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Der Fall Emmett Till zählt zu den grausamsten und furchtbarsten der jüngeren US-Geschichte.

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Carolyn Bryant Donham bei der Verhandlung gegen ihren Mann Roy Bryant 1955.

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Emmett Tills Mutter, Mamie Till Mobley, trauert bei der Beerdigung ihres Sohnes am offenen Sarg.

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Jackson/Washington – Mehr als 65 Jahre nach einem erschütternden Lynchmord an einem 14-jährigen Schwarzen im US-Südstaat Mississippi hat eine Grand Jury es abgelehnt, die Frau anzuklagen, deren Vorwürfe zu dem Verbrechen geführt hatten. Die Staatsanwaltschaft des Landkreises Leflore County erklärte am Dienstag, das Laienrichtergremium sei nach einer siebenstündigen Anhörung zu dem Schluss gekommen, dass die Beweise für eine Anklage gegen Carolyn Bryant Donham nicht ausreichend seien.

Vorwurf der Entführung und des Totschlags

Damit ist es nahezu ausgeschlossen, dass die heute 88-Jährige jemals wegen des Lynchmords an Emmett Till im Jahr 1955 juristisch belangt wird. Im Raum stand der Vorwurf der Entführung und des Totschlags.

Till, ein Teenager aus Chicago, war bei einem Verwandtenbesuch in Mississippi, als Carolyn Bryant Donham – eine Weiße – ihm vorwarf, ihr im Geschäft ihres Ehemanns hinterhergepfiffen und sie berührt zu haben. Drei Tage später wurde Till von dem Ehemann der damals 21-Jährigen, Roy Bryant, und dessen Halbbruder J. W. Milam aus dem Haus seines Onkels verschleppt.

Weitere drei Tage danach wurde Tills grausam zugerichtete Leiche in einem Fluss gefunden: Ein Auge war ausgestochen, der Kopf gespalten, um den Hals befand sich ein mit Stacheldraht befestigtes Gewicht.

Mörder auf freiem Fuß

Bryant und Milam wurden nach nur fünftägigem Prozess von einer rein weißen Jury freigesprochen. Nur vier Monate nach dem Freispruch gestanden die beiden Männer in einem Interview die Tat. Beide blieben in Freiheit – da sie nach US-Recht für das selbe Verbrechen nicht zweimal angeklagt werden können. Sie sind inzwischen verstorben. Ebenso wie viele andere Zeuginnen und Akteure von damals.

Reverend Wheeler Parker Jr., Cousin und bester Freund von Emmett, ist einer der letzten lebenden Zeugen der Entführung. In einem Statement beschrieb er die Entscheidung der Jury als "bedauernswerte aber vorhersehbare Neuigkeiten". Für ihn hätten die Ermittler dennoch ihr Versprechen eingelöst, dass sie "keinen Stein auf dem anderen lassen, um für Gerechtigkeit für meinen Cousin zu kämpfen", zitierte ihn die New York Times. Der Staatsanwalt habe sein Bestes gegeben aber er allein könne nicht die jahrhundertealten rassistischen Systeme ändern, die dafür gesorgt haben, dass jene, die Till getötet haben bis heute ungestraft geblieben sind.

Nicht vollstreckter Haftbefehl entdeckt

Gegen Carolyn Bryant Donham gab es wiederholt Ermittlungen. Die Bundespolizei FBI untersuchte den Fall zwischen 2004 und 2007, es gab aber – entgegen der wiederholten Bekundungen der Opferfamilie – keine Anklage gegen sie. 2017 versicherte ein Buchautor dann, Bryant Donham habe ihm gegenüber eingeräumt, dass ihre früheren Vorwürfe gegen Till falsch gewesen seien. Die Ermittlungen endeten im Dezember 2021 ebenfalls ohne Anklage.

Im vergangenen Juni wurde schließlich im Keller des Gerichtsgebäudes des Landkreises Leflore County ein Haftbefehl gegen die Frau aus dem Jahr 1955 entdeckt, der nie vollstreckt worden war. Das führte zu neuen Ermittlungen, die nun ihr Ende fanden. Den Medien offenbarte sich Carolyn Bryant Donham nicht.

Der Mord an Till zählt zu den berüchtigtsten Verbrechen aus der Epoche der Rassentrennung und fachte die Bewegung für die Bürgerrechte der Schwarzen in den Südstaaten an. Tills Mutter hatte darauf beharrt, dass ihr toter Sohn in einem offenen Sarg aufgebahrt wird, damit die Brutalität des Mordes publik wird. Im vergangenen März unterzeichnete Präsident Joe Biden ein nach Till benanntes Gesetz, das Lynchmorde und versuchte Lynchmorde als Hassverbrechen einstuft. (red, APA, 10.8.2022)