FPÖ-Chef Herbert Kickl und sein Generalsekretär Michael Schnedlitz üben heftige Kritik an den Medien im Umgang mit Hans-Jörg Jenewein.

Immer dann, wenn sich die FPÖ in einer schwierigen Lage befindet, innerhalb der Partei Bruchlinien zutage treten oder Konflikte aufbrechen, macht sich quer durch die Partei ein Muster bemerkbar: beharrliches Schweigen nach außen, klare Worte gibt es maximal hinter vorgehaltener Hand. Öffentlich ausgerückt wird maximal zu einer saftigen Medienschelte.

An diesem freiheitlichen Drehbuch orientiert man sich nun auch im Umgang mit der Causa Jenewein. Wie berichtet, rumort es in der Partei gewaltig, seit in der Vorwoche bekannt wurde, dass Hans-Jörg Jenewein, einstiger Nationalratsabgeordneter und bis zuletzt ein enger Vertrauensmann von Parteichef Herbert Kickl, seine Wiener FPÖ-Kollegen anonym angezeigt und ihnen den Missbrauch von Fördermitteln in Millionenhöhe vorgeworfen haben soll. Nach seiner Suspendierung und seinem Austritt aus der Partei hatte er am Wochenende einen Suizidversuch unternommen.

Medienschelte geht weiter

Der Fall spielt natürlich auch in den Präsidentschaftswahlkampf der FPÖ hinein. Deren Kandidat Walter Rosenkranz skizzierte am Dienstag und damit einen Tag später als geplant in einer Pressekonferenz seinen "Weg zur Bundespräsidentschaft" – und kam dort auch nicht umhin, sich auf Nachfrage zu den aktuellen Vorfällen rund um Jenewein zu äußern. Rosenkranz unternahm dabei den Versuch, die Angelegenheit von sich fernzuhalten: "Ich werde mich für meinen Präsidentschaftswahlkampf nicht in die innerparteilichen Dinge derartig einmischen." Die Causa werde seinen Wahlkampf nicht beeinflussen, zeigt er sich optimistisch. Das persönliche Schicksal Jeneweins liege ihm "am Herzen".

Generalsekretär Michael Schnedlitz, der neben ihm Platz genommen hatte, nützte die Gelegenheit für abermalige Kritik an der Berichterstattung der vergangenen Tage: "Dass es hier Streitigkeiten oder Zerwürfnisse innerhalb der FPÖ gibt, ist nicht der Fall." Tags zuvor rückten bereits beinahe alle Landeschefs zu einer Medienschelte aus, auch Kickl identifizierte in einer Videobotschaft die Medien als Schuldige – und er legte am Dienstag nach, indem er in einem offenen Brief an Krone -Journalisten in den Raum stellte, dass die Landespolizeidirektion Niederösterreich, das ÖVP-geführte Innenministerium sowie das Umfeld von Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner eine Rolle bei der Weitergabe von Informationen zum Suizidversuch Jeneweins gespielt haben könnten – was diese allesamt vehement bestreiten.

Wiener FPÖ überrascht

Beinahe zeitgleich zum Auftritt von Rosenkranz fand sich am Dienstag das Präsidium der Wiener FPÖ im Wiener Rathaus zusammen, um die Causa Jenewein zu besprechen. Öffentlich schweigt Dominik Nepp, Landeschef der Wiener Blauen und scharfer Kickl-Kritiker, seit Tagen eisern. In einer nach dem Präsidium versendeten Aussendung stellte sich die Wiener FPÖ überraschend hinter ihren Parteichef und sprach von "Wunschdenken", dass Kickl in die Erstellung der Anzeige involviert gewesen sein könnte. Man habe bei der Sitzung die "aktuellen Anwürfe" besprochen und intern "eingehend juristisch geprüft". Diese seien "völlig haltlos und längst widerlegt". Man sei auch "zur Überzeugung gekommen, dass eine Verbindung zwischen der Erstellung der Anzeige und FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl ausgeschlossen werden kann".

Intern dürften ranghohe Freiheitliche sehr wohl nach Aufklärung rufen. Mehrere Parteigranden wollen in allen Details wissen, was passiert ist. Die große Frage, die sich ihnen stellt: War Kickl entgegen gegenteiligen Aussagen doch in die Aktion mit der anonymen Anzeige gegen Personen aus der Wiener FPÖ involviert? Den Ruf danach hat auch Schnedlitz vernommen, der nun auf der Suche nach einem Termin ist, an dem alle Zeit haben. Eine solche Sitzung sei vor dem Parteitag am 17. September ohnehin geplant, heißt es. Diese Woche werde sich das Präsidium jedenfalls zu keiner Sitzung mehr zusammenfinden.

Die Frage, die sich im blauen Universum außerdem viele stellen: Wurden weitere Zufallsfunde auf den von Jenewein beschlagnahmten Geräten gefunden, die an die Öffentlichkeit gelangen könnten? Das wird sich erst weisen. (Sandra Schieder, 9.8.2022)