Der iranische Vizeaußenminister Reza Najafi in Wien.

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Diesmal versah die EU ihre "Koordination" mit einem guten Schuss Autorität. Am Text für einen wiederbelebten Atomdeal mit dem Iran, den EU-Koordinator Enrique Mora den Delegationen zukommen lassen wird, seien keine Änderungen mehr möglich. Hinter jeder technischen Frage stehe eine politische Entscheidung, ließ EU-Außenbeauftragter Josep Borrell wissen. Und die müsse nun in den "Hauptstädten" gefällt werden. Eine offizielle Deadline gibt es nicht, EU-Diplomaten sprachen am Montag von einer Frist von "sehr, sehr wenigen Wochen". Man habe "ad nauseam", bis zur Übelkeit, verhandelt, einmal müsse Schluss sein.

Die Zustimmung muss von allen Verhandlern offiziell kommen, das sind außer den USA und Iran – um deren Entscheidung es vor allem geht – Großbritannien, Frankreich und Deutschland sowie Russland und China. Die beiden Letzteren waren immer große Anhänger des 2015 in Wien abgeschlossenen sogenannten JCPOA, Joint Comprehensive Plan of Action, der das iranische Urananreicherungsprogramm unter strikten Beschränkungen und Kontrollen hält und dafür die im Zug des Atomstreits verhängten Wirtschaftssanktionen gegen den Iran aufhebt.

Russischer Querschuss

Aber seit dem russischen Überfall auf die Ukraine hat Moskau schon einmal quergeschossen und plötzlich Forderungen für sich selbst gestellt. Wenn sich Teheran mit dem Deal einverstanden erklärt, wird ihn wohl Moskau jedoch auch nicht zu Fall bringen, auch wenn das den Nachteil – für Russland – mit sich bringt, dass sich durch den iranischen Wiedereintritt der Ölpreis etwas entspannen könnte.

Laut den USA, deren Austritt unter Präsident Donald Trump ab 2018 den JCPOA in eine Krise mit immer größeren iranischen Verletzungen geführt hat, könne der Deal "schnell abgeschlossen" werden. Die ersten iranischen Äußerungen am Montag dazu waren eher reserviert. Man werde der EU "zusätzliche Ansichten" zukommen lassen.

Offenbar direkte Gespräche

Wie der EU-Text die zuletzt großen Brocken bei den Verhandlungen konkret löst, ist nicht bekannt. Die Frage nach dem Status der iranischen Revolutionsgarden (IRGC), die Trump 2019 auf die Liste der Foreign Terrorist Organisations (FTO) setzen ließ, soll offenbar in direkten Gesprächen zwischen den USA und Iran behandelt werden. Bisher haben die beiden Delegationen in Wien ja nur indirekt verhandelt. Wer auf der FTO-Liste steht, ist mit schweren Sanktionen belegt – und die IRGC sind eine große Wirtschaftsmacht im Iran.

Auch außerhalb des JCPOA-Textes bleibt noch ein gewichtiger möglicher Spoiler: Teheran nannte vor der letzten Runde – die offiziell gar keine war, sondern die Fortsetzung der Gespräche von März – als Bedingung für einen Deal, dass die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) die "offenen Fragen" fallenlässt, die sie zu nicht geklärten Uranfunden im Iran hat. Antworten, die Teheran im März lieferte, wurden von der IAEA für unzureichend oder nicht konsistent erklärt.

Kein "Schwamm drüber"

Eine kritische Resolution des IAEA-Gouverneursrats beantwortete der Iran damit, dass er Überwachungskameras der IAEA ausschaltete. Ein "Schwamm drüber" wird es nicht geben – aber vielleicht wieder eine politische Formel, die dem Iran eine neue Chance gibt, sich zu erklären. Es handelt sich um ein vermutetes Atomwaffenprogramm, das allerdings laut US-Geheimdiensten vor 2003 eingestellt wurde.

Bis zu einem Durchbruch ist es also noch ein langer Weg. US-Delegationsleiter Robert Malley hatte in einer früheren Phase auch gesagt, dass es für im Iran festgehaltene US-iranische Doppelstaatsbürger eine Lösung geben müsse. Viele andere Staaten – unter anderem Österreich mit Kamran Ghaderi und Massud Mossaheb – haben Personen, die unter abstrusen Vorwürfen im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran eingesperrt sind. Am Dienstag wurde bekannt, dass die französische Wissenschafterin Fariba Adelkhah für fünf Tage auf Kaution entlassen wird – was kaum als Durchbruch bezeichnet werden könnte. (Gudrun Harrer, 9.8.2022)