Nach dem Militäreinsatz kam es zu Ausschreitungen in Nablus.

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Den israelischen Streitkräften gelang am Dienstag in Nablus im Westjordanland ein Schlag gegen drei gesuchte palästinensische Terroristen. Bei dem längeren Schusswechsel rund um das Haus des prominenten palästinensischen Militanten Ibrahim Al-Nabulsi wurden nach palästinensischen Angaben 44 Personen verletzt, viele schwer. Vier Personen befanden sich in kritischem Zustand, hieß es.

Der Einsatz droht in der brüchigen Waffenruhe eine neue Eskalation auszulösen, wenn auch diesmal nicht im Gazastreifen, sondern im Westjordanland. In verschiedenen Orten im Westjordanland kam es im Laufe des Dienstags zu gewaltsamen Zusammenstößen.

Welche Strahlkraft Nabulsi für viele Palästinenser hatte, zeigte sich bereits beim Begräbnis wenige Stunden nach der Tötung. Tausende Menschen strömten in Nablus auf die Straßen, um dem 26-jährigen Nabulsi das letzte Geleit zu geben. Seine Mutter war eine der Sargträgerinnen, in einer Rede vor der Menge pries sie den Sohn als starken Märtyrer und Widerstandskämpfer, dem noch viele nachfolgen würden.

Monatelange Flucht

Seit Monaten hatte Israel versucht, des Terroristen habhaft zu werden, bislang vergeblich. Neben ihm kamen auch zwei weitere Terroristen zu Tode. Die drei Palästinenser, einer davon war erst 16 Jahre alt, werden von Israel dem militärischen Arm der im Westjordanland dominanten Fatah-Bewegung zugerechnet, den Al-Aqsa-Märtyrerbrigaden.

In den vergangenen Monaten hatte die israelische Armee mehrmals versucht, Nabulsi festzunehmen. Jedes Mal gab es Tote, doch Nabulsi gelang die Flucht. An Begräbniszügen anderer Terroristen pflegte er mit Sturmgewehr, aber ohne Maske teilzunehmen. Dass sich ein gesuchter Terrorist derart ungeniert öffentlich zeigt, wurde von vielen als mutiger Akt des Widerstands gesehen.

Waffenarsenal entdeckt

Israel schreibt Nabulsi eine Reihe von Schussattacken auf Israelis zu. In seinem Haus fanden die Streitkräfte laut Angaben des Inlandsgeheimdienstes größere Mengen an Waffen und Sprengstoffen.

Dass zwischen dem Ende der Kampfhandlungen im Gazastreifen und dem Militäreinsatz in Nablus nur wenig mehr als 24 Stunden vergingen, könnte eine erneute Eskalation auslösen. Mehrere politische Führungsfiguren in den Palästinensergebieten drohten mit einer neuen Welle der Gewalt und machten Israel dafür verantwortlich. Ein Sprecher von Präsident Mahmud Abbas erklärte, Israel gehe eine "totale Konfrontation mit dem palästinensischen Volk" ein.

"Ohne Kollateralschäden"

Israels Premierminister Jair Lapid bezeichnete den Einsatz als "weiteren Schritt in unserem kompromisslosen Kampf gegen den Terrorismus". Die Operation, die im Zusammenwirken von Militär, Geheimdienst und Polizei abgewickelt wurde, war laut Lapid eine "gezielte Aktion mit großem Erfolg" und "ohne Kollateralschäden".

Wenige Stunden später bestätigten palästinensische Behörden den Tod eines 17-Jährigen bei Zusammenstößen in Hebron. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 9.8.2022)