balken nicht. Und Schulterblick und nach hinten gerichtete Ohren will und kann es auch nicht ersetzen.

Noch dazu habe ich vor etlichen Jahren eines der ersten Rad-Radarsysteme getestet – und das war reichlich unverlässlich.

Wozu also?

Aber schon nach zehn Minuten mit dem Varia RCT 715 wusste ich: Nie mehr ohne – und noch bevor das Testgerät zurück an den Hersteller ging, kaufte ich mir das Teil. Allerdings in der kleineren Version.

Foto: Tom Rottenberg

Eigentlich hätte an dieser Stelle ja ein Uhrenvergleich kommen sollen. Weil sich da im Normalobereich ein bisserl was getan hat – und ich diesmal ein paar Mitläuferinnen und Mitläufer zum Testen eingespannt habe: Menschen, die zwar sehr viel laufen, aber teils mit Uhren aus der (gefühlt) Zeit des Vierteltelefons unterwegs sind. Was sie über neue Wecker sagen, ist vermutlich spannender als die x-te Insight-in-Hightech-Details-Pimperei, die sogar Auskennern oft nur auffallen, wenn man sie drauf hinweist.

Da meine Oldschool-Buddies gerne auch noch ein bisserl länger probieren und gustieren, bleibe ich heute also bei Radausrüstung.

Foto: Tom Rottenberg

Die Frage nach dem Equipment rund ums Rad kommt nämlich regelmäßig. Und ähnlich wie bei den Laufuhren gilt auch bei den Radcomputern: Schlechtes Material wird man bei namhaften Herstellern nicht finden – es zahlt sich aber aus, vorher zu überlegen, wozu man das Ding eigentlich braucht: Wer nur Tempo, Puls und Co wissen will, kommt mit Kleinstgeräten aus. Kompatibel mit externen Sensoren (z. B. Watt, Puls, Trittfrequenz) sind die Geräte längst meist über Herstellergrenzen hinweg.

Wer auch navigiert, sollte aber über Displaygrößen nachdenken. Ob und wie Steigungen angezeigt oder Wegabweichungen neu berechnet werden. Ob das Ding dann nur blinkt und piept – oder auch spricht. Und wer lange Touren macht, sollte eventuell an Akkulaufzeiten oder Ladeoptionen denken.

Foto: Tom Rottenberg

Wer läuft oder sonst etwas sportlich trackt, sollte vorher überlegen, in welchem "Universum" die Daten versammelt sein sollen: "Strava" und "Komoot" sind zwar nette Sammelorte – aber die Komplettverknüpfung mit und Auswertung von z. B. Gewichts- oder Schlaf- und anderen Werten oder Trainingsplanungstools verankert fast jeden und jede irgendwann im Marken-Garten eines einzigen Herstellers. No na, haben Polar, Garmin, Suunto, Wahoo & Co doch wenig Interesse daran, dass man mal was anderes ausprobiert. Der Blick über den Tellerrand lohnt sich aber dann doch immer wieder.

Bei mir sind deshalb derzeit zwei Garmins (mein eigener Edge 830, zum Testen der Edge 1040) und ein Wahoo Element Bolt im Einsatz: Alle können alles und mehr, als ich brauche. Wahoo ist die "angesagte" Brand – der ebenso kleine 830er aber aus meinem "Universum". Trotzdem überlege ich gerade, mir den 1040er dazu zu kaufen.

Foto: Tom Rottenberg

Wieso? Garmin-Marketingmenschen schmunzeln und nicken wissend – irren in meinem Fall aber: Natürlich ist es fein, wenn ein Radcomputer sich über das Solarpanel-Glas beim Fahren von selbst zu einem großen Teil selbst mit Energie versorgen kann: Erst gestern erzählte mir ein Freund, dass seinem coolen, kleinen Edge auf einer Sieben-Stunden-Tour der Saft ausging ... Blöd, wenn man da irgendwo im Nirgendwo steht.

Bei großen Geräten sind aber nicht nur die Akkus (mit oder ohne Solarpaneel) größer, sondern auch die Bildschirme. Nur ist im normalen Radbetrieb groß für mich meistens zu groß, denn beim Navigieren sind auch große Kartendisplays – etwa mit Sonnenbrille, wechselnden Lichtverhältnissen und bei höherem Tempo – da oft schwer lesbar.

Foto: Tom Rottenberg

Aber der 1040er kann sprechen. Eh fein. Bei Fahrtwind ist das aber meist unverständlich. Woran die Hersteller – zumindest in ihrer Kommunikation – nicht dachten: Ist ein Radcomputer mit dem Handy verbunden und das wiederum mit Bluetooth-Kopfhörern, sind Spiegelungen, Kontrast, Wasser auf dem Gerät oder Kleinteiligkeit der Karte egal. Die Navigationsansagen des Radcomputers kommen jetzt gut verständlich direkt ans Ohr.

"Ans"? Nicht "ins" Ohr? Ja: Auf dem Rad stöpsle ich mir die Ohren grundsätzlich nicht zu, sondern verwende Boneconduction-Kopfhörer (aktuell den Shokz Open Run Pro) – habe also die Ohren frei. Musik am Rad gibt es bei mir allerhöchstens auf dem Donauradweg, aber sicher nicht im Straßenverkehr – Navigations- oder Trainingsprogrammansagen sind aber was anderes. Und praktisch.

Foto: Tom Rottenberg

Doch zurück zum Radar. Vor 1.000 Jahren habe ich eines der ersten Geräte ausprobiert – und nie wieder angeworfen. "Unausgereift, unverlässlich, unpraktisch und unausgegoren" (so wurde etwa der Scanner quer am Sattelrohr montiert, man streifte immer wieder an), befand ich damals.

Aber die Welt dreht sich weiter. Als Garmin im Frühjahr ein Radar mit nach hinten gerichteter Dashcam – das RCT 715 – avisierte, klang das doch spannend.

Nur: Wozu die Dashcam? Wenn es, dachte ich, schon wenig bis nichts bringt, vorab zu sehen, ob man gleich über den Haufen gefahren wird. Was nutzt es mir da, zu wissen, ob der Kühlergrill oder der Fahrer beim Aufprall breiter grinsten? Egal, ob ich überlebe – oder eventuell als Wasauchimmer wiedergeboren werden sollte.

Foto: Tom Rottenberg

Natürlich könnten wir jetzt auch über rechtliche Aspekte diskutieren: Wer darf wann was fotografieren? Wer was wie lange speichern? Wer wen wann unter welchen Voraussetzungen öffentlich wem zeigen?

Ganz ehrlich? Das lasse ich hier heute einfach aus. Aus einem ganz einfachen Grund: Interessanter ist der Unterschied im Verhalten von Autofahrern, je nachdem, wie man auf ihre Annäherung von hinten reagiert.

Das ist zwar lediglich Privatempirie von einer Handvoll Fahrten – aber die Ergebnisse waren immer gleich. Sie decken sich auch mit dem, was viele andere Radfahrende (egal ob auf dem Renn- oder sonst einem Rad) auch schon bemerkt haben – aber eben selten dokumentieren.

Foto: Tom Rottenberg

Vorher aber vielleicht noch etwas Grundsätzliches zu Rad-Radargeräten: Sie erfassen – je nach Modell und Hersteller unterschiedlich früh – sich von hinten nähernde Objekte. Bei den Varia-Modellen (es gibt ja auch andere Hersteller) liegt dieser Wert zwischen 120 und 140 Metern. Kommt ein Fahrzeug in diesen Bereich, poppt am Computer (oder aber am Handy, auf dem die App aktiv ist) ein zunächst grüner Balken auf. In dem wird das Fahrzeug als sich nähernder Punkt gezeigt, irgendwann wechselt der Balken dann auf Rot.

Das Gerät zeigt aber auch oft Fahrzeuge auf parallel führenden Straßen oder Querverkehr beim Abbiegen (kurz) an: besser einmal zu oft als umgekehrt. Auf Freilandstraßen ist das super – im Stadtverkehr aber natürlich sinnlos.

Foto: Tom Rottenberg

Die meisten Rad-Radare (falls es diesen Plural gibt) sind gleichzeitig auch Rücklichter. (Ja, auch bei Tag halte ich das für sinnvoll.) Nähert sich ein Fahrzeug, wechselt das Dauerlicht auf Blink-Modus: je näher, desto schneller.

Geräte mit integrierter Kamera filmen entweder ständig – oder ab dem Moment, in dem ein Fahrzeug in den Radarbereich kommt. Ton inklusive. Ist der Bereich leer, stoppt die Aufzeichnung – außer die Crash-Sensoren sprechen an. Dann wird fix gespeichert – ansonsten wird Bildmaterial überschrieben, sobald die Karte voll ist. Ich habe eine große Speicherkarte eingelegt.

Foto: Tom Rottenberg

Was die Bilder rasch dokumentierten: Das Gros der Autofahrer überholt vernünftig, vorsichtig und rücksichtsvoll. An die erinnert man sich aber nicht.

Man merkt sich immer nur die Wahnsinnigen. Die Drängler, die Huper – und die, die lieber auf Tuchfühlung als nur eine Sekunde vom Gas gehen.

Kommt so ein Irrer von hinten, ist es absolut egal, wie man sich am Rad verhält – solche Menschen reagieren vermutlich nur auf Anzeigen anhand von Bildmaterial. Nur: Ich will und werde hier keine Rechtsdiskussion führen.

Foto: https://www.instagram.com/ruven.shepard/

Aber auch die "Vernünftigen" reagieren darauf, wie der Radfahrer fährt: Weiche ich – weil ich ja so nett bin und sehe, dass da wer kommt – ganz nach rechts aus, zieht jeder schnurgerade an mir vorbei. Egal wie knapp, egal wie schnell (das hier im Bild ist eine Tempo-30-Zone). Egal ob da Gegenverkehr kommt.

Für den nötigen Seitenabstand, empfindet der Fahrer oder die Fahrerin (ohne jede böse Absicht), hat der nette Radfahrer ja soeben selbst gesorgt. Auch, wenn der da nicht einmal 30 Zentimeter beträgt.

Foto: Tom Rottenberg

Halte ich meine Spur (ich fahre grundsätzlich so weit mittig, dass ich nicht gedoort werden kann, plus Sicherheitsreserve), weichen die meisten Autler aber aus. Nicht immer auf mindestens 1,50 m Seitenabstand – aber doch eindeutig. Ach, da ist Gegenverkehr oder nur eine Spur? Bisher ist am Nichtüberholen eines Fahrrades noch kein Autolenker gestorben. Weder in der Stadt noch im Freiland. Umgekehrt gibt es aber jedes Jahre etliche Fälle.

Was aber Wunder wirkt: ein kurzer, klitzekleiner, kaum spürbarer und die Fahrspur nicht wirklich verändernder Linkswackler, sobald ein Auto sich nähert.

Wunderbarerweise wird dann nicht nur bis zum Überholen nicht auf Tuchfühlung aufgefahren, sondern dann auch mit mindestens dem vorgeschriebenen Sicherheitsabstand und gesetztem Blinker überholt.

Foto: Tom Rottenberg

Ganz abgesehen davon (ein Gefühl, das ich nicht belegen kann) reagieren Autofahrer auch auf den Blink-Rhythmus bei Annäherung.

In Deutschland ist hinten blinken nicht StVO-konform. Tatsächlich erzählen deutsche Radar-User aber stets, dass Polizisten genau dieses Blinken nicht nur vernünftig finden, sondern auch fragen, wo es die Geräte zu kaufen gibt: Man säße zivil ja oft selbst auf dem Rad.

Das Teil mit Kamera ist ihnen – so wie mir – privat meist zu teuer und klobig. Die kameralose Version, die ich mir auch selbst kaufte, aber "mehr als eine Überlegung" wert.

Dienstlich, (das hörte ich gerade in Wien von einem befreundeten Beamten) wäre das systematische Aufzeichnen mit "Rückwärts-Cam" – losgelöst von DSGVO-Fragen – "natürlich super sinnvoll. Wir hätten halt verdammt viele Anzeigen zu schreiben. Nur: Anders kriegt man das Dränglerproblem wohl nicht in den Griff."

Foto: https://www.instagram.com/ruven.shepard/

Zu guter Letzt: Auch im Zusammenspiel mit anderen Radfahrerinnen und Radfahrern schätze ich das Radar mittlerweile.

Weil ich die wirklich Schnellen bei meinem gemütlichen Dahincruisen oft nicht höre. So aber "sehe" ich sie früh – und bin nicht nur nicht überrascht, wenn sie an mir vorbeifliegen, sondern habe meist lange davor Platz gemacht.

Und manchmal, immer öfter, kommt dann auch ein freundlicher Zuruf: "Leiwandes Licht!" etwa.

Und wenn ich es dann wissen will und versuche aufzuschließen, beginnt fast immer das Heck vor mir rot zu blinken.


Anmerkung im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Alle als Testgeräte beschriebenen Tools wurden für den Testzeitraum zur Verfügung gestellt und dann zurückgeschickt – oder gekauft.


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