Im Geschrei von Babys befinden sich Hinweise darauf, ob sie Schmerzen empfinden.

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Bevor Babys sprechen lernen, müssen sie sich mit Schreien behelfen. Ein Schrei kann jedoch vieles ausdrücken, von Schmerzen bis Müdigkeit und Hunger zu schlichtem Unwohlsein. Babygeschrei ist nicht gleich Babygeschrei. Ohne ein ausgebildetes Vokabular, übermitteln Babys mittels unterschiedlicher Laute, wie es ihnen geht. Das Geschrei mag für Außenstehende nicht mehr bedeuten als Lärm. Doch darin sind überlebenswichtige Informationen enthalten. Für Eltern ist es daher wichtig zu wissen, was der Sprössling kommunizieren will.

Verspürt das Baby große Schmerzen oder handelt es sich eher nur um ein leichtes Unbehagen? Forschende haben im Rahmen einer Studie im Journal "Current Biology" herausgefunden, dass Eltern, die selbst Babys haben, den Zustand der Kleinen anhand ihres Weinens oder Geschreis bestimmen können. Auch bei fremden Kindern konnten die jungen Eltern raushören, ob diese Schmerzen empfinden. Menschen können laut der Studie besser erkennen, ob ein Baby Schmerzen verspürt, wenn sie selbst Erfahrung mit Babys hatten.

Impfung oder unangenehmes Bad

Die Forschenden der University of Saint-Etienne ließen für die Studie mehr als 200 Probandinnen und Probanden mit unterschiedlich viel Baby-Erfahrung acht Aufnahmen anhören. Bei einem Teil der Aufnahmen kam das Geschrei nach einer schmerzhaften Impfung, beim anderen durch ein Bad, das für die Babys unbehaglich war. Dabei haben die Forschenden herausgefunden, dass der Erfahrungsstand der Testpersonen damit zusammenhängt, ob diese einschätzen können, wann das Weinen von Schmerzen wann es von Unbehagen herrührte.

Am besten schnitten Eltern von Babys bis zu zwei Jahren ab. Diejenigen mit älteren Kindern und professionelle Betreuungspersonen konnten den Schmerz im Weinen besser heraushören als diejenigen, die nur gelegentlichen Kontakt zu Babys hatten. Bei ihnen unbekannten Babys urteilten die Eltern von älteren Kindern und Betreuungspersonen wiederum öfter falsch als Eltern mit Nachwuchs im Alter von bis zu zwei Jahren. Am schlechtesten waren die Ergebnisse derer, die gar keinen Kontakt zu Babys pflegten. Ihre Vorhersagen waren nicht besser, als wenn der Zufall bestimmt hätte.

Keine angeborene Fähigkeit

Der Grund dafür ist, dass das Babygeschrei universelle Merkmale hat, die Hinweise auf den Zustand des Nachwuchs liefern. So sind Schmerzensschreie länger und lauter und umspannen mehrere Tonhöhen. Sie klingen auch rauer. Die Fähigkeit, solche feinen Unterschiede rauzuhören, ist dem Menschen laut Studie nicht angeboren. Das Interpretieren würden Eltern erst innerhalb der ersten Monate nach der Geburt erlernen. Regelmäßigem Weinen ausgesetzt zu sein erweitert die akustischen und kognitiven Fähigkeiten und hilft beim Dolmetschen.

Doch die Studienleiterin Siloé Corvin weist im britischen "Guardian" darauf hin, dass die Fähigkeit nicht nur Eltern vorbehalten ist. Alle, die regelmäßig mit Babygeschrei konfrontiert sind, könnten diese erlernen. Das eigene Gehör könne man auch mithilfe von Aufnahmen trainieren, sagt Corvin.

Universale Babysprache

Gleich wie bei der Kommunikation von Babys an ihre Eltern gibt es auch andersrum universelle Merkmale. Eine Studie vom Juli, die im Journal "Nature Human Behaviour" erschienen ist, zeigt, dass auch Erwachsene im Gespräch mit Babys im globalen Vergleich ähnlich klingen. Mithilfe von Aufnahmen von 410 Eltern auf sechs Kontinenten in 18 Sprachen suchten Forschende nach Allgemeinheiten in deren Babysprache, in der Wissenschaft auch Parentese genannt.

Für die Studie untersuchten mehr als 40 Forschende Eltern in einem breiten kulturellen Spektrum, von Landbewohnern in Tansania bis hin zu Städtern in Peking. Demnach ändern Eltern ungeachtet ihrer Herkunft bei Babys die Stimme, sprechen höher und wechseln häufiger die Stimmlage. Zudem klinge die Stimme gegenüber Babys, wenig überraschend, sanfter. Die Parentese hat laut der Studie eine wichtige Funktion, damit Babys das Sprechen erlernen. Diese hilft aber auch dabei, sie zu beruhigen, und kann interpretationsbedürftiges Geschrei sogar verhindern. (Isadora Wallnöfer, 15.8.2022)