Normalerweise ist es in dieser Jahreszeit eher ruhig am South Ocean Boulevard von West Palm Beach, Florida. Und auch der Besitzer des Anwesens mit der Hausnummer 1100 lässt sich hier im Sommer nur selten blicken. Erst im Herbst erwacht die palmengesäumte Residenz zu vollem Leben. Dann hält der Hausherr Hof im goldenen "Donald J. Trump Ballroom".

Anhänger von Donald Trump leisteten auf ihre Art moralischen Beistand für den ehemaligen US-Präsidenten, dessen Anwesen in Florida in der Nacht auf Dienstag von der US-Bundespolizei FBI durchsucht worden war.
Foto: EPA/CRISTOBAL HERRERA-ULASHKEVICH

Die Polizeibeamten, die am Montagabend (Ortszeit) um Einlass in das Anwesen baten, kamen mit einem Durchsuchungsbeschluss. "Mein wunderschönes Zuhause, Mar-a-Lago in Palm Beach, Florida, wird derzeit von einer großen Gruppe von FBI-Agenten belagert, durchsucht und besetzt", machte Donald Trump selbst den Vorfall bekannt. Der Ex-Präsident hielt sich zu diesem Zeitpunkt in New York auf und wurde von Sohn Eric über den ungebetenen Besuch in der Winterresidenz informiert. "Sie haben selbst meinen Safe aufgebrochen!", beklagte sich Trump auf seiner Propagandaplattform Truth Social.

Bei Freund und Feind des Ex-Präsidenten schlug die Nachricht wie eine Bombe ein. Sofort änderten die US-Kabelkanäle ihr Programm. Angestachelt von Trump, der die Razzia eine "Attacke der linksradikalen Demokraten" nannte, die seine erneute Kandidatur für das Weiße Haus verhindern wollten, baute sich rasch ein rechter Sturm der Empörung auf. Trumps ehemaliger Chefideologe Steve Bannon sah die "Gestapo" am Werk. Noch am Abend versammelten sich Trump-Fans auf der Straße vor Mar-a-Lago.

Keine Vorab-Info, kein Kommentar

Die offiziellen Reaktionen auf der anderen Seite des politischen Spektrums fielen deutlich verhaltener aus. Man habe keine Kenntnis von der Durchsuchung gehabt, betont das Weiße Haus. Das dem FBI vorgesetzte Washingtoner Justizministerium lehnte jeglichen Kommentar ab. Doch hinter vorgehaltener Hand schlagen bei vielen Demokraten nun auch die Emotionen hoch. Seit Jahren schon ermitteln die Behörden in diversen Angelegenheiten gegen Trump. Der Untersuchungsausschuss des Kongresses hat gerade die Beteiligung des Ex-Präsidenten am versuchten Kapitolsputsch vom 6. Jänner 2021 dargelegt. Doch bisher zögert Justizminister Merrick Garland mit der Eröffnung eines Verfahrens. Das könnte sich nun ändern.

Ein Durchsuchungsbeschluss muss keineswegs auf ein bevorstehendes Strafverfahren hindeuten; allerdings wird er nicht ohne hinreichenden Verdacht erteilt. Auch muss das Dokument von einem Bundesrichter genehmigt worden sein. Angesichts der politischen Implikationen ist es im konkreten Fall schwer vorstellbar, dass die Aktion ohne vorheriges Wissen der FBI-Spitze durchgeführt wurde. Es muss also gute Gründe geben. Doch bisher ist nicht einmal bekannt, was genau das FBI in Mar-a-Lago gesucht hat.

Nach Medienberichten steht die Razzia in Zusammenhang mit dem Verschwinden von Papieren aus dem Weißen Haus nach dem Amtswechsel im Jänner 2021. Monate später hat das für die Aufbewahrung präsidialer Korrespondenz zuständige Nationalarchiv bemängelt, dass ihm Unterlagen aus Trumps Präsidentenzeit fehlten.

Im konkreten Fall geht es wohl um 15 Kisten mit Regierungsdokumenten, Erinnerungsstücken, Geschenken und Briefen, die Trump einfach mit nach Mar-a-Lago genommen hat. In der Sammlung sollen sich auch die "Liebesbriefe" des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un befinden. Das Nationalarchiv hat die Kartons inzwischen zurückholen lassen. Parallel wurde jedoch eine Untersuchung eingeleitet, ob sich unter den Papieren auch Geheimdokumente und Verschlusssachen befunden haben.

Krude Verschwörungsmythen

Nach solchen vertraulichen Unterlagen könnte nun auch das FBI gesucht haben. Die Archiv-Vorschriften gelten als zahnlos. Doch das Strafrecht ist wesentlich schärfer, wenn es um die Vernichtung von Regierungsdokumenten geht. Darauf stehen bis zu drei Jahre Haft. Außerdem wird ein Verurteilter von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen.

Die wilden Verschwörungsmythen des Trump-Lagers stehen in auffälligem Kontrast zu den Fakten. So wurde FBI-Direktor Christopher Wray nicht etwa von Präsident Joe Biden eingesetzt; vielmehr ist der Yale-Absolvent 2017 von Trump persönlich berufen worden, weil ihm der Vorgänger James Comey nicht treu genug ergeben war. Auch ist Justizminister Garland alles andere als ein politischer Hitzkopf. Offenbar hält er die Beweise bisher nicht für unerschütterlich genug, um ein Debakel wie nach den beiden Impeachment-Verfahren auszuschließen.

Dienstagabend sogte schließlich eine weitere Nachricht für Ärger beim Ex-Präsidenten: Ein Berufungsgericht des Hauptstadtdistrikts Washington, D.C. entschied nämlich, dass Trump bestimmte Steuerunterlagen an einen Ausschuss des US-Kongresses herausgeben muss. Der Ex-Präsident wehrt sich seit Jahren gegen die Übermittlung und wird wohl Berufung einlegen.

Dass die Razzia in Mar-a-Lago Trump schadet, ist keineswegs ausgemacht. Paradoxerweise könnte sie ihn im Plan einer erneuten Kandidatur 2024 bestärken. Das Amt würde vor Strafverfolgung schützen. Derweil formuliert Trumps ergebenster Propagandist, Ex-Botschafter Richard Grenell, schon einmal einen Wahlkampfslogan: "Trump 2024. Er ist stärker denn je." (Karl Doemens aus Washington, 10.8.2022)