Die Verantwortlichen seien damals unter großem Zeit- und Entscheidungsdruck gestanden, sagt Magnus Brunner, der zur Zeit der Cofag-Gründung noch nicht Finanzminister war.

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Wien – Der Rechnungshof (RH) übt in einem Rohbericht scharfe Kritik an der Corona-Hilfsagentur Cofag. "Koste es, was es wolle, um österreichische Arbeitsplätze zu erhalten", sagte der damalige Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz. Nun wird vom Rechnungshof unter anderem eine mögliche Überförderung gesehen. 17 Milliarden Euro an Hilfen und Garantien hat die Cofag bis Ende Juli ausgezahlt oder gewährt. Die ÖVP rückte am Mittwoch zur Verteidigung aus. Von einem Experten kam indes neue Kritik.

Der Rechnungshof kritisiert laut Medienberichten an der Cofag nicht nur deren rasche Gründung, ohne dass Alternativen ausreichend geprüft worden seien. Auch stehen hohe Beraterkosten von 21 Millionen Euro auf der Liste der Prüfer – die oft ohne ausreichende Dokumentation an Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer gezahlt wurden. Diese sehen auch wenig bis gar keine Einbindung von eigentlich zuständigen Beamten und einen teuren Aufsichtsrat mit möglichen Interessenkonflikten beim Hilfsvehikel. Auch die Entlohnung des vorübergehenden ÖVP-nahen Geschäftsführers Bernhard Perner wird vom Rechnungshof kritisch hinterfragt. Dazu kommt auch Rechnungshof-Kritik an der Abwicklung der "Zuschussinstrumente", etwa daran, dass das Ministerium den Zuschussbedarf an die Branchenzugehörigkeit geknüpft habe und Kosten bevorschusst habe, die nicht oder kaum angefallen sind.

Kritik eines Verwaltungsrechtsprofessors

Peter Bußjäger, Verwaltungsrechtsprofessor an der Uni Innsbruck, wollte die Entscheidung zur Cofag-Gründung im Ö1-"Mittagsjournal" am Mittwoch "nicht von vornherein als schlecht beurteilen". Aber: "Es geht letztlich auch um die Rahmenbedingungen, und was wir hier gehört haben – angefangen von Mehrfachbezügen des Geschäftsführers bis hin zu der Gefahr von Überförderungen (laut Rechnungshof vor allem beim Umsatzersatz, Anm.) in sehr hohem Ausmaß –: Das alles darf trotzdem in dieser Form nicht stattfinden", sparte er insgesamt nicht mit Kritik.

Es wäre zu prüfen gewesen, ob es Alternativen zur Cofag gegeben hätte, so Bußjäger. Das geschah laut Rechnungshof nicht, wäre laut Bußjäger aber "auch in kurzer Zeit möglich" gewesen. "Wenn das nicht geschehen ist, ist das ein Mangel." Und weiter: "Es ist ganz typisch, dass an der Verwaltung vorbei eine politische Entscheidung umgesetzt wurde", so Bußjäger. Dabei sei offenbar nicht auf die Expertise der eigenen Fachabteilungen gesetzt, sondern teure externe Expertise zugekauft worden.

Finanzministerium verteidigt sich

"Wir greifen selbstverständlich die Kritik auf und haben bereits Empfehlungen umgesetzt. Zum Beispiel wurden Hilfen bereits adaptiert ", sagte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) im Gespräch mit der APA am Mittwoch. "Aber es war damals notwendig, schnell zu reagieren, um die Liquidität der Unternehmen zu sichern und hunderttausende Jobs zu retten", so Brunner. Rückblickend sei es natürlich einfacher, Dinge anders zu beurteilen. Die Verantwortlichen seien damals unter großem Zeit- und Entscheidungsdruck gestanden. Und man sei dabei mit vielen Dingen zum ersten Mal konfrontiert gewesen. "Auf der grünen Wiese etwas Neues zu schaffen verursacht höhere Kosten natürlich." Die externen Berater seien notwendig gewesen, aber deren Vergütung sei durchaus branchenüblich gewesen, sagte Brunner, der damals noch nicht Finanzminister war. Dieses Amt hatte zur Zeit der Cofag-Gründung Gernot Blümel (ÖVP) inne.

Bei den Hilfen geht es "um Steuergelder", erinnerte Bußjäger im Radio, "und man kann meines Erachtens nicht einfach einer ganzen Branche oder einem Unternehmen, nur weil es einer bestimmten Branche angehört, ohne Plausibilitätskontrolle Förderungen zukommen lassen. Das geht so nicht." Die tatsächlichen Umsatzentgänge durch Lockdowns und Co müssten "doch irgendwie nachvollziehbar dokumentiert werden, und nur dann kann eine Förderung erfolgen".

Mögliche Gehaltsrückforderungen gehören "geprüft"

Da es um Steuergeld gehe, gehöre auch die Mehrfachbezahlung des ehemaligen Geschäftsführers, also des ÖVP-nahen Bernhard Perner, auf Rückzahlungen "zumindest geprüft", so Bußjäger. "Wenn man sich die Höhe ansieht und betrachtet, dass der Geschäftsführer offenbar ein Einkommen von drei verschiedenen Institutionen bezogen hat, dann fragt man sich schon, wie das alles gerechtfertigt sein kann. Dann wäre auf jeden Fall zu prüfen, ob hier Rückforderungen rechtlich möglich sind."

Auf die Frage, wie etwaige Überförderungen wieder gutzumachen seien, sagte Bußjäger im Ö1-"Mittagsjournal": "Das ist jetzt im Augenblick auch schwer abzuschätzen. Ich gehe davon aus, dass in den Richtlinien, die das Finanzministerium erlassen hat, auch Rückforderungsmöglichkeiten verankert sind. Diese wird man prüfen müssen, falls tatsächlich hier Überförderungen in sehr hohem Ausmaß erfolgt sind. Wenn diese Überförderungen allerdings rechtskonform ausgeschüttet wurden – worauf auch einiges hindeutet –, dann wird man sich mit Rückforderungen schwertun. Dann kann man sozusagen aus den Empfehlungen nur lernen, dass man es beim nächsten Mal besser machen sollte."

Parteien kritisieren Cofag als "Blackbox"

SPÖ, FPÖ und Neos hatten die Cofag von Anfang an als "Blackbox" kritisiert: Aus ihrer Sicht fehlt die parlamentarische Kontrolle. Aus Sicht der Regierungsparteien ÖVP und Grüne verweigern die Oppositionsparteien mit der Nichtbesetzung ihnen zustehender Sitze im Cofag-Beirat, Kontrolle wahrzunehmen. Doch dieser Beirat ist aus Sicht der Opposition "zahnlos", weil dort das Bankgeheimnis einzuhalten sei. Stets wurde zur Kontrolle ein parlamentarischer Unterausschuss beim Budgetausschuss gefordert, den es bis jetzt nicht gibt. Die Oppositionsparteien bissen sich zudem mit 17 parlamentarischen Anfragen die Zähne aus und erhielten keine Antworten zu Beraterkosten, Hilfszahlungen und Co.

Bußjäger sagt im Radiointerview, es ist ein "altbekanntes Problem, dass die sogenannte Privatwirtschaftsverwaltung über ausgegliederte Rechtsträger wie hier die Cofag – also über Unternehmen des privaten Rechts – der Kontrolle des Parlaments weitgehend entzogen ist". Solche Instrumente könne man aber auch "nachträglich implementieren", etwa über eine "gewisse Berichtspflicht" des Finanzministers. "Aber das Grundproblem bleibt – dass die parlamentarische Kontrolle in solchen Fällen eben sehr rasch an ihre Grenzen stößt."

FPÖ will Cofag-Auflösung

Der SPÖ-Finanz- und Budgetsprecher Jan Krainer kritisierte den Finanzminister am Mittwoch: "Brunner verteidigt ein Schlamassel, das nicht zu argumentieren ist. Die Cofag war von vornherein immer ein Konstrukt, das ausschließlich dazu geeignet ist, Geld möglichst unkontrolliert und ungeniert zu verteilen." Geradezu zynisch sei es daher, wenn der Finanzminister argumentiert, man habe aus den falsch aufgesetzten Wirtschaftshilfen dazugelernt. "Blöderweise erst, nachdem das Geld weg war", so Krainer. Außerdem sei der Versuch von Brunner, sich von der damaligen Entscheidung zur Gründung der Cofag abzunabeln, untauglich, argumentiert Krainer: "Wenn Brunner wissen will, wieso die Entscheidung damals so gefällt wurde, dann soll er sein Büro fragen. Mit Ausnahme von Gernot Blümel selbst sitzen dort noch alle, die damals entschieden haben."

"Von Anbeginn an haben wir Freiheitlichen die Gründung der Cofag bekrittelt und abgelehnt, da es schon beim Start dermaßen viele Ungereimtheiten gab", so FPÖ-Chef Herbert Kickl am Mittwoch in einer Aussendung. "Hier wurde von ÖVP und Grünen ein Moloch geplant, um viel Geld mittels Freunderlwirtschaft zu verteilen." Der freiheitliche Wirtschaftssprecher Erwin Angerer kritisierte die doppelten bis dreifachen Gehälter auf Steuerzahlerkosten und forderte: "Jetzt gilt es, rasch die Cofag aufzulösen und alles restlos aufzuklären."

Finanzministerium prüft Cofag-Rohbericht

Zum teuren Aufsichtsrat kritisierte der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband Wien (SWV): "Während EPUs über den Härtefallfonds mit durchschnittlich 450 Euro pro Monat abgespeist wurden, verdienen acht handverlesene Günstlinge von Sebastian Kurz im Aufsichtsrat bis zu 80.000 Euro pro Jahr und zusätzlich noch 800 Euro pro Sitzung."

Die Gründung sei damals "Gebot der Stunde" gewesen, sagte auch ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner am Mittwoch. Unternehmen und Arbeitsplätze seien abgesichert worden. Das zuständige Finanzministerium von Brunner werde den Rohbericht nun prüfen. (APA, 10.8.2022)