Sprenger will "bei der massiven Polarisierung in Österreich ein bisschen neutralisieren".

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Einst war Martin Sprenger Teil der Corona-Taskforce des Gesundheitsministeriums. Das war zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 und in der Amtszeit von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Sehr bald schon aber, im April 2020, trat der Arzt und Public-Health-Experte nach Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Corona-Maßnahmen aus dem Beratungsgremium aus. Sprenger hatte etwa die verordnete Schließung von Parks und Freizeitgebieten kritisiert. Danach schrieb der Mediziner unter anderem zwei Bücher über die Pandemie und trat vielfach als Kritiker der Corona-Maßnahmen der türkis-grünen Bundesregierung in Erscheinung.

Zu seinem Rückzug aus der Corona-Taskforce habe ihn unter anderem bewogen, dass ihm der Beirat zu medizinlastig besetzt gewesen sei, sagte Sprenger jüngst in einem Interview. Von 18 Expertinnen und Experten im Beirat seien 15 Ärzte und Ärztinnen gewesen. Ihm hätten etwa Vertreter der Pflege, Sozialwissenschafterinnen und Armutsforscher gefehlt. Für Aufsehen sorgte allerdings nicht, was Sprenger in dem am Dienstag veröffentlichten Interview sagte, sondern wem er das sagte.

Das Interview wurde nämlich vom Onlinesender Auf1 geführt, dessen Programm die Medienbehörde Komm Austria im Februar wegen möglicher Verstöße gegen das Audiovisuelle-Mediendienste-Gesetz (AMD-G) unter die Lupe nahm. Der Onlinesender mit Sitz in Linz hat sich im Lauf der Pandemie zu einem der zentralen Sprachrohre der Corona-Leugner und -Verharmloserinnen entwickelt – der STANDARD berichtete.

"Versuche sie in die Mitte zu bekommen"

Größere Schnittmengen weist Auf1 sowohl mit dem Rechts-außen-Magazin "Wochenblick" als auch mit dem rechtsextremen "Info-Direkt" auf. Der Betreiber und Chefredakteur des Senders, Stefan Magnet, ist in der rechtsextremen Szene ausgiebig vernetzt. Er war Mitglied des neonazistischen Bundes freier Jugend (BfJ), trat regelmäßig mit dem Neonazi und langjährigen Dreh- und Angelpunkt der rechtsextremen Szene Gottfried Küssel auf. Auf auf1.at ist regelmäßig von "Corona-Diktatur", dem "großen Genexperiment der Globalisten" oder auch der Pandemie als angeblich "geplantem Verzweiflungsakt der Hochfinanz" zu lesen. "Hochfinanz" ist ein gängiger antisemitischer Code in der rechtsextremen Szene.

Im Gespräch mit dem STANDARD sagt Sprenger, er sehe keine "Kontaktschuld", wenn er mit einem bestimmten Medium spreche. Das Gespräch mit Auf1 sei auf einer Bürgerversammlung in Oberösterreich recht kurzfristig zustande gekommen. Ihm sei durchaus bewusst, wie der Sender aufgestellt sei. Er wolle aber Brücken bauen, indem er auch Menschen erreiche, die etwa in Verschwörungstheorien gekippt seien. "Ich rede auch mit ihnen und versuche sie in die Mitte zu bekommen", sagt Sprenger.

Gibt es für ihn Grenzen des Sagbaren, bei denen er etwa einem Onlinesender kein Interview mehr geben würde? "Ich habe zweieinhalb Jahre konsequent alle Interviews mit jeder Plattform vermieden, die mir irgendwie seltsam vorkam", sagt der Mediziner. "Natürlich wage ich mich mit diesem Interview jetzt in ein Milieu hinein." Eine Einladung zu einem Gespräch im Studio des Senders würde er nicht annehmen. Grundsätzlich sei er aber offen, wenn jemand ein Interview mit ihm führen wolle, sagt Sprenger. Er wolle "bei der massiven Polarisierung in Österreich ein bisschen neutralisieren". (Martin Tschiderer, 10.8.2022)