In der Ukraine und in westlichen Partnerländern steht die Schwarzmeerhalbinsel Krim schon seit 2014 für Krieg, für eine völkerrechtswidrige Besetzung durch Russland und für russische Stützpunkte, um von dort weitere ukrainische Landesteile angreifen zu können.

In Russland fand ihre Annexion im Jahr 2014 dagegen mehrheitlich Zuspruch. Vielen Russen gilt die Krim als billiges Urlaubsparadies: Dort gib es kilometerlange Sandstrände, touristische Promenaden und günstige Unterkünfte.

Doch heuer ist die Situation eine andere: Der neuerliche russische Einmarsch in die Ukraine und der seither andauernde Angriffskrieg – auch wenn ihn Russland nicht so benennt – haben nun auch für Russen das Bild des Urlaubsparadieses getrübt. Der Luftraum ist deshalb seit Februar für die zivile Luftfahrt gesperrt, Touristen können die Halbinsel lediglich per Zug und Auto erreichen. Tourismusvertreter klagen seit dem Frühjahr über massive Einbußen. Nun haben die Kämpfe offenbar auch die Halbinsel erreicht: Seit Dienstag kursieren Bilder in den sozialen Medien, die riesige Rauchschwaden über dem russischen Luftwaffenstützpunkt bei Saky zeigen. Dieser liegt auf einem Teil der Krim, wo sich viele Touristen in Sicherheit wähnten – bis Dienstagnachmittag, als Berichten zufolge zunächst zwölf Explosionen direkt hintereinander ertönten.

Die Halbinsel Krim dient Russland als Abschussrampe und Urlaubsziel – doch an Letzterem könnten diese Rauchschwaden etwas ändern.
Foto: IMAGO/ITAR-TASS

Videos zeigten, wie Augenzeugen in Panik ihre Strandbetten verließen und Schutz suchten. Bilder von Ausreisestaus in Richtung Russland machten ebenfalls die Runde. Olexander Scherba, der bis 2021 der ukrainische Botschafter in Österreich war, kommentierte spöttisch auf Twitter: "Der Tag, an dem die russischen Besatzer zappelig wurden."

Der ukrainische Regierungsberater Anton Geraschenko schrieb am Mittwoch, dass das Ausmaß der Explosion wohl der Zerstörung des Moskwa-Kriegsschiffes entspricht: Demnach sei wohl kein einziges Flugzeug auf dem Saky-Stützpunkt intakt geblieben. "Dutzende Kampfflugzeuge werden keine Bomben und Raketen mehr auf uns abwerfen können", schrieb Geraschenko.

Doch bei allem Jubel auf ukrainischer Seite herrscht noch Unklarheit über die Explosionsursache und die Urheberschaft. Während der ukrainische Präsidialberater Mykhailo Podolyak bestreitet, dass Kiew etwas mit der Explosion zu tun hat, berichtete etwa die "Washington Post" am Mittwoch unter Berufung auf einen anonymen Regierungsbeamten, dass es sich um das Werk ukrainischer Spezialkräfte handle.

Podolyak stellte dagegen die Vermutung auf, dass Widerstandskämpfer für die Explosionsserie verantwortlich seien. Präsident Wolodymyr Selenskyj äußerte sich nicht direkt zum Vorfall, ließ aber wissen: "Dieser russische Krieg begann mit der Krim und muss mit der Krim enden – mit ihrer Befreiung." Er bekräftigte damit den Anspruch seines Landes auf die Halbinsel. Moskau spricht dagegen weiterhin lediglich von Detonationen im Munitionsdepot des Luftwaffenstützpunkts, bei denen laut Lokalbehörden eine Person ums Leben kam, und will ebenfalls nichts von einem ukrainischen Angriff wissen.

Raketenbeschuss hält an

Die ukrainische Atomkraftbehörde Energoatom fordert zudem die Rückeroberung des Kernkraftwerks Saporischschja im russisch besetzten Südosten. Denn der russische Beschuss in der vergangenen Woche habe drei Leitungen beschädigt, die Saporischschja mit dem ukrainischen Stromnetz verbinden würden. Russland wolle dagegen die Anlage an sein eigenes Netz anschließen – dabei geht es auch um die Versorgung der Krim mit Strom.

Indes geht der russische Beschuss auf ukrainische Städte weiter: Durch russische Artillerie sind in der Nacht auf Mittwoch im Gebiet Dnipropetrowsk offiziellen Angaben zufolge mindestens 13 Menschen ums Leben gekommen.

In Russland wurde derweil die TV-Journalistin Marina Owsjannikowa, die durch eine Protestaktion im russischen Fernsehen bekannt wurde, festgenommen – wegen der "Verbreitung von Falschinformationen" über die Armee. (Flora Mory, 11.8.2022)